Tag 8: 9. Januar

Wie bereits angekündigt stand heute der einzige Ruhetag der Rallye Dakar 2010 auf dem Programm. Die Fahrer entspannten sich und holten verlorenen Schlaf nach, die Beifahrer bereiteten in Ruhe das Roadbook für morgen vor und bei den Mechanikern wurden die Schraubenschlüssel geschwungen, um den Fahrzeugen einen notwendigen Allround-Check zukommen zu lassen.

Das gibt uns Zeit, uns einmal ein wenig intensiver mit den Fahrern an der Spitze des Feldes auseinanderzusetzen. Wer begibt sich da eigentlich alles auf eine solche Dauerherausforderung einer Marathon-Rallye über annähernd zwei volle Wochen?

Beginnen wir mal mit dem aktuell Führenden Carlos Sainz. Rallyefans wird der Name ein Begriff sein, immerhin fuhr Sainz 13 Jahre lang in der Rallye-Weltmeisterschaft, errang dort 26 Siege und wurde 1990 und 1992 Weltmeister. Seine Rallyes legte er auf Ford, Citroen, Subaru und Toyota zurück. Heute sitzt er bei so genannten Rallye Raid-Wettbewerben, zu denen auch die Dakar zählt, am Steuer eines Volkswagen Race Touareg.

Nasser Al-Attiyah aus Katar ist Sportfans eventuell von den Olympischen Spielen 2004 bekannt, wo er beim Tontaubenschießen Vierter wurde. Seit vielen Jahren fährt er nebenher Rallyes und gewann 2006 die Produktionswagen-Klasse der Rallye-Weltmeisterschaft. Seit 2007 fährt er jedes Jahr bei der Dakar mit, in den Vorjahren mit einem BMW X3 des X-Raid-Teams, dieses Jahr erstmals in der Mannschaft von Volkswagen Motorsport, wo er sich laut eigener Aussage sehr wohl fühlt.

Der momentan Drittplatzierte Mark Miller aus den USA im dritten Race Touareg ist ein Allround-Talent. Er fuhr bereits in der NASCAR-Truck-Klasse auf der Rundstrecke, legte Wüstenrallyes auf dem Motorrad zurück und war Zweiter beim Pikes Peak-Bergrennen im Jahr 2000. Seit 2005 fährt er Rallye Raid für das Volkswagen Team und konnte sich bei jeder Dakar-Teilnahme steigern.

Das Guerlain Chicherit vierfacher Extrem-Ski-Weltmeister ist, haben wir gestern bereits erwähnt. Sein letzter Titel datiert dabei von 2007. Nebenher fuhr er Rallyes und wurde 2002 und 2003 Französischer Rallyemeister. 2005 stieg er auf Marathon-Rallyes um und fährt seitdem für das X-Raid-Team.

Der Franzose Stéphane Peterhansel ist einer der diversen „Umsteiger“ im Feld der Dakar. In den Jahren 1991, 1992, 1993, 1995, 1997 und 1998 gewann er jeweils die Motorradklasse auf einer Yamaha. 2004, 2005 und 2007 legte er schließlich Siege in der Autowertung mit Mitsubishi nach und ist damit der erfolgreichste Starter bei der Mutter aller Rallyes. Nachdem sich Mitsubishi aus Kostengründen aus dem Motorsport verabschiedete, wechselte Peterhansel zum X-Raid-BMW-Team.

Der Publikumsliebling Robby Gordon ist ein wahrhaftiger bunter Hund, der das Starterfeld sehr bereichert. Er stammt aus einer amerikanischen Rennfahrerfamilie und saß bereits mit 16 Jahren erstmals im Rennauto. In seinem allerersten Rennen konnte er seinen Vater Bob schlagen und erhielt fortan familiäre Unterstützung. Neben Offroad-Rennen findet man ihn auch am Steuer der in den USA populären Indycars (sowohl IRL als auch Champcar) und in der NASCAR. 2005 fuhr er für Volkswagen die Dakar, gewann zwei Etappen und war damit der erste US-Amerikaner, der sich in die Siegerlisten der Dakar eintragen lassen konnte. Seit 2006 bewegt er seinen Hummer Buggy, der nichts mit den Serien-Hummer gemeinsam hat, wenn man mal von einigen optischen Punkten absieht. Der Buggy hat Heckantrieb und einen dicken V8-Motor, der ebenfalls im Heck verbaut ist. Dank der gewaltigen Akustik und Robbys spektakulärer Fahrweise liebt ihn das Publikum an der Strecke.

