Vor mittlerweile 90 Jahren entschloss sich der Rennfahrer Walter Owen Bentley dazu, ein eigenes Auto zu bauen. Er wollte ein schnelles, komfortables Fahrzeug. Es sollte das Beste seiner Klasse werden. Heute steht der Name Bentley für sportliche Luxusfahrzeuge und ist in einem Atemzug mit Rolls Royce und Maybach zu nennen. Um das zu erreichen musste Bentley allerdings viel Pech und einige Übernahmen über sich ergehen lassen.

90 Jahre Bentley

Bild 30 von 30

Wie bei vielen Automobilherstellern, begann auch die Geschichte von Bentley nicht mit dem Bau von Otto-Motor-getriebenen, fahrbaren Untersätzen, sondern im Eisenbahnbetrieb. Diesem widmete sich Walter Owen Bentley bei der Great Northern Railway Locomotive Works im britischen Doncaster für gut 5 Jahre, bis er, zusammen mit seinem Bruder, die Liebe zum Motorsport entdeckte.

Wenige Jahre später, inspiriert von einem Briefbeschwerer, begann Bentley die Produktion von Aluminium-Zylinderköpfen für Kampfflugzeuge, die im ersten Weltkrieg ihren Einsatz fanden. Schon kurz nach dem Krieg wendete sich Bentley wieder dem Fahrzeugbau zu. So begann mit dem 1.800 kg schweren und 63 kW/85 PS starken Bentley 3-Litre der Einstieg in die Automobilbau-Historie. Außerdem waren sie die ersten, die den Hubraum als Bezeichnung ihrer Modelle wählten, während alle anderen die Leistung hervorhoben. In den folgenden 10 Jahren sollten 3 Versionen, der ’normale‘ 3-Litre, der 3-Litre Speed und der SuperSport, die Gesamtproduktion des ersten Serien-Bentley auf 1.622 Autos bringen.

Nicht lange nach Produktionsbeginn trat man mit dem Standard-Wagen bei den 24h von Le Mans an, was bei Bugatti, die damals mit sehr kleinen und leichten Sportwagen auffuhren, für Spott sorgte. So nannte Ettore Bugatti den recht unsportlich wirkenden Wagen der britischen Konkurrenz den „schnellsten Lastwagen der Welt“. Doch wer zuletzt lacht… Wider Erwarten gewann Bentley mit dem fixen Riesen das prestigeträchtige Rennen und konnte diesen Erfolg 1927 wiederholen. Ebenfalls in den darauf folgenden 3 Jahren. 1929 wurden sogar die ersten vier Plätze ausschließlich von Bentleys belegt, allerdings nicht mehr nur mit dem 3-Litre.

Zur Zeit des zweiten Siegs standen auch schon zwei weitere Serienwagen aus dem Hause Bentley zum Verkauf. Einer der beiden war ein 3-Litre, dem man 1926 einen Motor mit vergrößertem Hubraum, nun 4,4 Liter fassend, verpasste. Unter dem Namen 4½-Litre bot man ihn den Interessenten an. Ein paar Jahre verweilte der Motor im alten Gewand, wurde aber 1929 im Bentley 4½-Litre Supercharged neu verpackt. Wie der Name schon sagt, wurde der 4,4-Liter Motor in den 50 gebauten Fahrzeugen dieses Typs mit einem Kompressor ausgerüstet. Dieser wurde auf der Front, offen vor dem Motor, montiert. Heute ist dieser Typ als Bentley Blower weltbekannt.

Das zweite neue Modell war der Bentley 6½-Litre, ein riesiges Schiff mit einem 6,5-Liter-Reihen-6-Zylinder, aber ohne Zwangsbeatmung. Von beiden Fahrzeugen gab es Rennversionen. Den Blower konzipierte man dafür zu einem Monoposto um, während von dem 6½-Litre ein Straßenwagen genommen und nach damaligen Regularien für Rennen umgerüstet wurde. Der Blower sollte niemals Erfolg finden, denn die Technik für den Kompressor war nicht Langstrecken-tauglich. Auch der Verbrauch stellte mit gut 102 Litern auf 100 km ein großes Problem dar.
Diese offensichtliche Überlegenheit des größeren Motors verleitete Walter Owen Bentley zu dem legendären Spruch „There is no replacement for displacement.“ („Hubraum ist durch nichts zu ersetzen“), was im Bentley 8-Litre ausuferte, der leider kein Verkaufserfolg werden sollte. Immerhin wurden von ihm aber 100 Stück gefertigt, die heute weltweit bei Sammlern begehrt sind.

