Im Schweden der 1950er Jahre waren Sportwagen rar gesät. Was also tun? Selbstbauen war eine Alternative, die von Rennfahrer Erik Lundgren wahrgenommen wurde. Anhand eines Ferrari 500 Mondial nahm er Formen ab und baute sein eigenes Chassis, das er mit verschiedenen Motoren von diversen Herstellern ausrüstete. Rund 50 Exemplare entstanden in den 50ern, aber bis heute ist der Wagen als Kitcar erhältlich.

Ockelbo

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Auf der Techno Classica 2013 präsentierte sich dieses Fahrzeug frisch restauriert und in bestem Zustand. Unter der Kunststoffkarosserie steckt Technik von Volvo und ein Chassis von Austin Healey.

Autobauer haben häufig gut klingende Namen. Enzo Ferrari, Ferruccio Lamborghini, Ettore Bugatti oder Horacio Pagani sind nur einige, die Autofans direkt in den Sinn kommen. Doch nur wenige werden mit dem Namen Erik Lundgren etwas anfangen können. In seinem Heimatland Schweden war er jedoch, zumindest in den 1950er Jahren durchaus bekannt und erhielt aufgrund einiger Rennsiege, die er mit einem Eigenbaurenner auf Ford-Basis mit V8-Motor und acht Einzelvergasern errang, den Spitznamen „Zauberer von Ockelbo“. Rund 280 PS standen ihm zur Verfügung, um seinen Gegnern mit bis zu 220 km/h auf den schwedischen Schotterpisten davonzufahren. Außerdem schrieb er sich mit einem weiteren Eigenbau für das Formel 1 Rennen auf der Nordschleife im Jahr 1951 ein, nahm jedoch aus ungenanntem Grund nicht teil. Ockelbo ist übrigens eine Stadt in Ostschweden und, was wohl zu erahnen war, die Heimatstadt von Erik Lundgren.

Aufgrund seiner Rennerfahrungen machte er sich Gedanken darüber, wie er noch erfolgreicher sein könnte. Schließlich hörte er von einer ausgebrannten Alfa Romeo Giulietta Sprint, die günstig angeboten wurde und ließ seinen Gedanken freien Lauf: Wenn er auf das noch intakte Chassis eine leichte Kunststoffkarosserie setzen würde und das Gesamtkonstrukt durch einen guten Motor antreiben würde, hätte er ein absolut siegfähiges Konzept. Wie der Zufall es so wollte hatte sein Freund und Rennfahrerkollege Ufe Norinder gerade seinen neuen Ferrari 500 Mondial erhalten und willigte ein, als Erik ihn darum bat, Formen von der Karosserie abnehmen zu dürfen.

In Handarbeit entstand so eine Negativform, die Erik Lundgren in der Folgezeit für rund 50 Karosserien aus Glasfaser-verstärktem Kunststoff (GfK) nutzte. Vielfach wurde von damaligen Kunden die Aussage getroffen, dass die Passform dieser Kunststoffteile besser seie, als die Aluminiumteile des Originals. Als Antriebsquellen verbaute Lundgren das, was die Kunden wünschten und so entstanden Ockelbo Sportwagen mit Motoren von Alfa Romeo, Austin Healey, Frazer Nash, Volvo und weiteren Herstellern. Auch die Chassis variierten zwischen denen der Alfa Giulietta und des Austin Healey 100. Lundgren lieferte dabei die Komponenten überwiegend als Bausätze aus, um den Kunden die Steuern für einen Neuwagen zu ersparen.

Auf der Techno Classica 2013 wurde ein dunkelblaues Fahrzeug mit einem Volvo B18B-Motor und dem Chassis eines Austin Healey 100 gezeigt, das mit seinen rund 140 PS bei nur rund 800 Kilogramm Leergewicht mit Sicherheit reichlich Fahrspaß bietet. Ein Viergang-Schaltgetriebe mit Overdrive-Funktion überträgt die Kraft des auf 2 Liter Hubraum aufgebohrten Triebwerks auf die Hinterachse. Der Innenraum gibt sich dabei sportlich-karg und verfügt lediglich über ein Holzlenkrad, zwei mit Leder bezogene Sitzschalen, einen Schalt- und einen Handbremshebel, sowie fünf Rundinstrumente am Armaturenbrett. Mehr brauchte es nicht, um auf der Rennpiste anderen, teilweise stärkeren Sportwagen das Fürchten zu lehren.

Die Ockelbo Sportwagen fanden allerdings außerhalb von Skandinavien kaum Verbreitung und so ist es schon beachtlich, dass das auf dem Volvo-Stand auf der Techno Classica ausgestellte, frisch restaurierte Exemplar keinem Schweden, Norweger, Dänen oder Finnen gehört, sondern einem Belgier, der den Wagen mit viel Liebe zum Detail wieder aufgebaut hat. Die Grundkarosserie nebst Chassis von Alfa Romeo ist im übrigen bis heute in Schweden als Kitcar erhältlich. Unter dem Namen Pagano wird das Werk des 1967 verstorbenen „Zauberer von Ockelbo“ weiterhin angeboten und kann in der heimischen Garage zusammengesetzt werden. Lediglich ein Motor muss noch besorgt werden, wobei Pagano selbst Alfa-Motoren mit vier oder sechs Zylindern vorschlägt.

Erik Lundgren, der durch diesen Eigenbau-Sportwagen später fast nur noch Ockelbo-Lundgren genannt wurde, hatte sich im übrigen in späteren Jahren auf den Bau von Kunststoff-Booten verlagert und die Werft Ockelbo-Båtar AB mitbegründet, die bis 1979 diverse Boote in verschiedenen Größen im Programm hatte.

Autor und Fotograf: Matthias Kierse