Bester deutscher Teilnehmer ist Matthias Kahle im heckgetriebenen Buggy mit Honda-Motor. Kahle ist Rallyefans als sechsfacher Deutscher Rallyemeister bekannt. Jahrelang hielt er, erst auf Seat, später auf Skoda, die deutsche Rallyeszene gekonnt in Schach. Zu einem internationalen Durchbruch fehlten Kahle jedoch die passenden Sponsoren und so tritt er bei der Dakar auch nur mit einem privatfinanzierten Buggy-Team an und nicht etwa mit einem werksunterstützten Geländewagen. Umso beachtlicher sind die bisherigen Ergebnisse und der momentane Gesamtrang 22.

Soweit unser kleiner Einblick in die Fahrerwertung. Momentan sind von 139 gestarteten Autos noch 81 dabei. Die erste Hälfte der Dakar 2010 hat also bereits ihre Spuren hinterlassen.

Wer genau leitet solche Rallye-Teams? Das wollen wir kurz anhand der Teamleiter von Volkswagen und X-Raid klären

Der Däne Nils-Kristian „Kris“ Nissen war Zakspeed-Testfahrer in der Formel 1 Ära des Teams und wurde 1986 Deutscher Formel 3-Meister. Zwei Jahre später überlebte er einen Horror-Crash mit einem Porsche 962 auf der Rennstrecke im japanischen Fuji, bei dem das Fahrzeug in Brand geriet. Die Spuren seiner Verletzungen zeichnen ihn bis heute. 1989 gab er in der DTM sein Comeback, 1991 gewann er das 24-Stunden-Rennen am Nürburgring und nach der DTM-Saison 2000 zog er sich als aktiver Motorsportler zurück, um bei Volkswagen den Posten des Motorsportdirektors zu übernehmen. Unter seiner Leitung ging VW 2003 erstmals mit einem heckgetriebenen Buggy, dem Tarek, an den Start der Dakar. Dieses Fahrzeug läuft bis heute im Feld mit, nachdem es an Privatiers verkauft wurde. 2009 konnte man die Dakar gewinnen, was zeitgleich der erste Sieg eines Diesel-Fahrzeugs bei der Dakar war.

Im X-Raid-BMW-Team aus dem hessischen Trebur hält Sven Quandt das Ruder in der Hand. Der Name Quandt hat einen besonderen Klang für BMW-Fans und in der Tat, Sven ist der Sohn von BMW-Hauptanteilseigner Herbert Quandt, der 1982 starb. Herbert Quandt war dreimal verheiratet und hinterließ den Großteil seines Vermögens seiner dritten Ehefrau Johanna und den gemeinsamen Kindern Susanne Klatten (2009 zu zweifelhaftem Ruhm gekommen) und Stefan Quandt. Sven Quandt stammt aus der zweiten Ehe seines Vaters, hat aber abgesehen vom Erbe auch einen guten Draht zu BMW, weswegen die Wahl der Einsatzgeräte für die Rallye-Raid-Meisterschaft nicht überrascht. Er selbst fuhr in den 1990er Jahren siebenmal die Dakar auf einem Mitsubishi mit und wurde 1998 Marathon-Rallye-Weltmeister. Von Ende 2002 bis 2004 war er Motorsportchef der Japaner, um danach sein eigenes Team zu eröffnen, mit dem er durchaus erfolgreich an Rallye-Raid-Wettbewerben teilnimmt.

Bildertechnisch möchten wir euch heute natürlich auch nicht langweilen. Zwar gab es heute keine Renn-Action, das hindert uns aber nicht daran, ein paar schöne Bilder des gestrigen Tages zu zeigen. Dazu kommen einige Fotos aus dem so genannten Biwak, dem Nachtlager und Servicepark der Rallye. Hier kann man am Beispiel des X-Raid-Teams sehen, wie gut sortiert die Begleittrucks sind. Alle benötigten Ersatzteile sind nach Möglichkeit mehrfach pro Auto verfügbar, damit während der Nachtruhe der Fahrer alle defekten Teile der Fahrzeuge ersetzt werden können. Volkswagen trieb das Lagerungssystem in diesem Jahr sogar auf die Spitze. Wie in einem herkömmlichen Großlager verfügt jedes Ersatzteil über einen Strichcode und mittels eines Lesegerätes kann jederzeit gesagt werden, welches Teil wie oft auf welchem LKW liegt. Da die Fahrzeugbesatzung auf den Wertungsprüfungen auf sich selbst gestellt ist, befinden sich die wichtigsten Werkzeuge mit an Bord, ebenso einige Ersatzteile. Wie man sehen kann, wurde beim Bau der ultraleichten Kohlefaser-Türen für den X-Raid BMW X3 direkt an eine Aussparung für einen Elektroschrauber gedacht.

Morgen geht es auf die mit 472 Kilometern zweitlängste Etappe der Dakar. Wieder stehen Belagwechsel, hohe Dünen und schwierige Navigationsabschnitte auf dem Programm. Wir werden berichten, wie es weitergeht.

Quellen: www.dakar.com, X-Raid, VW Motorsport

Autor: Matthias Kierse