Es war also dem großen Bruder vorbehalten die letzten Rennen für Bentley zu gewinnen, denn all der Erfolg half dem Hersteller leider wirtschaftlich nicht. Auch wenn Bentley immer Unterstützung benötigte, konnte letztlich auch Woolf Barnato, der schon von Beginn an finanzielle Spritzen verabreichte, die Firma nicht durch die Weltwirtschaftskrise hindurch am Leben erhalten. So mussten 1931 die Bücher und Produktionshallen geschlossen werden, allerdings fand sich schnell ein neuer Eigner.

Im gleichen Jahr übernahm der British Central Equitable Trust, für 125.275£ die Herrschaft über den finanziell Leid geplagten Hersteller. Niemand, nicht einmal W.O. Bentley selbst, wusste zu dem Zeitpunkt, dass es sich bei dieser seltsamen Firma, die so plötzliches Interesse zeigte, um Rolls-Royce handeln sollte. Direkt nach der Übernahme wurde die Schein-Firma mitsamt Bentley umgestaltet, woraus schließlich die Bentley Motors Ltd entstand. Firmengründer W.O. Bentley wurde dabei schnell vergessen und in einer Halle als einfacher Mitarbeiter abgestellt. Dieser sollte sich das allerdings nicht gefallen lassen und wechselte, sobald es sein Vertrag zuließ, 1935 zu Lagonda.

Der 1933 neu entstandene Bentley 3½-Litre stellte den ersten Bentley unter neuer Leitung dar. Angetrieben von einem Rolls-Royce Motor, schreckte er zwar die Bentley treuen Käufer ab, wurde aber, mit 1177 gebauten Autos, im allgemeinen ein großer Erfolg. 3 Jahre später erhöhte man den Hubraum des 3½-Litre von 3,7 Liter auf nunmehr 4,25 Liter. Kurz vor dem zweiten Weltkrieg brachte man neben dem Bentley 4¼-Litre noch ein weiteres Modell, den Mark V. Ein erster Schritt in die Umorientierung der Marke, allerdings wurden davon nicht viele Fahrzeuge gebaut, denn der zweite Weltkrieg unterbrach für fast 6 Jahre so gut wie jegliche Produktion von nicht militärische Gütern.

Nachdem 1946 die Produktion im britischen Crewe in Cheshire wieder aufgenommen werden konnte, wurden bis Mitte 1960, mit dem Mark VI, dem R-Type, dem S1, S2 und S3 ausschließlich Rolls-Royce-typische, langnasige Luxus-Limousinen, Coupés, sowie deren Cabriolet-Versionen gebaut, die mit dem ursprünglichen, sportlichen Konzept von Bentley nicht mehr viel gemeinsam hatten.

Vermutlich weil in den 1970ern der Corniche und der Carmargue noch immer deutlich ihr Rolls-Royce-Blut zeigten, fielen zum Ende des Jahrzehnts die Verkaufszahlen bis unter den Keller. Zusätzlich dazu bekam Rolls-Royce selbst Schwierigkeiten, da sie Probleme in der Flugzeugmotor-Produktion hatten. Schließlich trennte man sich vom Automobilbau-Teil, der daraufhin unter dem Namen Rolls-Royce Motors Ltd. unabhängig produzierte. Kurze Zeit später gingen die Marken an den Industrie-Riesen Vickers.

Unter der neuen Leitung brachte man 1980 den Bentley Mulsanne heraus, zu Ehren von Bentleys Le Mans Siegen nach der langen Geraden des Rennkurses benannt. Ausgestattet mit dem heute berühmten 6,75 Liter großen V8 aus Rolls-Royce-Produktion, der auch schon den Corniche in Bewegung versetzte, wurde der über 2,2 Tonnen schwere Mulsanne mit genügend Drehmoment versorgt, um den Sprint auf 100 km/h in unter 10 Sekunden zu bewältigen. Die damals für Bentley übliche 3-Gang Automatik erlaubte eine Höchstgeschwindigkeit von 190 Stundenkilometern. Leider sollte dies nicht das Ende der Probleme für Bentley und seine Besitzer bedeuten.

Mit dem Corniche, der kurz nach der Übernahme durch Vickers, ohne ihn technisch zu verändern, in Continental umbenannt wurde, sowie mit dem Mulsanne und dessen 50% leistungsfähigerer Turbo-Variante gelang es dem Hersteller endlich wieder Verkäufe zu erzielen. Dass die Marke Bentley nicht bankrott ging, verdankt sie zu großen Teilen einem asiatischen Autosammler, der sich über Jahre hinweg verschiedenste Sonderanfertigungen aus der Portokasse bestellte und damit half, Bentley wieder auf ein gesundes finanzielles Niveau zu bringen.

