Seit Mitte 2009 entsteht im kleinen ostwestfälischen Örtchen Delbrück ein Sportwagen, der Artega GT. Leider geriet man mit dem Serienstart genau in die weltweite Finanzkrise, was heute zu einem Wechsel in der Unternehmensleitung führte. Gründer Klaus Dieter Frers muss sein „Baby“ ziehen lassen und übergibt an die mexikanische Tresalia Capital und den neuen Geschäftsführer Dr. Ing. Wolfgang Ziebart.

Im Jahr 2006 gründete Klaus Dieter Frers die Artega Automobil GmbH & Co. KG im ostwestfälischen Delbrück und machte sich mit einem motivierten Stab von Mitarbeitern daran, einen kleinen Sportwagen aus deutscher Produktion auf Kiel zu legen. Mit an dem Projekt beteiligt waren so bekannte Leute wie der dänische Designer Henrik Fisker, der unter anderem auch schon den BMW Z8 oder den Aston Martin DB9 eingekleidet hat.

Als das Design stand, ging es an die technische Umsetzung des Projektes. Recht schnell fand sich im Volkswagen-Konzern der 3,6 Liter große VR6-Motor mit 300 PS, der zu diesem Zeitpunkt gerade im Passat R36 seine Weltpremiere gefeiert hatte. Man kam überein, dass VW dem Kleinserienhersteller Motoren und Doppelkupplungsgetriebe liefern würde, die für den Einsatz im heckgetriebenen Sportwagen extra umentwickelt wurden, da der Passat R36 über Allradantrieb verfügt.

Das Innenraumkonzept übernahm die ebenfalls in Delbrück beheimatete Paragon AG, die hier zeigen wollte und sollte, was so alles möglich ist. So ziert das Cockpit nur ein Rundinstrument, in dem aber Tacho und Drehzahlmesser untergebracht sind. Beide Skalen werden klassisch mit zwei Nadeln angezeigt, die jedoch gegenläufig auf nur einer Welle laufen. Rechts und links neben dem Rundinstrument sitzen Multifunktionsdisplays, in denen sich der Fahrer ganz nach eigenem Belieben Infos einblenden lassen kann, die für ihn von Interesse sind. Von Öldruck und -temperatur über Uhrzeit bis hin zur Stoppuhr ist alles zu erreichen und in der Farbgebung auch noch zu individualisieren. Das Navigationssystem wanderte in den Rückspiegel und alle anderen wichtigen Funktionen auf ein Zentraldisplay in der Mittelkonsole, das ungewöhnlich geneigt ist, aber genau auf diese Weise jegliche Spiegelungen ausschließt. Auch die Fensterheber sind besonders gestaltet. Auf den ersten Blick könnte man von traditionellen Kurbeln ausgehen, die sich bei näherem Hinsehen jedoch als Betätigung der elektrischen Fensterheber entpuppen. Mittels Knopfdruck lässt sich mit dem Heber auf der Fahrerseite auch die Scheibe auf der Beifahrerseite bewegen.

Der restliche Innenraum wird durch sehr bequeme Sportsitze in Leder dominiert. Auch das Armaturenbrett ist mit der edlen Kuhhaut bezogen. Ähnlich wie bei Konkurrenzprodukten lässt sich mittels langer Optionenliste noch einiges individualisieren.

Das erste fast fertige Fahrzeug wurde 2007 auf dem Genfer Salon gezeigt und sorgte für viele interessierte Anfragen. Bis zur IAA im Herbst 2007 wurde der Wagen weiterentwickelt, am Design jedoch wenig verändert. Mittlerweile rollten auch die ersten Prototypen über die Straßen. Ein Jahr nach der Weltpremiere stand in Genf 2008 dann der Prototyp der Einführungsserie. Da man weiterhin von einer problemlosen Entwicklung ausging, sollten Ende 2008 die ersten 99 Fahrzeuge als „Intro 2008“-Serie an glückliche Kunden ausgeliefert werden. Diese Intro-Fahrzeuge sind nur in vanillegelb und tiefseeblau mit einem speziell gestalteten Innenraum erhältlich. Allerdings türmten sich nun nach und nach Kinderkrankheiten, die bei einem Serienanlauf eines komplett neuen Fahrzeugs bei einer neu gegründeten Firma ganz selbstverständlich auftreten, zu einem Riesenberg auf, den man nicht so schnell abarbeiten konnte, wie man das gerne getan hätte. Unter diesen Problemen waren baubedingte Kleinigkeiten in der neu-errichteten Manufaktur in Delbrück, zulassungsrechtliche Probleme, um in der EU offiziell als Hersteller zu gelten und natürlich auch die eine oder andere Kleinigkeit am Fahrzeug selbst, die man auf dem Zeichenbrett noch nicht vermutet hätte. So erwiesen sich zum Beispiel die Scheibendichtungen als zu stark dimensioniert, wodurch die Türen nicht bündig schlossen.

