Auf dem Genfer Salon 1970 zeigt Citroën ein Fahrzeug, das selbst Fachleute verblüfft. Hydropneumatik wie in der DS, jedoch mit rassiger Coupé-Karosserie, einer gläsernen Nase und dann zu allem Überfluss ein V6-Motor von der italienischen Tochterfirma Maserati. Der Citroën SM brach mit vielen Konventionen und war lange Zeit der schnellste Wagen aus den Pariser Hallen mit dem Doppelwinkel als Markensymbol.

Citroën SM

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Die Optik des SM passt zum Markendesign der Franzosen, aber irgendwie auch nicht. Sechs Scheinwerfer und das vordere Kennzeichen unter einer Glaskuppel – so etwas hatte es vorher noch nicht gegeben, einzig die Scheinwerferidee fand sich ein Jahr später an den Urversionen der Alpine A310 in ähnlicher Form wieder. Die Silhouette der Coupé-Karosserie mit ihrem nach hinten schräg abfallenden Heck ist hingegen seit den Modellen ID und DS typisch für Citroën und wurde auch bei GS, CX und BX angewendet. Auch wenn es auf den ersten Blick unglaublich klingt, aber der so genannte cw-Wert, also der Luftwiderstandsbeiwert, liegt fast 25% niedriger als beim DS.

Die Glasnase des SM fand im Übrigen nicht nur Freunde. Speziell nationale Zulassungsstellen rümpften die Nasen und wollten ihren Segen nicht geben. In Deutschland brauchte man für die „Vitrine“ eine Einzelabnahme, da angeblich das Kennzeichen schlecht lesbar seie. In den USA war die Abdeckung des vorderen Kennzeichens mangels eines selbigen in den meisten Bundesstaaten kein Thema. Dafür war man mit den sechs Scheinwerfern, von denen sich die beiden innen liegenden Fernlichter in Kurven mitlenken ließen, absolut nicht einverstanden, was zu einer speziellen Exportvariante mit vier Leuchten ohne Klarglashaube führte.

Im Interieur blieb sich Citroën treu und spendierte dem SM erwartungsgemäß ein futuristisches Einspeichenlenkrad, das vor einem geschwungenen Armaturenbrett mit drei Rundinstrumenten saß. Die Sitze mit integrierten Kopfstützen waren zwar tierisch bequem, boten allerdings wenig bis gar keinen Seitenhalt in schnell gefahrenen Kurven.

Citroën war seit 1968 mit mehr als 60% der Firmenanteile Mehrheitseigner des italienischen Sportwagenherstellers Maserati und konnte daher auf den Motor des Merak zurückgreifen. Der 2,7 Liter große V6 leistete 125 kW/170 PS und brachte den SM auf über 220 km/h Topspeed. Spätere Versionen erhielten eine kleine Leistungsspritze auf 131 kW/178 PS, in einigen Ländern ist auch ein 3 Liter V6 mit 132 kW/182 PS erhältlich gewesen.

Allgemein war der Citroën SM als Grand Tourisme ausgelegt worden, mit dem es sich bequem und schnell reisen lassen sollte. Dazu trug auch der lange Radstand in Verbindung mit der hydropneumatischen Federung bei, die dem SM beinahe sänftenartigen Fahrkomfort bescherten. Leider rollte der Wagen mitten in die Ölkrise 1973 hinein, die den eh schon geringen Absatzmarkt noch weiter einengte. Auch mit dem generellen Konzept eckte der SM an. Sportlich orientierten Fahrern war er zu schwer und zu komfortabel ausgelegt, komfort-orientierten Reiselustigen war er widerum viel zu sportlich – in Verbindung mit dem schwierigen Zulassungsverfahren in Deutschland und einigen anderen Ländern kann man sich ausmalen, dass der SM nur für wahre Fans einen Kaufgedanken wert war, trotz guter Testergebnisse in den Fachmagazinen. Auch der wartungsintensive Maserati-V6 dürfte aus rationaler Sicht eher gegen einen Kauf gesprochen haben.

Heutige Besitzer von gut erhaltenen Citroën SM mit aussortierten Fehlerquellen schwärmen jedoch vom genialen Fahrgefühl und der tollen Leistung des Motors. Insgesamt wurden bis 1975 knapp unter 13.000 Fahrzeuge gefertigt, bevor der SM ersatzlos aus dem Programm gekippt wurde.

