Als Ettore Bugatti 1909 in Molsheim eine Automarke unter eigenem Namen gründete, war er vermutlich der Einzige, der an einen langanhaltenden Erfolg glaubte. Zeit seines Lebens strebte er danach, die luxuriösesten und sportlichsten Automobile auf die Straßen zu entlassen. Dabei schoss er auch gerne über’s Ziel hinaus – eine Tatsache die dem heutigen Eigner Volkswagen beim Veyron durchaus auch nachgesagt wurde.

100 Jahre Bugatti

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Um die Person Ettore Bugatti annähernd verstehen zu können, muss man ganz von vorne anfangen. Also, es war einmal der Urknall, anschließend entstanden laut Wissenschaftlern Gase und Feststoffe aus denen sich… Wie, das interessiert Sie nicht wirklich? OK, dann spulen wir mal schnell runde 13,7 Milliarden Jahre vor, ins Jahr 1881. Ettore Arco Isidoro Bugatti erblickte am 15. September in Mailand/Italien in einer Familie von Künstlern das Licht der Welt. Sein Vater war Dekorateur, Architekt und Kunst-Tischler, dessen Möbel sich in ganz Europa gut verkauften. Bereits im Alter von 16 Jahren begann Ettore eine Ausbildung beim Fahrradhersteller Prinetti & Stucchi, was seinem Interesse an den aufkommenden Automobilen am Nächsten kam. Ein Jahr später schraubte er einen Motor auf ein Dreirad, um diese Idee nach und nach weiter zu verfeinern. Am Ende werkelten zwei De Dion-Motoren auf dem Dreirad und Ettore nahm an einigen Rennen teil. Alle seine Werke nummerierte er durch und so erhielt dieses Motor-Dreirad folgerichtig den Namen „Typ 1“.

1901 stellte Ettore Bugatti das erste von ihm entwickelte Automobil „Typ 2“ auf einer Messe in Mailand aus und gewann direkt einen Preis für die fortschrittliche Technik. Das Fahrzeug ging in den Lizenzbau bei De Dietrich, für die Bugatti anschließend fünf weitere Modelle entwickelte. Die Zusammenarbeit scheiterte jedoch daran, dass Ettore mehr Zeit in die Entwicklung von Rennfahrzeugen steckte, als es De Dietrich lieb war. So wechselte Bugatti 1905 zu Emil Mathis und entwickelte dort einen 4 Zylinder-Wagen. Auch hier dauerte es nicht lange, bis der Vertrag von Herrn Mathis wieder aufgelöst wurde. Mit der Persönlichkeit von Ettore kamen nicht viele Leute lange zurecht. Um seine Familie ernähren zu können, zog Bugatti 1907 nach Köln, um dort bei der Deutz AG zu arbeiten. In seiner Freizeit entwickelte er im Keller seines Wohnhauses einen leichten Wagen. Übrigens wurde auch sein Vertrag bei Deutz sehr schnell wieder beendet, da Ettore seinen Etat laut Deutz zu unwirtschaftlich einsetzte.

1909 war in zweifacher Hinsicht besonders für Ettore Bugattis Leben: zum einen wurde sein drittes Kind, Jean, geboren und zum anderen machte er sich in Molsheim im Elsass selbstständig und baute dort seine eigene Automobilfabrik in einer leerstehenden Färberei. Am 1. Januar 1910 wurde die Firma „Automobiles Ettore Bugatti“ offiziell eingetragen. Anfänglich machte er sich durch Auftragsarbeiten einen Namen. So entwickelte er für Peugeot den Bébé, einen Kleinwagen. Ettore erhielt im Gegenzug einen Lizenzvertrag, um dieses Fahrzeug unter eigenem Namen als Bugatti Type 19 zu verkaufen. Zeitgleich ging auch der Type 13 an den Start, basierend auf dem Fahrzeug, das er in Köln entwickelt hatte. Dank hervorragender Fahrleistungen in Rennen und fortwährend gelobter Straßenlage verkauften sich die Bugattis quasi von selbst. Kurz vor Ausbruch des ersten Weltkrieges fertigten über 200 Mitarbeiter 75 Fahrzeuge pro Monat in Handarbeit.

