Wenn in BMW-Kreisen von der „Bügelfalte“ die Rede ist, meint der Sprecher nicht seine ordentlich gebügelten Hemden daheim im Schrank. Nein, streng genommen spricht er vom Tafelsilber der Marke, verkörpert durch einen besonderen BMW 328 Roadster, der einiges an bedeutender Motorsporthistorie aufweisen kann. Jetzt kam dieses Fahrzeug in Monaco unter den Auktionshammer – oder eben auch nicht, doch dazu im Text mehr.

BMW 328 MM Bügelfalte

Bild 1 von 9

Wenn bei der Mille Miglia 1940 jemand gerufen hätte „Vorsicht, da kommt eine Bügelfalte!“, dann hätte man diesen Menschen nicht ins nächstbeste Irrenhaus einliefern müssen. Gemeint war damit auch kein besonders fein gekleideter Adliger mit möglichst akkurat gebügelten Hemden und Hosen. Nein, die Rede ist von einem Auto mit Eisenachner Ursprung, aber tief verwurzelt im Herzen der Münchner Automarke mit dem Propeller im Logo.

Aber fangen wir am Besten mal ganz vorne an. Anfang 1937 verließ Chassisnummer 85032 als einer von 464 gebauten BMW 328 Roadster das Werk in Eisenach. Das Fahrzeug erhielt eine normale 328er Karosserie mit weißer Lackierung und den 80 PS-Reihensechszylinder-Motor und wurde nach München in den BMW-Fahrversuch ausgeliefert. Dazu muss man wissen, dass es zu dieser Zeit eine richtige „Rennabteilung“ bei BMW noch nicht gab und die Sporteinsätze daher vom Fahrversuch aus organisiert und geleitet wurden. Im Juni fand man 85032 bei den 24 Stunden von Le Mans, wo der Wagen jedoch mit Problemen an der Zündung ausfiel. Ein weiterer technischer Defekt beendete kurz darauf den Einsatz bei der Tourist Trophy in Donington. Bei der Mille Miglia 1938 konnte das Fahrzeug jedoch seine Klasse gewinnen und wurde im Gesamtklassement Achter. Auch die Alpenfahrt, eine damals sehr beliebtes Bergrennen, konnte der 328er mit einem Klassensieg abschließen, 1939 sogar mit einem Gesamtsieg.

Nach diesem tollen Sieg wurde das Fahrzeug zurück in den BMW-Fahrversuch gebracht und komplett zerlegt. Der Grund hierfür war der bevorstehende Einsatz bei der Mille Miglia 1940, für den BMW fünf Rennfahrzeuge vorbereitete. Diese sollten sich optisch deutlich von der Serie unterscheiden und viel aerodynamischer daherkommen. Das Gewicht wurde durch den Einsatz einer Aluminium-Magnesium-Legierung deutlich abgesenkt. Der 328er mit Chassisnummer 85032 sollte ein offener Roadster bleiben, daneben entstanden zwei weitere Roadster, ein Coupé und eine Rennlimousine. Da in München nicht genug Platz war, um all diese Fahrzeuge allein aufzubauen, entstanden die beiden anderen Roadster und das Coupé bei Touring in Italien, während die Rennlimousine und 85032 im Fahrversuch vollendet wurden.

Wegen der Kanten auf den Kotflügeln hatte der Roadster alsbald seinen Spitznamen weg, erinnerten sie doch recht deutlich an eine Sache, die man aus dem Kleiderschrank oder von gut gekleideten Leuten kannte: die Bügelfalte. Das Design ist aber auch so sehr interessant, immerhin könnte man bei der Seitenlinie auch gut an einen Jaguar XK120 denken, der jedoch erst über 10 Jahre später erdacht wurde.

Unter dem faszinierenden Blechkleid wurde der Sechszylinder-Reihen-Motor mit einem externen Ölkühler versehen und auf 130 PS gesteigert. Durch Details wie Sitzgestelle, Getriebeglocke und Hinterachsgehäuse aus Magnesium oder hohlgebohrte Antriebswellen wurde das Gesamtgewicht des BMW 328 Mille Miglia Roadster auf sensationelle 725 Kilogramm gedrückt.

Bei der Mille Miglia 1940 konnte BMW mit dem Renncoupé gewinnen, 85032 belegte den sechsten Platz. Als weiterer Renneinsatz war der Große Preis von Kronstadt in Rumänien vorgesehen, doch im Training erreichte das Team die Nachricht, dass der zweite Weltkrieg nun auch Rumänien erreicht habe und man machte sich eiligst auf den Rückweg nach München, wo man die Fahrzeuge mit List und Tücke vorm Kriegsgeschehen verbergen konnte. Abgesehen von der Rennlimousine existieren tatsächlich alle Mille Miglia-BMWs heute noch.

