Viel ist über diesen Wagen bereits geschrieben worden, teils von gut informierten Quellen, teilweise leider auch nicht. Dennoch ist unser Testauto noch relativ unbekannt, wie wir auf unserer kleinen Rundreise festgestellt haben. Zeit, das zu ändern. Bühne frei für den serienfertigen Artega GT, dem neuen deutschen Sportwagen aus dem ostwestfälischen Delbrück. Ist das, was lange reift, auch wirklich gut? Wir fanden es heraus.

Artega GT

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Die Story rund um den Artega GT ist bereits heute umfangreicher, als man dies bei der noch sehr jungen Marke aus Delbrück in Ostwestfalen selbst gern wollte. Ursprünglich war angedacht, mit Hilfe des Automobilzulieferers Paragon und des Designers Henrik Fisker – der vorher so berühmte Autos wie den BMW Z8 oder den Aston Martin DB9 gezeichnet hatte – einen völlig neuen deutschen Sportwagen auf den Weg zu bringen, der 2008 serienfertig sein sollte, um Kunden in aller Welt zu begeistern.

Mittlerweile schreiben wir September 2010 und viele Spötter unken, der Artega würde den Weg auf die Straße wohl nie finden. Sie sind im Irrtum. Nach einer drohenden Insolvenz und der Übernahme durch die vorherigen mexikanischen Minderheitseigner im Winter 2009 wurde die gerade angelaufene Produktion von den neuen Besitzern vorerst auf Eis gelegt, um dem GT mit neuem Vorstand und vor allem neuer Liquidität die Kinderkrankheiten auszutreiben, die ein solches Projekt zwangsläufig mit sich herumträgt. Dutzende, wenn nicht gar hunderte kleiner und größerer Details wurden genauestens unter die Lupe genommen und was nicht für gut befunden wurde, wurde neu konstruiert und verbessert.

Herausgekommen ist dabei nach-wie-vor ein Artega GT. Wer aber, wie der Autor, das Projekt von Kindesbeinen an kennt und das Glück hatte, einen der frühen Prototypen in der Vergangenheit bewegen zu dürfen, wird sich an den Detailverbesserungen der nun fertigen Version kaum sattsehen können. Allen Anderen sei gesagt: Hier rollt ein durchaus ernstzunehmender Konkurrent ins Feld der sportlichen 300 PS-Coupés hinein.

Natürlich interessiert nun viele Leser, was genau verändert wurde, um aus dem Artega GT einen Artega GT werden zu lassen. Dies beginnt bei Kleinigkeiten wie der Tacho-Einheit, die bei den ersten Prototypen über ein besonderes Gimmick verfügte: Tacho- und Drehzahlmesser-Nadel liefen auf der selben Welle, allerdings gegenläufig, da die eine im oberen Bereich des Zifferblattes anzeigte, die andere jedoch darunter. Dies funktioniert zwar prima, allerdings vertraut man für die Serie vorerst lieber auf bewährte Technik. Die dafür aber mit einem anderen Gimmick aufwartet: Einem sich einfärbenden Zeiger. Solange der Motor kalt ist, ist die Nadel des Drehzahlmessers blau. Sie wird grün, sobald das Motoröl auf Betriebstemperatur ist und verfärbt sich rot, wenn der obere Bereich der Drehzahlskala erreicht wird und ermahnt somit den Piloten, den nächsten Gang des Direktschaltgetriebes anzuwählen.

Neben vielen weiteren kleinen Details, die Nicht-Kennern des Wagens wohl kaum auffallen werden, wurde vor allem ein recht großes Teil am Fahrzeug verändert – wenngleich auch dies nicht auffällt, wenn man nichts davon weiß. Die vordere Haube war ursprünglich wie der Rest der Karosserie aus einem Polyurethan-Kunststoff gefertigt. Bei intensiven Testfahrten wurden jedoch Verformungen festgestellt, die bei hohen Geschwindigkeiten auftraten und sich auch durch andere Bearbeitungstechniken des Werkstoffes nicht verhindern ließen. Da der Artega GT als Sport-Coupé natürlich durchaus dafür ausgelegt sein sollte, höhere Geschwindigkeiten zu erreichen, fertigen die Ostwestfalen die Kofferraumklappe daher nun aus hochfestem Carbon.

Da wir hiermit schon bei der Betrachtung der Karosserie angekommen sind, wandern wir doch einmal um den Artega GT herum. Das Design von Henrik Fisker fand während unserer Fotoarbeiten überall nur positive Reaktionen. Ob hochgereckter Daumen in vorbeifahrenden Autos oder anerkennende Kommentare von Passanten – die Form gefällt. Gerade im Feuerrot des Testwagens wirkt der Artega auch durchaus ein klein wenig italienisch, was auf einer Überführungsfahrt wohl auch dem Fahrer eines modeneser Rassepferdes durch den Kopf ging, der eine ganze Weile lang auf der zweiten Spur neben uns herrollte.