Während der Kriegsjahre lag die Produktion still. Bugatti floh mit seiner Familie erst nach Mailand, später nach Paris, wo er Flugzeugmotoren entwickelte. Insgesamt entstanden 40 Prototypen-Motoren, darunter auch welche mit 16 Zylindern, die jedoch nicht mehr zum Kriegseinsatz kamen.

Nach Kriegsende errichtete Ettore Bugatti eine neue Fabrik in Molsheim, das nun zu Frankreich gehört. Die Produktion des Typ 13 lief wieder an und sehr bald stellten sich große Erfolge im Motorsport ein. 1920 gewann man das 24-Stunden-Rennen in Le Mans und 1921 den Großen Preis von Brescia, bei dem man auch gleich noch die Plätze zwei, drei und vier belegte. Ein guter Grund, um dem Typ 13 und den darauf basierenden Weiterentwicklungen Typ 15, Typ 17, Typ 22 und Typ 23 von nun an den Beinamen Brescia zu geben. Die Siege im Motorsport häuften sich. Laut Ettore Bugattis Buchführung waren es alleine 1925 innerhalb von nur neun Monaten ganze 412 Siege, die auf das Konto von Bugatti-Fahrzeugen gingen.

1922 brachte Bugatti den ersten firmeneigenen Achtzylinder-Wagen, den Typ 29 und Typ 30 heraus. Obwohl Ettores Blick stets der Motorsport-Tauglichkeit seiner Entwicklungen galt, gab er auch eine Tourenwagenversion des Typ 30 bei seinen Ingenieuren in Auftrag, die sich über 600 Mal verkaufen lassen sollte. Ein Jahr später schockte Bugatti die Konkurrenz mit dem Typ 32 und einer sehr windschnittigen Karosserie mit verkleideten Rädern. Aufgrund einer sehr ähnlichen Formgebung zu den Panzern aus dem ersten Weltkrieg, wurde dieses Fahrzeug im Volksmund schnell als „Tank“ (englisch für Panzer) bekannt. Der Wagen war zwar seiner Zeit optisch weit voraus, konnte auf der Rennstrecke jedoch die in ihn gesetzten Erwartungen nicht komplett erfüllen. Der größte Erfolg blieb ein dritter Platz beim ACF Grand Prix in Tours.

Für Ettore Bugatti waren Fahrzeuge, die nicht siegfähig waren, Fehlentwicklungen. Es hieß also „zurück ans Zeichenbrett“. Heraus kam der Typ 35, das Rennfahrzeug, das es in der Folgezeit zu schlagen galt. Dieses Auto brachte der Marke Bugatti weltweite Beachtung und begründete den bis heute andauernden Mythos um die Fahrzeuge mit dem Hufeisen-Grill.

Bereits kurz nachdem er sich selbstständig gemacht hatte, träumte Ettore Bugatti vom perfekten Luxusauto. Es sollte das beste und komfortabelste Auto der Welt sein und nach seiner Vorstellung hauptsächlich von Königen und Kaisern gekauft werden. 1926 präsentierte er den Typ 41 Royale mit einem 14,7-Liter großen Achtzylinder-Reihenmotor. Später wurde der Hubraum auf 12,7 Liter zurückgenommen. An der Konstruktion dieses Fahrzeugs wirkte Sohn Jean Bugatti maßgeblich mit. Ettores Bruder Rembrandt, der Tierbildhauer war, steuerte als Kühlerfigur einen aufgerichteten Elefanten bei. Es war gleichzeitig das erste Fahrzeug aus Molsheim, bei dem im Werk nur das 6- oder 6,35-Meter lange Chassis mit Motor gefertigt wurde und anschließend an einen Karosseriebauer geliefert wurde, den der Kunde bestimmte. Nur leider gab es keine Kunden für das „beste Automobil der Welt“, denn 1929 setzte die weltweite Finanzkrise ein und kein Mensch wollte mit einem solchen Koloss gesehen werden. Erst 1931 wurde das erste Fahrzeug ausgeliefert, fünf weitere sollten folgen. Ettore hatte jedoch bereits einige Motoren für den Royale fertigen lassen, die nun auf Halde lagen. Zum Einschmelzen waren sie ihm zu schade, also schaute er sich nach einem anderen Einsatzzweck um und fand diesen schließlich bei der französischen Eisenbahn, für die er einen neuen, vierachsigen Triebwagen entwickelte, in dem zwei bis vier der Royale-Motoren arbeiteten. Insgesamt entstanden 79 Triebwagen, wodurch sich die Entwicklung der gewaltigen Maschine doch noch rechnete.