Dies ist jedoch wohl nur darauf zurückzuführen, dass sie jeweils interessierten Menschen in die Hände fielen. Die „Bügelfalte“ ging nach Ende des zweiten Weltkriegs in den Besitz der UdSSR. Einige Augenzeugen wollen gesehen haben, dass der Wagen dabei auf dem selben Zug verstaut wurde, wie die bis heute verschollenen Auto Union Silberpfeile. Soviel dann zum Thema „Glück“. Bis 1972 war der BMW in Besitz von ein und der selben Person, dann wurde er gegen einen neuen Lada eingetauscht und landete in Riga. Vermutlich erhielt er dort auch die heute noch aufgetragene Farbschicht, die wohl mit einer Walze aufgetragen wurde. 1991 sah man den Wagen erstmals wieder bei einer westlichen Veranstaltung: der Besitzer nahm an der Mille Miglia Storico teil. Im Jahr 2001 kehrte die Bügelfalte schließlich heim, als ein süddeutscher Sammler den russischen Besitzer endlich vom Verkauf überzeugen konnte.

In den letzten Wochen konnte man den BMW 328 Mille Miglia Roadster „Bügelfalte“ dann vermehrt in Automagazinen erblicken. Grund war nicht nur das 70. Jubiläum der 1940er Mille Miglia und die Präsenz auf der Techno Classica in Essen, sondern auch die Tatsache, dass der Wagen am 1. Mai in Monaco versteigert werden sollte. Doch was setzt man als Wert für eine solche Präziose des Automobilbaus an? Zum Vergleich: ein „normaler“ BMW 328 schlägt in gutem Zustand und ohne Rennsporthistorie mit rund 500.000,- Euro zu Buche. Damit dürfte klar sein, dass dieses besondere Fahrzeug mehr Wert sein würde.

Der 1. Mai kam und mit ihm die besagte Auktion in Monte Carlo, die von RM Auctions durchgeführt wurde. Neben der Bügelfalte fanden sich noch weitere hochinteressante Fahrzeuge ein, darunter die Rolls-Royce-Sammlung von Hans-Günter Zach, für dessen Prunkstück, den Rolls-Royce Phantom II 40/50 HP Continental All-Weather-Cabriolet „Star von Indien“,
erst bei 644.000,- Euro der Hammer fiel. Ein Ferrari 400 Superamerica Cabriolet Pininfarina SWB erhielt bei sagenhaften 2,8 Millionen Euro den Zuschlag, dicht gefolgt von einem Ferrari 250 GT SWB Berlinetta für 2,6 Millionen und einem Maserati Tipo 61 „Birdcage“ für 2,46 Millionen Euro. Insgesamt konnte RM Auctions 86% der mitgebrachten Fahrzeuge versteigern. Der Reinerlös der Auktion lag bei enormen 33,2 Millionen Euro, was zeigt, dass der Klassikermarkt weiterhin wächst und gedeiht.

Nur ein Zuschlag fehlte im großen Ganzen: Zwar gab es durchaus interessierte Bieter für die Bügelfalte, doch bei einem Gebot von 4,3 Millionen Euro war die Luft raus. Das geheimgehaltene Estimate, ein Mindestpreis, der durch die Bieter erreicht werden muss, war damit jedoch noch nicht überschritten, also blieb der Hammerschlag des Auktionators aus. Leichte Enttäuschung machte sich breit, hatte man sich doch einen hohen Preis für dieses Fahrzeug erhofft. Keine 24 Stunden später verkündete RM Auctions jedoch, dass im Nachverkauf der Auktion die Chassisnummer 85032 einen neuen Besitzer gefunden habe. Der Preis wird allerdings geheimgehalten. Man darf davon ausgehen, dass er eher in Richtung 5, als in Richtung 4 Millionen gehen dürfte.

Aufmerksame Leser könnten nun fragen, warum der Münchner BMW-Konzern sich dieses Fahrzeug nicht selbst ins Museum stellt, sondern solche Bieterschlachten ums Tafelsilber zulässt. BMW ist jedoch der einfachen Ansicht, dass es durchaus Sinn macht, wenn historisch bedeutende Fahrzeuge aus der langjährigen Markengeschichte in der Hand von Privatleuten sind, die diese ab und an auf verschiedenen Veranstaltungen bewegen und so einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen. Dazu kommt, dass man in der Zeit, als die Bügelfalte in Russland war, eine möglichst exakte Replika anhand von alten Skizzen und Bildern erstellt hat und diese im Museum und bei Veranstaltungen vorzeigen kann. So kam es auch, dass auf der diesjährigen Techno Classica in Essen quasi zweimal das selbe Auto stand: Am BMW-Stand die Replika und am Stand von RM Auctions das einzig wahre Original.

Quelle: RM Auctions, BMW

Autor: Matthias Kierse