Wie man unschwer an den Lufteinlässen oberhalb der Hinterräder erkennen kann, sitzt der Motor des Artega GT dort, wo er nach Meinung vieler Experten bei einem wahren Sportler hingehört: In der Mitte. Es handelt sich dabei um ein eher ungewöhnliches Spenderherz, das Artega aus Wolfsburg bezieht. Ja, richtig gelesen, der Volkswagen-Konzern liefert das 3,6 Liter große Sechszylinder-Aggregat und auch das Sechsgang-Direktschaltgetriebe nach Delbrück. Ursprünglich tat dieser Motor im kürzlich eingestellten VW Passat R36 seinen Dienst. Im Artega leistet er unveränderte 220 kW/300 PS und bringt 350 Newtonmeter Drehmoment auf die Hinterachse. Da das knapp über 4 Meter lange Sport-Coupé unter 1,3 Tonnen Leergewicht auf die Waage bringt, verwundert es wohl nicht, dass es dem Organspender eine volle Sekunde beim Sprint von 0 auf 100 km/h abnimmt (4,8 zu 5,8 Sekunden) und auch obenrum davonziehen kann, was jedoch auch daran liegt, dass der Passat R36 bei 250 km/h elektronisch abgeregelt ist. Der Artega darf die Kraft des Motors voll ausschöpfen und erreicht somit – freie Strecke vorausgesetzt – bis zu 270 Stundenkilometer.

Gleichzeitig lässt er sich jedoch auch äußerst sparsam bewegen. Wer seinen Gasfuß im Zaum hält, kann den GT mit lediglich 8,9 Litern Sprit 100 Kilometer weit bewegen. Das steht nicht nur im Prospekt, sondern konnte von uns im Selbsttest wiederholt werden. Nur ganz ehrlich: Wirklicher Fahrspaß kommt bei dieser Fahrweise nicht auf. Theoretisch sind so über 750 Kilometer Reichweite mit einer Tankfüllung möglich, aber ist der Artega GT wirklich für diese Art der Benutzung gebaut worden? Wer lieber flott fährt, wird bei rund 11 bis 13 Litern Verbrauch landen – ein Wert, der sich im Vergleich mit der direkten Konkurrenz nicht zu verstecken braucht.

So, genug über das Auto geredet, nun endlich mal hinein und hinfort. Die Recaro-Sportsitze sind tierisch bequem und bieten in jedem Fahrzustand exakt den Seitenhalt, den man sich als sportlicher Fahrer wünscht. Der Motor startet, wenn man den Schlüssel – der streng genommen eher ein Sender ist, denn er hat keinen Metallbart – in den Slot rechts neben der Lenksäule drückt.

Holla – der Kleine weiß auf sich aufmerksam zu machen. Nicht aufdringlich aber durchaus gut wahrnehmbar erwachen die sechs Zylinder zum Leben und verfallen in ein basslastiges Brabbeln im Leerlauf. Im Fahrbetrieb bleibt dieser Soundtrack stets präsent ohne nervig zu werden. Wer ein Auto möchte, bei dem er den Motor niemals hört, wird eh nicht in der Klasse der sportlichen Coupés suchen. Um vorwärts zu kommen, kann der Fahrer zwischen der automatischen Gangwechselversion oder der manuellen Gasse des DSG-Getriebes wählen, in der er per Schalthebel oder mittels Wippen hinterm Lenkrad die Gänge wechseln kann. Auf unseren Fahrten haben wir die Automatik nur zu Rate gezogen, um den Motor aufzuwärmen, alles weitere macht manuell einfach viel mehr Spaß. Die Vehemenz, mit der der Artega GT in Richtung Horizont zieht und dabei binnen Millisekunden die Gänge wechselt, macht schnell süchtig. Rein vom Bauchgefühl her unterstellt man dem Wagen eher 350 als 300 Pferde unter der Haube.

Wenn man sich ein wenig mit den Einstellungen des Wagens befasst, findet man die etwas versteckte Launch Control, die es ermöglicht, so schnell wie möglich von einer imaginären Linie oder an der grünen Ampel zu beschleunigen. Für ein paar Fotos nutzten wir diese Funktion aus, allerdings merkt man dem Artega an, dass er lieber normal beschleunigen mag, was auch deutlich weniger auf’s Material gehen dürfte.

