Ein Jahr nach dem normalen 964 erschien im Sommer 1990 das Topmodell, der Porsche 964 Turbo. Wie bereits beim Vorgänger unterschied er sich optisch durch breite Backen und einen feststehenden Heckflügel von seinen zivilen Geschwistern. Unterm Blech scharrten anfangs 320 Zuffenhausener Pferde mit den Hufen, drei Jahre später steigerte sich die Anzahl auf 360, mittels Werksleistungssteigerung sogar auf bis zu 385 PS.

Porsche 964 Turbo

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Die Flut der Modellvarianten beim intern 964 genannten Porsche 911 ist beinahe nicht zählbar. Eigentlich ist schneller aufzuzählen, welche Fahrzeugvarianten es nicht gab. Der Einfachheit halber möchten wir uns hier nur dem „Geburtstagskind“ widmen, dem Spitzenmodell der Baureihe, dem Turbo. Wobei auch hier „einfach“ eigentlich der falsche Begriff ist, denn es gab nicht einfach nur „den Turbo“.

Im Sommer 1990 rollte endlich das Topmodell aus Zuffenhausen zu den Händlern. Angetrieben wurde er, wie schon sein Turbo-Vorgänger, von einem 3,3 Liter großen Sechszylinder Boxermotor. Die Leistung war allerdings auf stramme 235 kW/320 PS angewachsen. Eigentlich kein schlechter Wert, aber für viele Porsche-Fans enttäuschend, da bereits der Basis-11er mit 184 kW/250 PS im Datenblatt stand und ihnen der technische Abstand zum Topmodell einfach zu gering war, für die fälligen knapp 70.000,- DM Aufpreis (Turbo-Grundpreis: 190.000,- DM). Besonders der Unterschied von lediglich 10 km/h mehr Topspeed machte den hartgesottenen Fans Kummer.

Porsche nahm diese Kritik ernst und ermöglichte eine optionale Werksleistungssteigerung (WLS) auf 261 kW/355 PS. Da auch diese einigen Kunden nicht reichte, wurde bald der Turbo S mit 280 kW/381 PS nachgeschoben, der jedoch preislich mit 295.000,- DM für viele potenzielle Kunden bereits so hoch angesetzt war, dass er für sie nicht in Frage kam.

Im Januar 1993 wurde der Motor des Turbo überarbeitet und auf 3,6 Liter aufgebohrt. Ergebnis waren 265 kW/360 PS und 280 km/h Höchstgeschwindigkeit. Der Einstiegspreis stieg auf 204.000,- DM an. Die Möglichkeit einer Werksleistungssteigerung auf 283 kW/385 PS blieb bestehen, der Turbo S entfiel nach lediglich rund 86 gebauten Autos aus dem Programm.

Karosserieseitig sind alle 964 Turbo-Versionen an ausgestellten Kotflügeln und einem großen, feststehenden Heckflügel zu erkennen. Im Flügel ist ein Lufteinlass integriert, der den Ladeluftkühler anströmt. Für den Turbo S und später auch für den Turbo 3.6 waren zusätzliche Belüftungsöffnungen in den hinteren Radhäusern vor den Rädern optional orderbar. Ebenso erhielten diese beiden Modelle im Gegensatz zum Turbo 3.3 Speedline-Felgen ab Werk.

Eigentlich war der Turbo in der 964-Baureihe nur als Coupé vorgesehen. Vom 930 Turbo hatte es ja zusätzlich offiziell im Programm auch Cabrio- und Targa-Varianten gegeben. Aber, wie schon durch das einleitende Wort gesagt: „eigentlich“. Auf besonderen Kundenwunsch entstanden in Zuffenhausen sechs 964 Turbo 3.3 Cabriolets. Soweit bekannt, sind wohl allesamt mit der Werksleistungssteigerung auf 355 PS ausgestattet worden. Ebenso wurde kürzlich ein 964 Turbo 3.6 Cabriolet gesichtet, bei dem bislang nicht geklärt ist, ob es ein fachgerechter Umbau oder tatsächlich ein Werksunikat ist. Auch die schon vom Vorgängermodell bekannte Möglichkeit, einen so genannten „Flachschnauzer“ zu erwerben, wurde beibehalten. Bei diesen Fahrzeugen entfallen die senkrecht stehenden Scheinwerfer mitsamt der runden Kotflügel zugunsten einer abgeflachten Version mit liegenden Lampen. Die japanischen Versionen erhielten dabei Klappscheinwerfer im Stil des Porsche 944, in anderen Staaten erinnerten die Leuchten eher an den 968. Insgesamt sind rund 76 solcher Fahrzeuge entstanden.

Das Alleinstellungsmerkmal des Turbo, die dicken Backen, wurde von Porsche beim 964 auch für nicht-aufgeladene Typen angeboten und erhielt unter Markenfreunden bald das Synonym „Werks-Turbo-Look“ (WTL). Möglich war diese Option für alle Karosserieformen, vom Coupé bis zum Speedster.

Auf Basis des Turbo gab es einige Wettbewerbsversionen. So fuhren unter anderem Hurley Haywood und Hans-Joachim Stuck in den USA einen auf dem Turbo 3.6 basierenden, auf 370 PS erstarkten Wagen in der IMSA-Sportwagenserie. Ein Turbo S wurde für das 24 Stunden Rennen in Le Mans gefertigt und hatte eine Leistung von 474 PS, was aufzeigt, was aus dem 3,3 Liter Turbomotor alles herauszuholen war.

Quelle: Porsche, CP-Archiv

Autor: Matthias Kierse