Im Ausstellerverzeichnis des Pariser Salons war er nicht aufgeführt. Man musste sich entweder für Autopflegeprodukte interessieren oder einfach zufällig an ihm vorbeilaufen, um ihn zu finden: Am Stand von Autoglym feierte der Noble M600 Carbon Sport still und heimlich seine Messepremiere. Wer sich für einen Supersportwagen interessiert, in dem man noch richtig arbeiten darf, der sollte sich mit dem Exoten aus England näher vertraut machen.

Noble M600 Carbon Sport

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Für den Kofferraum gibt es ein passgenaues Gepäckset.

Anglophilen Sportwagenfans ist Noble seit 1999 ein Begriff. Für das stylistisch recht selbstgestrickt wirkende Erstlingswerk M10 konnten nur ein paar wenige Käufer gefunden werden. Aber der 2000 vorgestellte M12 und der daraus entwickelte M400 waren Volltreffer. Für unter 60.000 britische Pfund konnten Noble-Besitzer Ferrari- und Porsche-Fahrern die Rücklichter zeigen – auf der Strasse oder beim Trackday. Die aufgeladenen Ford-V6-Triebwerke entwickelten bis zu 431 PS. Das Fahrverhalten war sowohl auf der Rennstrecke als auch auf öffentlichen Straßen Spitzenklasse. Selbst in die USA konnten dreistellige Stückzahlen verkauft werden. Als Rossion Q1 wird er dort noch immer vom damaligen Importeur gebaut. Die Firma Noble entwickelte unterdessen die Nachfolgemodelle M14 und M15, die den Sprung in die Serienfertigung leider nicht schafften.

Erst 2010 wurde mit dem Noble M600 ein Nachfolger vorgestellt, der inzwischen die Kleinserienproduktion erreicht hat. Kernstück ist ein Motor, bei dessen Wurzeln einem eher Motorräder und gemütliche Familienautos in den Sinn kommen. Es handelt sich um einen von Yamaha für Volvo entwickelten 4,4 Liter V8, der in den Modellen S80 und XC90 mit 315 PS die Spitzenmotorisierung bildete, dort inzwischen jedoch von aufgeladenen 6-Zylindern ersetzt wurde. Im Noble M600 sorgen zwei Turbolader für bis zu 650 PS, die jedoch im Interesse besserer Beherrschbarkeit im Cockpit auf 550 oder 450 PS reduziert werden können. Mit abnehmender Leistung verstärkt sich der Eingriff der Traktionskontrolle. Wer weiß, was er tut, kann diese auch komplett abschalten. Der Schalter dafür gleicht dem Mechanismus, mit dem in Kampfflugzeugen die Raketen gezündet werden. Über ein manuelles 6-Gang-Getriebe wird die Leistung an die Hinterachse weitergereicht. Maximal sollen 360 km/h drin sein. Von Null auf 100 km/h beschleunigt der Noble M600 in knapp über drei Sekunden.

Das Chassis besteht aus Stahl und Aluminium, die Karosserie aus Kohlefaser. Mit circa 1.200 kg ist das komplette Fahrzeug relativ leicht. Das in Paris ausgestellte Auto mit der Chassisnummer 11 ist erstmals in Sichtcarbon ausgeführt und darf deshalb den Schriftzug „Carbon Sport“ tragen. Die Verarbeitungsqualität der Außenhaut muss sich vor Pagani und Koenigsegg nicht verstecken. Stylistisch kommt der neue Noble elegant funktional daher. Übertriebene Aerodynamikteile sucht man genau so vergebens, wie ein sequentielles Getriebe, ABS oder über die Traktionskontrolle hinausgehende elektronische Fahrhilfen. Nach Noble’s Philosophie macht ein gut abgestimmtes Fahrwerk und effektive Aerodynamik solche Assistenzsysteme entbehrlich. Dabei wurde der Versuchung widerstanden, einfach eine brettharte Abstimmung zu wählen. Stattdessen wurde der M600 auf durchaus komfortabel getrimmt.

Dafür kann der Kunde bei der Innenausstattung zwischen Alcantara oder Leder, mattem oder hochglänzendem Karbon wählen. Außen ist neben dem erwähnten Sichtcarbon jede handelsübliche Farbe möglich. Eine Linkslenkerausführung ist lieferbar, an der europaweiten Zulassung wird gearbeitet. Falls diese gelingt und sich ein Importeur findet kann mit einem Kaufpreis von ca. 250.000,- Euro in Deutschland gerechnet werden.

Quelle: Noble (5 Bilder), Matthias Kierse (6 Bilder)

Autor: Lutz Abel