Egal, ob auf kurvigen Landstraßen, auf langen Autobahnetappen oder in der Innenstadt – selten hatten wir mit einem Sportwagen so wenige Probleme wie mit dem Artega GT. Dem Auto scheint es schlicht egal zu sein, in welchem Fahrbetrieb es gerade bewegt wird, Hauptsache es wird überhaupt bewegt. Und genau das werden die Besitzer mit diesem Wagen häufig tun – oft genug auch einfach nur der reinen Fahrfreude wegen.

Natürlich bietet der Artega ein paar liebenswerte „Schrulligkeiten“. Seien wir einmal ehrlich: Genau das erwarten wir doch eigentlich von einem Sportwagen alter Schule. Perfekte Autos machen auf die Dauer wenig Spaß, was wir wirklich wollen sind doch die Kleinigkeiten, an die wir uns eventuell erst gewöhnen müssen.

Beim Artega sind dies zum Beispiel die Sensortasten, mit denen alle Funktionen des in der Mittelkonsole integrierten Bildschirms bedient werden, vom Radio über die Klimaanlage bis hin zum Bordcomputer. Der Bildschirm steht dabei in einem auf den ersten Blick sehr merkwürdigen Winkel, der jedoch dafür sorgt, dass es so gut wie keine störenden Reflektionen auf der hochglänzenden Oberfläche gibt und somit für den Fahrer zu jeder Zeit eine perfekte Ablesbarkeit gewährleistet bleibt. Einmal daran gewöhnt funktioniert die Bedienung prima. Ebenso verhält es sich mit dem in den Rückspiegel integrierten Navigationssystem oder den lackierten Flächen im Multifunktionslenkrad, die sich beim ersten Fahren komisch anfühlen. Nach spätestens 25 Kilometern hat man jedoch herausgefunden, dass man zur Bedienung der hinterm Lenkrad angebrachten Schaltwippen sowieso eine andere Handstellung braucht und schon macht auch dieses Detail Sinn.

Werfen wir doch einmal ein Auge auf das, was der Artega-Kunde so alles bekommt, wenn er mindestens 79.950,- € mit nach Delbrück bringt. Im offiziellen Verkaufsprospekt finden sich sechs Karosseriefarben. Bei einem kurzen Blick durch die Werkstore zeigte sich jedoch schnell, dass die Delbrücker durchaus bereit sind, jede gewünschte Lackierung auf das Coupé zu pinseln, die der Kunde haben möchte. Was gefällt wird gemacht. Ähnliches gilt für das Leder im Innenraum. Die weitere Serienausstattung kann sich sehen lassen. Neben Bi-Xenon-Scheinwerfern, vier Airbags, Klimaanlage, Navigationssystem und einer 250 Watt starken Musikanlage inklusive CD-Player sind auch 19 Zoll große Leichtmetallräder und eine hervorragende Brembo-Bremsanlage ab Werk mit an Bord.

Gegen Aufpreis gibt es weitere Felgen-Designs (auf Wunsch in Wagen- oder Wunschfarbe lackiert), einen Rauleder-Bezug für das Lenkrad, Winterräder oder ein Sportfahrwerk nebst Tieferlegung um 15 Millimeter. Wer auf Komfort nicht verzichten mag, kann Sitzheizungen und Mobiltelefon-Vorbereitungen mitbestellen.

Setzen wir uns also abschließend zu einer Tasse Kaffee vor’s Auto. Resümierend kann gesagt werden, dass hier wahrhaftig zusammengewachsen ist, was zusammengehört. Der Motor mit seinen 300 Pferdchen bringt zu jeder Zeit genug Leistung auf den Boden, um den jungen Ostwestfalen sportlich um die nächste Ecke zu bringen – dank komplett abschaltbarem ESP auch gerne im Drift. Der Innenraum hat von den abschließenden Überarbeitungen spürbar profitiert und präsentiert sich in einem sehr ordentlichen Zustand. Nichts klappert, nichts knistert, egal ob auf schlecht geflickten Autobahnen oder Kopfsteinpflaster.

Würden wir also einen Artega GT bestellen? Ja, unbedingt. Mein persönlicher wäre nicht rot lackiert und würde wohl auch in einigen anderen Ausstattungsdetails vom Testfahrzeug abweichen, aber nach zwei Tagen, die ich beinahe ununterbrochen hinter dem Lenkrad des Delbrückers verbracht habe – am Liebsten hätte ich nur zum Tanken und zur Selbstverpflegung Ausnahmen gemacht – muss ich eingestehen: Der Artega GT hat mein Herz gewonnen und fehlt mir jetzt bereits. Mach’s gut Kleiner, aus dir ist wirklich was geworden.

Fotograf und Autor: Matthias Kierse

mit freundlicher Unterstützung von: Artega (www.artega.de), Patrick W. (www.artega-gt.de) und Michael Müller