Bis 1998 gesellten sich noch die Modelle Eight, Mulsanne S, Turbo S, Turbo R, Turbo RL, Turbo RT Sport, Continental S, Continental T, Continental T Mulliner, Continental R, Continental R Mulliner, Brooklands, Brooklands R sowie der Azure zur Familie. Der Brooklands ist das Facelift des Mulsanne unter neuem Namen. Die Continental-Modelle sollten auch nach 1998 noch weiter produziert werden, allerdings nun wieder einmal unter einem neuen Besitzer. Dieses Mal gab es sogar Konkurrenz um die Übernahme. BMW hatte gerade mit Rolls-Royce einen Deal über die Lieferung von V8- und V12-Motoren gemacht und nebenher daran gearbeitet, die Marke ganz zu übernehmen. Währenddessen kaufte Volkswagen die Marke Bentley auf. Man glaubte in Wolfsburg, man seie damit nun auch im Besitz von Rolls-Royce. Da dies nicht der Fall war, einigte man sich mit BMW darauf, bis Ende 2002 gemeinsam das Werk in Crewe zu nutzen, um anschließend getrennte Wege zu gehen.

Manchem Leser werden die Bezeichnungen „Green Label“ und „Red Label“ aus der Zeit der letzten Bentley-Übernahme noch ein Begriff sein. Sie tauchten speziell am Modell Arnage auf und bezeichneten eine Art Übergangsmodell, denn BMW drohte während der Verhandlungen mit Lieferstopp der V8-Motoren. Da VW so kurzfristig keinen adäquaten Ersatz beschaffen konnte, wurde der altbekannte 6,75 Liter-Rolls-Royce-V8 in den Arnage-Motorraum gequetscht, der für den wesentlich kleineren 4,5-Liter-BMW-V8 konzipiert war. Wenn auch der alte V8 weitreichender Erneuerungen bedurfte, um überhaupt zugelassen werden zu können, konnte man, sollte BMW die Motoren nicht mehr zur Verfügung stellen, die Zeit überbrücken, die es brauchte, einen neuen Motor zu entwickeln, ohne das die Produktion des Arnage eingestellt werden müsste. Beim Green Label war der Hintergrund des ‚geflügelten B‘ grün markiert, während im Motorraum der BMW V8 arbeitete. Der Red Label, zu erkennen am roten ‚geflügelten B‘, bezeichnete den altertümlichen Antrieb. Die Farben haben dabei eine ähnliche Aufgabe, wie die heutigen Umweltplaketten: grün für neuer und umweltfreundlicher, rot für… nun ja, „vorhanden“.

Unter der neu etablierten Führung versuchte man sich 2001, 73 Jahre nach den letzten Rennerfolgen, an den Wurzeln Bentleys: dem Motorsport. Mit der Unterstützung des britischen Teams „Racing Technology Norfolk“ wurden zwei Bentley EXP Speed 8 für die LMP-GT-Klasse aufgebaut. Im ersten Einsatz mit einem 3,8 Liter Audi Turbo-V8 ausgestattet, fuhr man, mit 15 Runden Rückstand auf die hauseigene Konkurrenz, den Audi R8 in der LMP900 Klasse, den dritten Gesamtplatz ein. Ein Jahr später probierte man es noch einmal, diesmal nur mit einem Auto, das aber mit einem angepassten 4,0 Liter Turbo-V8 von Audi ausgestattet war. Wieder vom Schwesterhersteller geschlagen musste man sich mit dem vierten Platz zufrieden geben.
2003 trat man erneut mit zwei Speed 8 an, die deutlich weiterentwickelt waren. Audi überlies das Feld in diesem Jahr den Privatteams, wodurch Bentley einen Doppelsieg vor einem der privat eingesetzten Audi R8 herausfahren konnte. Anschließend zog man sich aus dem Rennsport wieder zurück, da man bewiesen hatte, das Siege möglich waren, wenn man nur wollte.

Seit der Übernahme durch VW brachte man beinahe jährlich neue Modelle heraus, damit laufen bis heute die Modelle Continental GT, Continental GT Speed, Continental GTC, Continental GTC Speed, Continental Flying Spur, Continental Flying Spur Speed, Azure, Azure T sowie seit kurzem der Continental SuperSport und eine Neuauflage des Namens Mulsanne, der den erst kürzlich zur Ruhe gesetzten Arnage ersetzt. Zwischendurch schiebt man auch gerne individuelle Sondermodelle ein. Das können Fahrzeuge auf Basis der Serienmodelle sein, die mit übervoller Serienausstattung daherkommen, aber auch neue Modellreihen wie das auf 555 Stück limitierte Brooklands Coupé. Bentley ist einer der wenigen verbleibenden Hersteller, die ihre Vielfalt an Fahrzeugen noch immer exklusiv in Handarbeit fertigt. Frei nach dem Motto ‚der Kunde ist König‘, wovon sich im Laufe der Jahrzehnte schließlich auch ein paar unter den Käufern befunden haben. Mittlerweile ist also das Fortbestehen der Marke, selbst in der heutigen, so genannten Wirtschaftskrise, nicht mehr in Frage gestellt.

Quelle: Bentley Presseserver, Archiv

Autor: Michael Müller