Tag 4: 5. Januar

Kaum geht es endlich in die Wüste, geht es auch gleich drunter und drüber. Der ehemalige Spitzenreiter Juan „Nani“ Roma hat gestern Abend nach unserem Redaktionsschluss aufgrund der Beschädigungen an seinem BMW X3 die Rallye aufgeben müssen. Schade für ihn und auch für das X-Raid-Team aus dem hessischen Trebur in der Nähe von Mainz, die damit einen ihrer Spitzenfahrer verloren haben. Bleiben noch Stéphane Peterhansel, Guerlain Chicherit und der Russe Leonid Novitskiy, der vom deutschen Copiloten Andreas Schulz durch die Rallye gelotst wird.

Ein weiterer deutscher Teilnehmer, Matthias Kahle im Honda-befeuerten, hinterradgetriebenen Buggy, war durch einen Getriebedefekt gestern erst weit nach 23:00 Uhr Ortszeit im Nachtlager, da er von seinem Servicetruck abgeschleppt werden musste. Nach erfolgreicher nächtlicher Reparatur ging er heute wieder auf die Piste und ließ den Buggy ordentlich fliegen. Platz 20 in der Tageswertung kann sich sehen lassen, im Gesamtklassement belegt er mit seinem Hamburger Beifahrer Thomas Schünemann momentan Rang 45 mit 8 Stunden und 48 Minuten Rückstand zur Spitze.

Wo wir schon bei den vorderen Plätzen sind, können wir über einen kleinen Krimi berichten. Auf der heutigen Etappe ging es auf 163 Kilometern gezeiteter Wertungsprüfung über viele Dünen und noch mehr losen Sandboden. Wie immer war die Orientierung dabei schwierig, immerhin schaut eine Düne aus wie die Nächste. Wenn dann im Ziel zwischen dem Tagesbesten und dem Zweitplatzierten lediglich eine Sekunde liegt, dann ist das schon allein bemerkenswert. Wenn man dann aber noch dazunimmt, dass der Erstplatzierte in einem Hecktriebler sitzt, muss man anerkennend den Hut ziehen. Gut, es relativiert sich wieder ein wenig, wenn man hört, dass es der Baja-Rallye-erfahrene Pilot Robby Gordon mit seinem Hummer H3-Buggy ist, aber dennoch beeindruckend. Der um nur eine Sekunde geschlagene Fahrer ist Stéphane Peterhansel im BMW. Dahinter folgte der „VW-Express“ in der Reihenfolge Al-Attiyah, Sainz, de Villiers und Miller. Einzig der Brasilianer Mauricio Jose Neves im fünften Race Touareg konnte nicht ganz mithalten und kam auf Rang 10 ins Ziel, gleichzeitig auch seine aktuelle Position in der Gesamtwertung.

Werfen wir mal einen Blick auf selbige: Peterhansel hat nun 7:36 Minuten Vorsprung auf Carlos Sainz. Auf Rang 3 liegt Nasser Al-Attiyah vor Mark Miller und Alfie Cox, der heute seinen Markenkollegen Krzysztof Holowczyc einen Platz nach hinten verweisen konnte.

Um die Dakar wahrhaftig verstehen zu können, muss man sagen, dass sich die Teams und Fahrer im Servicepark gegenseitig helfen. So kann es schonmal sein, dass Werkzeug vom einen zum anderen Zelt gegeben wird oder das unterwegs angehalten wird, um sich gegenseitig aus dem Sand oder Schlamm zu ziehen. Ein Beispiel für diese wahrhaftige Kameradschaft unter Motorsportlern konnte gestern im Motorradfeld beobachtet werden, als Sieganwärter Marc Coma mit seiner KTM aufgrund von Blasen im Benzin, die durch die Höhenlage und minderwertiges Benzin bedingt waren, im Schatten eines Baumes ohne Vortrieb stehenblieb. Er mühte sich nach Kräften, seine Maschine wieder zum Laufen zu bekommen. Der einige Minuten später gestartete David Casteu, der ebenfalls als Sieganwärter in der Motorradklasse gehandelt wird, kam an Coma vorbei, bremste, wendete und bot seine Hilfe an. Zusammen versuchten sie, das Motorrad von Coma wieder in Gang zu setzen, scheiterten jedoch. Aufgrund der Höhenlage streikte nun auch das Motorrad von Casteu, konnte aber nach bangen Minuten doch wieder zum Anspringen überredet werden. Casteu verlor über 10 Minuten in der Gesamtwertung.

Ein weiteres Beispiel basiert auf einer Tradition, die vor einigen Jahren bei Volkswagen eingeführt wurde. Wann immer ein VW-Pilot den Tagessieg erreichte, bekam die komplette Mechanikermannschaft eine Ladung Speise-Eis. Als dann Robby Gordon 2007 der VW-Mannschaft ganz knapp einen Tagessieg wegschnappte, brachten die Mechaniker ihr knapp verlorenes Eis zur amerikanischen Hummer-Mannschaft herüber. Als Gordon heute wieder knapp vor VW gewann, ging er mit zwei großen Kartons Eis grinsend zur VW-Mannschaft hinüber. Sie fragen immer noch, wo Kameradschaft herrscht? Vielleicht sollten Sie weiter DTM schauen.

Quellen: www.dakar.com, X-Raid, VW Motorsport

Autor: Matthias Kierse