Mercedes-Benz stellt ein Fahrzeug auf der IAA vor, es gehen viele Bestellungen und sogar Blanko-Schecks ein, aber nicht ein einziges Auto wird an die interessierten Kunden geliefert. Schlechter Scherz? Mitnichten. 1969 zeigte die Marke mit dem Stern in Frankfurt den Sportwagen Mercedes-Benz C 111, ein Forschungsfahrzeug zum Testen von verschiedenen Motorkonzepten. Eine Serienfertigung wurde nie geplant, daher gingen die potenziellen Kunden leer aus – schade, aber wahr.

Auf dem Mercedes-Benz-Stand in Frankfurt drehte sich 1969 eine orange-farbene Sportwagenstudie mit Flügeltüren im Scheinwerferlicht und vor dem Stand bildete sich jeden Tag eine Menschentraube. Würde Mercedes-Benz dieses Fahrzeug als Nachfolger des 300 SL auf den Markt bringen? Alle Mitarbeiter wurden nicht müde zu versichern, dass es sich um ein Experimentalauto handelt, dennoch gingen noch während der Messe Kaufwünsche und Blankoschecks bei Mercedes-Benz ein.

1969 Mercedes-Benz C 111

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Geplant wurde der C 111 genannte Sportwagen zur Erprobung von verschiedenen Werkstoffen und Motorenkonzepten. Die Karosserie bestand bei einigen Fahrzeugen (insgesamt wurden 16 gebaut, sieben C 111-1, sechs C 111-2 und C 111-2D, zwei C 111-3 und ein C 111-4) aus glasfaserverstärktem Kunststoff gefertigt. Die erste Version, die in Frankfurt gezeigt wurde, verfügte als Besonderheit über einen Wankelmotor mit drei Kreisscheiben anstelle von konventionellen Kolben. Mit 206 kW/280 PS erreicht der Wagen in 5 Sekunden aus dem Stand 100 km/h und eine Maximalgeschwindigkeit von 260 km/h.

Bereits im Frühjahr 1970 steht auf dem Autosalon in Genf die weiterentwickelte Version C 111-2 mit einem auf 257 kW/350 PS erstarkten Vier-Scheiben-Wankelmotor. Dank verbesserter Aerodynamik mit einem sensationellen cw-Wert von 0,325 erreicht der Wagen 300 km/h. Alle verwendeten Wankelmotoren verfügten über Benzindirekteinspritzung, einige sogar über Doppelzündung, die sich jedoch als zu schwer einstellbar entpuppte. Mercedes-Benz bekommt zwar die konstruktiven Probleme des Kreiskolbenmotors in den Griff, nicht jedoch die schlechteren Abgaswerte und den hohen Verbrauch. Daher wird die Forschung an diesem Motorkonzept aufgegeben und auch die angedachte Serienfertigung fallengelassen.

Im Herbst 1973 wurde die Forschung durch die Ölkrise auf den Dieselmotor umgestellt. Einige Mercedes-Benz C 111-2 wurden mit einem Fünfzylinder-Dieselmotor mit 3 Litern Hubraum ausgerüstet. Man möchte das in den Köpfen festsitzende Bild von behäbigen, lautstark nagelnden und ruppig laufenden Dieselfahrzeugen ins Gegenteil umkehren und die positiven Aspekte wie Sparsamkeit und Effizienz aufzeigen. Der C 111-2D, wie der Wagen nun heißt, holt mittels Turbolader und Ladeluftkühler 140 kW/190 PS aus dem Dieseltriebwerk – für die 1970er Jahre ein fast unglaublicher Wert, wenn man bedenkt, dass der Serienmotor gerademal 59 kW/80 PS hat. Im italienischen Nardo führt man auf der Kreisbahn einen 60 Stunden-Test durch, bei dem insgesamt sechzehn Weltrekorde aufgestellt werden. Unter anderem wird über die gesamte Zeit eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 252 km/h gehalten, was auch dem letzten Kritiker aufzeigt, dass man mit Dieselmotoren schnell fahren kann. Die Rekorde über 5.000 Meilen, 10.000 Kilometer und 10.000 Meilen sind sogar motorunabhängige Weltrekorde.