1934 kam der Typ 57 auf den Markt, das bis heute wohl bekannteste Vorkriegs-Bugatti-Modell, neben dem Royale und dem Typ 35. Unzählige Karosserie-Varianten zierten die über 700 gebauten Chassis, darunter der Atalante und der nur wenige Male gebaute Atlantic, dessen Karosserie mit dem mittig verlaufenden Nietenkamm bis heute für Entzückens-Seufzer bei Autofans sorgt. Zwei Jahre später kam es zu einem Arbeiter-Streik in Molsheim, den Ettore als persönlichen Angriff wertete. Er übergab die Firma an seinen Sohn Jean und zog nach Paris um. Unter der neuen Leitung gewann Jean-Pierre Wimille ein Jahr später das 24-Stunden-Rennen in Le Mans. Finanziell ging es Bugatti trotz des erfolgreichen Typ 57 jedoch nicht gut. Dennoch stand auch zwei Jahre nach dem Sieg wieder ein Bugatti am Start des Sarthe-Kurses. Wieder gesteuert von Wimille, der Unterstützung durch Pierre Veyron erhielt. Der Typ 57 war mittlerweile mit einem Kompressor ausgerüstet worden, was beim Typennamen zum Kürzel SC für Supercharger führte. Trotz des minimalen Budgets gelang erneut der Gesamtsieg. Zu diesem Zeitpunkt konnte noch niemand ahnen, dass dies der letzte große Sieg der Marke Bugatti sein würde.

Der 11. August 1939 wurde zum schwärzesten Tag im Leben von Ettore Bugatti, als sein gerade einmal 30-jähriger Sohn bei einer Testfahrt mit dem Typ 57 SC Rennwagen von der Straße abkam und tödlich verunglückte. Auf die Firma Bugatti hatte dies keine direkten Auswirkungen, da nur wenige Tage später der zweite Weltkrieg ausbrach und die Produktion stilllegte.

Nachdem der Krieg 1945 endlich beendet wurde, versuchte Ettores zweiter Sohn Roland die Marke Bugatti wiederzubeleben. Auf Vorkriegs-Chassis, die irgendwie die Wirren des Krieges unbeschadet überstanden hatten, baute er Neuwagen auf, die er unter dem Namen Typ 101 verkaufen wollte. Allerdings hatten diese Wagen zum Einen keine Chance gegen die Neuentwicklungen von Konkurrenzfirmen, zum Anderen war die finanzielle Lage der Marke Bugatti milde gesagt katastrophal.

Am 21. August 1947 verstarb Firmengründer Ettore Bugatti. Zu seinen Lebzeiten waren rund 7.900 Fahrzeuge mit seinem Namen auf dem Kühlergrill entstanden. Davon existieren bis heute noch über 2.000 Stück. Roland Bugatti versuchte bis in die 1960er Jahre hinein, die Marke am Leben zu erhalten. 1956 startete das letzte Mal ein Rennwagen beim Grand Prix in Reims. Der Mittelmotor-Monoposto Typ 251 kam jedoch nur 18 Runden weit, bis er mit technischem Defekt ausrollte. 1963 kaufte Hispano Suiza die letzten Reste von Bugatti auf.