Ende 2008 waren die gröbsten Probleme gelöst, jedoch war die Weltwirtschaft bekanntermaßen gerade in eine Krise gerutscht. Die Neuentwicklungen hatten Geld gekostet. Geld, das eine Kleinserienfirma eher nicht auf der hohen Kante liegen hat. Und Kredite gibt es bekanntlich nur gegen Vorlage von Sicherheiten. Der Serienanlauf verzögerte sich weiter und mit jedem Monat wurde die Zahl der Spotter größer, die es schon immer besser gewusst hatten. Gleichzeitig wuchs aber auch die Zahl der Zuliefererfirmen, die Artega aufgrund der geringen Abnahmemengen eine Absage erteilten. Bei maximal 500 Autos im Jahr sieht die Gewinnmarge eines Zulieferers eben deutlich geringer aus, als bei einem Großserienhersteller, der über 10.000 Fahrzeuge im Jahr absetzt und entsprechend mehr Teile benötigt.

Mitte 2009 gelang ein wichtiger Durchbruch: als einer der ersten Hersteller wurde Artega offiziell als Kleinserienhersteller zertifiziert. Dies ist zulassungstechnisch sehr wichtig, da man so die Artegas innerhalb der EU überall ausliefern und zulassen kann, ohne lange auf eine Einzelabnahme für jedes Auto warten zu müssen. Allerdings musste Artega für die Zertifizierung eine weitere Änderung durchführen: Die Außenspiegel waren zu klein. Aber immerhin konnte nun die Fertigung der Intro-Serie endlich losgehen. Aufgrund der weiter oben bereits beschriebenen Probleme mit der Teileversorgung und einiger Kinderkrankheiten im elektrischen System, wurde den Intro-Kunden die besondere Rolle von Werkstestfahrern zuteil. Dies wurde jedem Kunden klar kommuniziert und viele von ihnen arbeiten gern mit dem Werk zusammen an der Verbesserung der Fahrzeuge.

Allerdings sah die finanzielle Seite der Artega GmbH in den letzten Monaten trotz einiger verkaufter Autos alles andere als rosig aus. Die ungeplanten Nachentwicklungen hatten die letzten Reserven verbraucht und neues Kapital war von den Banken nicht zu bekommen. So verwundert es nur wenige Experten, dass am heutigen Mittwoch die Miteigner der mexikanischen Tresalia Capital ihre Anteile auf 100% ausweiteten. Bislang hatten sie 48% gehalten, während Firmengründer Klaus Dieter Frers die restlichen 52% besass. Da Frers jedoch gleichzeitig Vorstandsvorsitzender des durch die Finanzkrise ebenfalls angeschlagenen Automobil-Zulieferers Paragon ist und der Tag bekanntlich nur 24 Stunden hat, trennte er sich schweren Herzens von seinem „Baby“.

Die Tresalia Capital ist in Deutschland durch die AB 15/08 Vermögensverwaltungs GmbH vertreten und ansonsten bekannt durch Mehrheitsanteile an der „Corona“-Brauerei Modelo in Mexiko oder an der Modekette Tory Burch. Die Führung von Artega übernimmt Dr. Ing. Wolfgang Ziebart, der auch den neu gegründeten Artega-Beirat leitet. Wolfgang Ziebart war vorher lange Zeit in leitender Position bei BMW in München, anschließend bei Continental in Hannover und als Vorstandsvorsitzender bei Infineon tätig.

In der Zeit der Restrukturierung liegt die Produktion in Delbrück vorerst still, um dann mit neuer Kraft hochgefahren zu werden. Man hörte bereits von mehreren hundert Fahrzeugen im Jahr 2010.

Carpassion.com wünscht Artega, dass es unter der neuen Unternehmensführung nun endlich vorwärts geht und die „Bracke“ im Wappen, ein Jagdhund, nun endlich zubeißen darf.

Quelle: Artega

Autor: Matthias Kierse