Als der Zweite Weltkrieg endlich vorbei war, verschwanden viele Fahrzeuge auf Nimmerwiedersehen Richtung Russland. Darunter auch annähernd der gesamte Bestand der Auto Union Silberpfeile. Erst Jahrzehnte später tauchten nach und nach Einzelteile wieder auf und wurden wieder zu Fahrzeugen zusammengesetzt. Der letztgebaute Auto Union Typ D kehrte nun nach Ingolstadt zu Audi zurück.

Auto Union Typ D

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Ab jetzt ist Chassisnummer 19 gemeinsam mit dem 1938er Schwesterfahrzeug, das ebenfalls von Karassik gerettet wurde, im Museum Mobile in Ingolstadt zu sehen.

Wer kennt sie nicht, die legendären Silberpfeile von Mercedes-Benz und der Auto Union, die sich in den 1930er Jahren auf den großen Rennstrecken dieser Welt enge Rennen mit den Alfa Romeo von Enzo Ferrari und weiteren Gegnern lieferten? Doch nach ihrer aktiven Rennzeit mussten diese Wagen schnell und gut versteckt werden, da der Zweite Weltkrieg inzwischen ausgebrochen war. Während die Fahrzeuge mit dem eingekreisten Stern fast alle sehr gut über die Kriegszeit kamen, hatte Auto Union das Pech der Firmenlage. Nach Ende des Krieges befand man sich in der Russischen Zone, wodurch die Fabrikationsanlagen und die eingelagerten Rennfahrzeuge als Reparationsleistungen in die UdSSR verbracht, wo sich für Jahrzehnte ihre Spur verlor. Nur ein einziger Auto Union Typ C war in Deutschland verblieben und dies auch nur, da er bereits vor dem Krieg dem Deutschen Museum in München geschenkt wurde. Dort wurde er jedoch bei einem Bombenangriff beschädigt.

An dieser Stelle könnte unsere Story bereits enden, da durch den Kalten Krieg und den Eisernen Vorhang eigentlich keine Möglichkeit bestand, im weiten russischen Reich nach den Fahrzeugen oder ihren Überresten zu suchen. Eigentlich. In den 70er Jahren drangen erste Gerüchte bis nach Amerika, dass mindestens ein Auto Union überlebt haben könnte. Dies hörte auch der Oldtimersammler Paul Karassik, der gebürtig aus einer weißrussischen Familie stammte und in Serbien aufgewachsen war, wo er auch den letzten Grand Prix vor dem Krieg in Belgrad besucht hatte. Mit Kriegsausbruch war die Familie in die USA ausgewandert, wo er inzwischen zu Geld gekommen war und sich somit kostspielige Reisen hinter den Eisernen Vorhang leisten konnte.

Dort suchte er mehr als 10 Jahre lang nach Überbleibseln und konnte schließlich zwei zerlegte Auto Union Rennwagen in der Ukraine und Russland ausfindig machen und aufkaufen. Doch erst nach dem Kauf begann das Abenteuer, denn immerhin wollte er die Wagen restaurieren lassen und das außerhalb der UdSSR. In atemberaubenden Aktionen schaffte Karassik es tatsächlich, die Rennfahrzeuge in Einzelteilen nach Westeuropa zu bringen, von wo aus sie nach Florida ausgeflogen wurden. Im Herbst 1990 nahm er dann Kontakte zu Experten auf, um die beiden Wagen zurück zu historischem Glanz zu bringen. Als geeignete Werkstatt wählte er schließlich Crosthwaite & Gardiner in Großbritannien aus, die von der Audi Traditionsabteilung beratend unterstützt wurde. Die Teile der beiden geretteten Auto Union Typ D wurden eingehend gesichtet und schließlich der Entschluss gefasst, ein Fahrzeug in der Konfiguration von 1938 mit Einfachkompressor und das zweite Auto in 1939er Version mit Doppelkompressor wiederaufzubauen.

Für die Karosseriebauer änderte sich dadurch nichts: Sie mussten eh beide Karosserien komplett anhand von Fotografien und Zeichnungen nachbauen, da von diesen nichts überlebt hatte. Somit war ihre Aufgabe eine der wichtigsten, immerhin sollten die Fahrzeuge am Ende der Restaurierung wieder so aussehen, wie Ende der 30er Jahre, als sie die Hallen der Auto Union Rennabteilung verlassen hatten. Damals drehten Rennfahrerlegenden wie Bernd Rosemeyer, Hans Stuck oder Tazio Nuvolari an den großen Holzlenkrädern der V12-Boliden. Ihren Heldenstatus erwarben sie sich vor allem wegen der halsbrecherischen Fahrten jenseits von 300 km/h, die zur damaligen Zeit noch völlig ohne Sicherheitsausstattungen stattfanden. Beim Avus-Rennen in Berlin 1937 schlug die Tachonadel von Rosemeyers Auto auf der langen Geraden in jeder Runde an der Endmarkierung an – bei 380 km/h!

1994 waren beide Fahrzeuge wiederhergestellt und erfreuten die Silberpfeilfans im Rahmen der Eifel Klassik auf dem Nürburgring, wo sie mithilfe der Audi Traditionsabteilung gemeinsam an den Start rollten. Das 1938er Fahrzeug wurde in der Folgezeit von Audi bei diversen Veranstaltungen genutzt und schließlich 1998 gekauft und offiziell in den Museumsfuhrpark übernommen. Karassik verfolgte unterdessen den Traum, 60 Jahre nach dem Ersteinsatz noch einmal seinen Auto Union Typ D auf der früheren Rennstrecke in Belgrad fahren zu sehen. Durch den Ausbruch des Balkankrieges platzte dieser Traum und er verkaufte den Rennwagen an einen privaten Sammler. Vor einigen Jahren schrieb dieses Auto noch einmal Schlagzeilen, als besagter Sammler den Auto Union auf der Retromobile in Paris versteigern lassen wollte, dies jedoch in letzter Sekunde gestoppt wurde, da bei Experten Zweifel an der Echtheit der Chassisnummer aufgekommen waren. Angeboten wurde er als Siegerfahrzeug des Großen Preises von Frankreich 1939, Chassisnummer 21. Doch eigentlich war allen Beteiligten inklusive der Audi Traditionsabteilung bereits seit der Restaurierung bekannt, dass die Chassisreste aus Russland nur zu einem Fahrzeug passen konnten: Chassis 19, dem einzigen Auto Union-Rennfahrzeug, dem zweifelsfrei anhand von historischen Aufzeichnungen eine Rennhistorie zugeordnet werden kann. Allerdings enthält diese leider keinen Gesamtsieg.

Dies war für die Traditionsabteilung von Audi in Ingolstadt jedoch kein Hindernis, als es nun darum ging, den Typ D nach 67 Jahren wieder „heim“ zu holen. Auch wenn die Firmenzentrale mittlerweile in Bayern anstatt in Sachsen zu finden ist, hier gehört der Renner zweifelsfrei hin. In Zukunft ist er im Museum Mobile zusammen mit dem 1938er Schwesterfahrzeug und einem ebenfalls in Russland wiedergefundenen und restaurierten Typ C/D Bergrennwagen von Hans Stuck zu sehen. Vorher gehen jedoch alle drei Wagen gemeinsam mit neun weiteren Silberpfeilen beim Goodwood Revival zwischen dem 14. und 16. September in Großbritannien auf die Rennstrecke. Ein zweifelsfrei einmaliges Erlebnis, das durch eine nachgebaute Boxenanlage mit Renntransportern abgerundet wird.

Quelle: Audi

Autor: Matthias Kierse