Nun wurde es lange Zeit still um die Marke aus Molsheim. Erst 1987 kam wieder Bewegung in die Markenhistorie, als der Millionär und Autofan Romano Artioli die Namensrechte kaufte, in Campogalliano/Italien eine Fabrik aus dem Erdboden stampfen ließ und verkündete, dass er die Marke mit einem Supersportwagen wiederbeleben wolle. Vier Jahre später stellte er der Welt den EB110 GT vor. Der Name sollte dabei an den 110. Geburtstag von Ettore Bugatti erinnern. Wie angekündigt handelte es sich um einen Supersportwagen, und was für einen: Allradantrieb und 411 kW/560 PS sind zu dieser Zeit mehr als nur eine kleine Ansage. Kurze Zeit später erscheint die 449 kW/610 PS starke SS-Version für die Kunden, die noch mehr Leistung und noch bessere Fahrleistungen wünschten. Allerdings erging es der Wiederbelebung der Marke ähnlich wie der Urmarke: 1995 folgte nach lediglich etwa 120 bis 140 gebauten EB110 und drei EB112 Limousinen der Bankrott. Die Reste der Marke wurden von Jochen Dauer aus Nürnberg aufgekauft, der aus verbliebenen Chassis weitere zehn EB110 aufbaute.

1998 kaufte Volkswagen die Namensrechte auf und präsentierte prompt das Showcar EB118 in Paris. Als Besonderheit verfügte es über einen 6,3-Liter-V18-Motor. Ein Jahr später folgten mit der EB218 Limousine, dem 18/3 Chiron und dem 18.4 Veyron gleich drei weitere Conceptcars, mit denen man deutlich machte, dass man Bugatti wiederbeleben wollte. Allen gemeinsam war der 18-Zylinder-Motor, der Bugatti am obersten Ende des Automobilbaus positionieren sollte. In der folgenden Entwicklungszeit des Veyron erwies sich die Zylinderzahl jedoch als problematisch, weshalb man zwei Zylinder wegließ und den heute bekannten 16 Zylinder entwickelte. Da der Veyron problemlos eine Geschwindigkeit jenseits der 400 km/h-Marke erreichen und jederzeit seine 1001 PS auf die Straße bringen sollte, dauerte die Entwicklung schier endlose 6 Jahre, bis endlich 2005 die ersten Autos zu ihren glücklichen Besitzern rollten. Die Fahrzeuge entstehen an historischer Stätte im elsässischen Molsheim in Handarbeit. Nahezu jede Farb- und Lederkombination ist dabei umsetzbar. Insgesamt werden nur 300 Veyron entstehen, von denen bis zum heutigen Tag bereits etwa 260 verkauft sind. Im letzten Jahr wurde ihm die offene Version Grand Sport zur Seite gestellt, die auf 150 Exemplare limitiert ist.

In diesem Jahr feierte Bugatti das 100-jährige Bestehen und zeigte aus diesem Anlass insgesamt sechs Sondermodelle. Alles begann in Genf mit dem mattblauen Veyron Bleu Centenaire. Beim Concours de Elegance an der Villa d’Este standen gleich vier Veyron Sondermodelle in historischer Farbgebung neben entsprechend lackierten Typ 35 Rennfahrzeugen. Sie waren den Rennfahrern Jean-Pierre Wimille, Achille Varzi, Malcolm Campbell und Hermann zu Leiningen gewidmet, die vor dem zweiten Weltkrieg viele Siege für Bugatti eingefahren hatten. Beim Concours de Elegance in Pebble Beach stand schließlich der Veyron Grand Sport Sang Bleu. Mit seiner Karosserie in poliertem Aluminium und blau-eingefärbtem Sichtcarbon sorgte er für offene Münder.

Um auch nach den 300 Veyron Coupés und 150 offenen Veyron Grand Sport weiter bestehen zu können, überprüfte Bugatti pünktlich zur Feier des 100-jährigen Bestehens die Geschmäcker der Kunden mit der Präsentation des 16C Galibier, einer viertürigen Luxuslimousine mit 16-Zylinder-Motor. Den Reaktionen nach könnten wir ein solches Fahrzeug bald auf der Straße sehen.

Dem Team des CPzine bleibt an dieser Stelle nur noch, der Marke Bugatti „Happy Birthday“ zu wünschen, verbunden mit dem Wunsch, dass es mit den Schwierigkeiten der Vergangenheit endgültig vorbei ist.

Quelle: Bugatti Presseserver, CP-Archiv

Autor: Matthias Kierse