Nach diesen auch für Mercedes-Benz unerwarteten Erfolgen wird 1977 fieberhaft an einem noch stärkeren Nachfolger gearbeitet, dem C 111-3, der 1978 wieder in Nardo antritt. Ein längerer Radstand und eine schmalere, vollverkleidete Karosserie mit Heckflosse unterscheiden ihn vom C 111-2D und bringen einen cw-Wert von 0,183. Der Motor basiert nach-wie-vor auf dem Serienaggregat, ist aber auf 169 kW/230 PS erstarkt und lässt den Wagen Geschwindigkeiten von rund 325 km/h erreichen. Mit diesem silber lackierten Rekordwagen werden weitere neun motorunabhängige Weltrekorde eingefahren, darunter unter anderem die 500 Kilometer mit einem Durchschnitt von 321,86 km/h.

In der letzten, C 111-4 genannten Version arbeitet ein 4,8 Liter großer Biturbo-V8-Benzinmotor mit 368 kW/500 PS und 600 Newtonmeter Drehmoment. Die Karosserie wurde mit zwei Heckflossen und einem großen Frontspoiler ausgerüstet und aerodynamisch noch einmal weiter verfeinert. Mit 403,978 km/h erreicht der C 111-4 in Nardo den absoluten Rundstreckenrekord. Mit dem ersten Entwurf des C 111 hat dieses Fahrzeug jedoch bestenfalls nur noch den Namen gemeinsam.

Obwohl der C 111 immer als rollendes Versuchslabor geplant war, musste sich die Verarbeitung nicht hinter der von Serienwagen aus dem Haus mit dem Stern am Kühlergrill verstecken. Lediglich die allerersten Prototypen, die noch vor der IAA 1969 erprobt worden waren, sahen noch ein wenig „handgeschnitzt“ aus. Dennoch war zu keiner Zeit eine Serienfertigung angedacht, so sehr vermögende Kunden auch darauf drängten ein solches Fahrzeug ins Modellprogramm zu übernehmen. Erst in späteren Jahren sahen C 111 einen Mercedes-Benz-Showroom von innen, aber nicht zum Verkauf, sondern als Ausstellungsstücke. Bis heute sind diese Autos gern gesehen und viele fragen sich, was gewesen wäre wenn… Allerdings kann man diesen Leuten sagen: viele Erkenntnisse, die mit den vier C 111-Versionen gesammelt wurden, fanden ihren Weg in die Serienfertigung, darunter Fahrwerkskomponenten, der Einsatz von Kunststoffen im Karosseriebau und die Wirkung einer optimierten Aerodynamik.

Die Rekorde des C 111-2D:

  • 10 Kilometer mit einem Durchschnitt von 220,619 km/h
  • 10 Meilen mit einem Durchschnitt von 227,353 km/h
  • 100 Kilometer mit einem Durchschnitt von 251,148 km/h
  • 100 Meilen mit einem Durchschnitt von 252,875 km/h
  • 500 Kilometer mit einem Durchschnitt von 254,086 km/h
  • 500 Meilen mit einem Durchschnitt von 252,930 km/h
  • 1.000 Kilometer mit einem Durchschnitt von 253,307 km/h
  • 1.000 Meilen mit einem Durchschnitt von 252,737 km/h
  • 5.000 Kilometer mit einem Durchschnitt von 252,903 km/h
  • 5.000 Meilen mit einem Durchschnitt von 252,540 km/h (*)
  • 10.000 Kilometer mit einem Durchschnitt von 252,249 km/h (*)
  • 10.000 Meilen mit einem Durchschnitt von 251,798 km/h (*)
  • 1 Stunde mit einem Durchschnitt von 253,770 km/h
  • 6 Stunden mit einem Durchschnitt von 252,578 km/h
  • 12 Stunden mit einem Durchschnitt von 253,616 km/h
  • 24 Stunden mit einem Durchschnitt von 253,030 km/h

(*) motorunabhängige Weltrekorde

Rekorde mit dem C 111-3:

  • 100 Kilometer mit einem Durchschnitt von 316,484 km/h
  • 100 Meilen mit einem Durchschnitt von 319,835 km/h
  • 500 Kilometer mit einem Durchschnitt von 321,860 km/h
  • 500 Meilen mit einem Durchschnitt von 320,788 km/h
  • 1.000 Kilometer mit einem Durchschnitt von 318,380 km/h
  • 1.000 Meilen mit einem Durchschnitt von 319,091 km/h
  • 1 Stunde mit einem Durchschnitt von 321,843 km/h
  • 6 Stunden mit einem Durchschnitt von 317,796 km/h
  • 12 Stunden mit einem Durchschnitt von 314,463 km/h

Quelle: Mercedes-Benz Presseserver und Wikipedia (1 Bild)

Autor: Matthias Kierse