Als erstes französisches Auto mit Turbo-Aufladung wollte Renault den „Kleinen Freund“ auf die Rallyepisten schicken, um das Haifischbecken der Gruppe B aufzumischen. Allerdings hatte der Renault 5 Turbo, der gegenüber der normalen Version auf einen Mittelmotor umgerüstet wurde, einen entscheidenden Nachteil: Heckantrieb. Damit war gegen die aufkommende Konkurrenz von Audi, Lancia und Peugeot kein Kraut gewachsen.

Renault 5 Turbo

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Wir schreiben das Jahr 1980. Während in Deutschland die Partei „Die Grünen“ gegründet wird, haben unsere französischen Nachbarn andere Gedankenspiele auf der Agenda. Renault möchte in der gerade aufkommenden Gruppe B auf den Rallyepisten mit aufgeigen und wälzt daher sehr interessiert die Regelbücher. Man wird darauf aufmerksam, dass lediglich 200 Straßenfahrzeuge nötig sind, um eine Spezialversion auf die Gegner loslassen zu können. Schnell reift der Plan, aus dem Bestseller Renault 5 eine Kampfmaschine zu machen.

Dazu krempelt man den Kleinwagen komplett um. Da, wo man gewöhnlich den Motor suchen würde, gähnen dem Betrachter bei geöffneter Haube der eingeplanten Straßenvariante die Kühler, ein Ersatzrad und ein wenig Platz für das allernötigste Gepäck entgegen. Der Motor macht es sich auf der nicht verbauten Rückbank bequem. Die Grundkarosserie besteht, wie beim normalen R5, aus Stahl, lediglich das Dach wird aus Gewichtsgründen aus Aluminium gefertigt. Auch die Türen und die Heckklappe bestehen aus dem Leichtmetall. Dafür darf die Sonderversion die Muskeln spielen lassen und sich aufplustern. Mittels Polyester-Teilen entstehen Verbreiterungen an allen vier Kotflügeln und neue Front- und Heckschürzen in sportlicherer Optik. Auf dem Dach sitzt ein Polyurethan-Spoiler, der mühsam versucht, den Hinterrädern genügend Grip zuzuschanzen.

Dazu kommt, dass es den R5 Turbo nur in zwei Farben gab. Und das wortwörtlich. Nicht genug damit, dass die Farbauswahl nur rot oder blau bot, auch die Fahrzeuge an sich waren zweifarbig. Bei der blauen Lackierung waren Front- und Heckschürze, Türgriffe, Spiegelkappen und weitere Anbauteile in einem helleren Blauton eingefärbt, während diese Teile bei roter Farbwahl zu einem mehr oder minder hübschen lachs-rosa tendierten. Nicht nur aus heutiger Sicht durchaus mutig. Auch der Innenraum war nichts für Spießer. Farbiger Teppich und ein spaciges Zweispeichenlenkrad, sowie in Wagenfarbe gehaltene Accessoires bieten ein interessantes Bild.

Um den Schwerpunkt schön mittig und weit unten zu halten, wanderte der Tank unter und hinter die Vordersitze. Der Kraftstoff muss so auch keine weiten Wege zurücklegen, denn nur wenige Hand breit hinter dem Tank sitzt der Reihenvierzylinder mit 1,4 Litern Hubraum. Klingt langweilig? Stimmt, wäre da nicht der Garrett-Turbolader. Damit bringt es die Straßenversion des passenderweise Renault 5 Turbo getauften Sportlers auf 118 kW/160 PS und 210 Newtonmeter Drehmoment. Durchaus beachtlich, wenn man bedenkt, dass die komplette Fuhre dabei nur 970 Kilogramm Gesamtgewicht auf die Waage bringt. Dadurch sind Höchstgeschwindigkeiten jenseits von 200 km/h ebenso machbar, wie böses Kurvenräubern auf der Landstraße oder den Rallyepisten dieser Welt.

Für eben diese erhielt das Fahrzeug mehr Ladedruck und war, dank komplett ausgeräumten Innenraums, Rennsitzen und Überrollkäfig, noch einmal deutlich leichter. Rund 300 PS auf 930 Kilogramm Leergewicht – da geht was. Sollte man zumindest meinen. Allerdings tauchte zum selben Zeitpunkt eine andere Wunderwaffe auf den Rallyepisten auf: Der Audi quattro mit Allradantrieb. Somit hatte es der Renault 5 Turbo von Anfang an äußerst schwer und konnte lediglich einige Achtungserfolge einfahren. Neben den Rallyes gab es mit dem R5 Turbo auch einen eigenen Markenpokal

Das war den Franzosen logischerweise nicht genug und man entwickelte hart an Verbesserungen des Fahrzeugs. Um diese einsetzen zu können, musste jedoch eine weitere Homologationsserie für die Straße her, die kurzerhand Renault 5 Turbo 2 genannt wurde. Auf den Rallyes trat das Fahrzeug unter dem Titel Maxi Turbo und mit deutlich marzialischerer Karosserie an. Ein großes Heckspoilerschwert und eine Front mit allem, was an Fernscheinwerfern beim Lampenfachhandel erhältlich war, machten den Wagen nochmal einige Stufen krasser als den R5 Turbo. Der Motor war auf 1,5 Liter vergrößert worden und brachte im Maxi über 350 PS auf die Hinterachse. Dem Schreiber dieser Zeilen ist dabei eine Begegnung mit diesem Wagen definitiv unvergessen: Vor einigen Jahren besuchte ich die Vogelsberg Rallye in Hessen, bei der im Rahmenprogramm auch historische Rallyefahrzeuge außerhalb der Wertung mitfuhren. Ein Schweizer brachte einen hervorragend erhaltenen Renault 5 Maxi Turbo auf die Piste und driftete auf den Wertungsprüfungen, dass es schon beim Zusehen eine wahre Freude war. Auf der Zielrampe wurde der Fahrer vom Moderator nach der Leistung seines Autos gefragt und antwortete mit dem genialen Satz: „Ja, auf Schottr cchhat er davon zuviiiel, auf Asphalllt cchhat er meisstenss zuwenicchh!“.

Auf dem Asphalt der nicht für Rallye-Wertungsprüfungen abgesperrten Straßen kam 1986 das Aus für den bösen kleinen Freund aus Frankreich, da die Umweltschutzgesetze in vielen Ländern drastisch verschärft wurden und eine Katumrüstung für den Wagen nicht auf die Schnelle zu realisieren war. Abgesehen davon war ziemlich zeitgleich auch die Wettbewerbsgrundlage des Wagens weggebröckelt, als aufgrund von mehreren schweren Unfällen die Gruppe B abgeschafft wurde. Bis dahin waren 1.820 Renault 5 Turbo und sogar 3.167 Renault 5 Turbo 2 gebaut worden. Die höhere Zahl der zweiten Auflage liegt mit daran, dass der Wagen auch auf dem US-Markt angeboten wurde. Dennoch sind die Verkaufszahlen überraschend, wenn man bedenkt, dass der R5 Turbo bei seinem Debut 1980 für 42.000,- DM in der Preisliste stand. Damit war er mehr als viermal so teuer, wie die Basisversion des Renault 5 auf der er basierte.

Beinahe 20 Jahre nach der Präsentation des R5 Turbo besann sich Renault des besonderen Kleinwagenkonzeptes und brachte mit dem Clio Renault Sport V6 eine moderne Interpretation heraus, die in ebenfalls zwei Versionen rund 3.000 mal gebaut wurde.

Quelle: Renault

Autor: Matthias Kierse