Die Bedeutung von „SM“ ist im Übrigen nie zweifelsfrei geklärt worden. Auf der ersten Ausstellungsversion stand an der C-Säule noch „Citroën S Maserati“, was ein Hinweis auf die am Häufigsten genannte Übersetzungsvariante „Citroën Sport Maserati“ sein könnte. Chef-Entwickler Jacques Né hatte ursprünglich den Auftrag erhalten, eine sportlichere DS-Version zu erschaffen.

Wo wir gerade bei Versionen sind, davon gab es offiziell im Citroën-Programm nur eine: das Coupé. Es gab jedoch, wie schon bei ID und DS, die Möglichkeit zum französischen Karrossier Chapron zu gehen, um seinen SM in etwas Besonderes verwandeln zu lassen. 1971 stellte Chapron den Mylord vor, eine Cabrio-Variante, bei der im Vergleich zum Coupé nicht nur das Dach, sondern auch B- und C-Säule fehlten. Der Umbau ging in Zusammenarbeit mit Citroën über die Bühne. Chapron erhielt die Rohkarosserie, baute sie zum Cabrio um, lieferte sie zurück an Citroën, wo Motor und Getriebe verbaut wurden, um danach erneut in der Chapron’schen Werkstatt zu landen, wo die Innenausstattung ganz nach Kundenwunsch verbaut wurde. Aufgrund dieser aufwendigen Prozedur war der Preis für den Mylord sehr hoch und es entstanden weniger als 10 Fahrzeuge.

Chapron hatte sich auch Gedanken zu einer Limousinen-Version des SM gemacht. Ähnliche Gedankengänge gab es bei Citroën im Laufe der SM-Entwicklung bereits, sie wurden jedoch nicht bis zur Serienreife weiterentwickelt. Anders bei Chapron, der 1972 den Opera vorstellte. In einem ähnlich aufwendigen Verfahren wie beim Mylord wurde der SM um zwei Türen erweitert und mit einer neuen Dachlinie versehen. Acht Fahrzeuge wurden gebaut.

Bekannter geworden ist Chaprons dritte Schöpfung auf SM-Basis. Der Présidentielle basiert auf dem Opera, ist jedoch nochmals verlängert und im Unterschied zu ihm nach oben offen. Zwei Fahrzeuge wurden für den Fuhrpark der französischen Regierung gebaut und bei Staatsbesuchen eingesetzt. So wurde auch Papst Johannes Paul II bei seinem Frankreich-Besuch im offenen SM durch Paris gefahren. Dabei konnte er sich am Überrollbügel auf Höhe der B-Säule festhalten, während er den Menschen stehend zuwinkte. 2008 ließ sich ein Sammler einen Présidentielle nachbauen, der vor einigen Tagen versteigert wurde und 155.250,- Euro einbrachte.

Wenig bekannt dürften die Auftritte des Citroën SM auf der internationalen Bühne des Motorsports sein. In der harten Welt des Rallyesports konnte er sich mehrfach unter Beweis stellen, wobei er am Häufigsten auf dem afrikanischen Kontinent unterwegs war. Einer der ersten Einsätze fand bei der Rally Marocco 1971 statt. In den Folgejahren wurde das Rallyefahrzeug immer weiter optimiert bis hin zu einem vollkommen neuen Heckdesign im Jahr 1973, das an die von Dr. Wunibald Kamm in den 20er und 30er Jahren unter anderem für BMW entwickelten, aerodynamisch ausgefeilten Heckdesigns erinnert. Auch beim berühmten 24-Stunden-Rennen in Le Mans sollten 1972 zwei Citroën SM am Start stehen, allerdings wurde die Teilnahme in letzter Minute abgesagt.

Der Citroën SM wird heute zwischen 20.000,- und 30.000,- Euro gehandelt, man sollte jedoch auf Wartungsnachweise wert legen, um halbwegs sichergehen zu können, dass beim Maserati-Motor und der Hydropneumatik kein Wartungsstau vorliegt.

Quelle: Citroën, CP-Archiv

Autor: Matthias Kierse