Spyker, die niederländische Sportwagen-Manufaktur, wird in Kürze 10 Jahre alt – zum zweiten Mal! Bereits 1880 gab es das Unternehmen erstmals, bis es 1926 aufgrund von Finanzproblemen geschlossen werden musste. Seit 2000 entstehen in Zeewolde nun sportliche Coupés und Roadster in perfekter handwerklicher Qualität. Das Design orientiert sich dabei auch an der Luftfahrtgeschichte von Spyker während des ersten Weltkriegs.

Spyker

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Wer an die Niederlanden denkt, bringt die Begriffe „Holzschuhe“, „Tulpen“, „Tomaten“, „Käse“ und eventuell auch die „Coffee Shops“ damit in Verbindung, aber auch Autos? Vielleicht mag es für den Einen oder Anderen überraschend sein, aber in der Anfangszeit des Automobils zwischen 1890 und etwa 1915 gab es allein in den Niederlanden rund 20 Automobilmarken! Viele davon gingen aus Kutschenbaubetrieben hervor und bauten zugekaufte Motoren (häufig von Benz aus Deutschland) auf umgestaltete Kutschenrahmen.

Unter ihnen war auch die bereits 1880 gegründete Kutschenfabrik Spijker, die sich jedoch durch eine bestimmte Eigenschaft von den anderen Marken absetzte: Man baute stets nur Fahrzeuge für die oberen Zehntausend dieser Welt. Das hatte man bereits zu Kutschenzeiten so getan. Das berühmteste Fahrzeug aus den Händen der beiden Spijker-Brüder ist ohne Frage die über vier Meter hohe, vergoldete Kutsche zur Krönung der niederländischen Königin Wilhelmina. Dieser Sechs- bis Achtspänner befindet sich noch heute in hervorragendem Zustand am niederländischen Hofe und wird nur zu ganz besonderen Anlässen hervorgeholt.

Ab 1896 widmeten sich also auch die Spijker-Brüder dem Automobilbau und blieben dem Grundsatz treu, nur das Beste vom Besten auszuliefern. So erreichte man bald in Großbritannien das Qualitätsmerkmal „Wie ein Rolls-Royce vom Kontinent“. Speziell in der damaligen Zeit galten Erfolge im Motorsport als beste Werbung für ein Fahrzeug. Die Niederländer setzten unter anderem Fahrzeuge beim Bergrennen am La Turbie in der Nähe von Monte Carlo oder bei der Peking to Paris-Rallye ein und errangen hervorragende Ergebnisse. Der 14/18 PS-Wagen, der das Rennen zwischen Peking und Paris bestritt war vermutlich das allererste Rennauto der Geschichte mit Sponsorenaufklebern. Das bis heute bestens bekannte Label „Louis Vuitton“ finanzierte die Teilnahme eines französischen Rennfahrers mit diesem Auto.

Auch auf technischer Seite waren die Fahrzeuge der Spijker-Brüder etwas besonderes. Bereits 1903 entwickelte man ein 60 PS-Rennfahrzeug mit permanentem Allradantrieb und einem Reihen-Sechszylinder-Motor mit 8,6 Litern Hubraum. Alle vier Räder verfügten über eine Bremstrommel, was damals durchaus noch nicht selbstverständlich war. Entwickelt wurde der Wagen vom belgischen Techniker Joseph Laviolette. Den Nachnamen dürfen Sie sich schon einmal merken.

Während des ersten Weltkrieges ruhte die Produktion von luxuriösen Fahrzeugen verständlicherweise. In den Hallen von Spijker wurden derweil rund 100 Flugzeuge und noch einmal doppelt soviele Flugmotoren gebaut und an alle interessierten Länder verkauft. Aufgrund dieser Luftfahrterfahrungen nahm man nach dem Krieg den Propeller ins Markenlogo auf, als die Fertigung von Fahrzeugen wieder anlief. Mit dem C4 brachte man ein begehrtes und wie erwartet luxuriös-sportliches Fahrzeug auf den Markt. Der Motor stammte von Wilhelm Maybach aus Deutschland. Da außerhalb der Niederlande niemand das „ij“ im Markennamen korrekt aussprechen konnte, wurde dieser internationalisiert und auf „Spyker“ geändert. Spijker bedeutet im Deutschen übrigens ungefähr soviel wie „Nagel“. Nach-wie-vor wurden auch Experimente gewagt. So entstand der „Aerocoque“ mit deutlichen Anleihen beim Flugzeugbau. Gegenüber den bis dahin bekannten Fahrzeugen war der Aerocoque deutlich windschlüpfriger, daher der erste Teil des Namens. Von der einteiligen Bauweise, dem Monocoque, stammte entsprechend der zweite Teil des ungewöhnlichen Namens.

Mit einem völlig serienmäßigen C4 wurde 1924 ein besonderer Rekord, der „Double12“, in Brooklands in Großbritannien eingefahren. Dabei handelte es sich um einen Langstreckenrekord über 24 Stunden Fahrzeit. Da damals jedoch die Fahrzeugbeleuchtungen bei Weitem noch nicht gut genug waren, um auf einem Steilwandrennkurs wie Brooklands auch des nachts mit Höchstgeschwindigkeit zu fahren und außerdem der Sonntag in England nicht durch unnötigen Lärm gestört werden durfte, fuhr man am Samstag vom Morgengrauen bis zum Abend die ersten 12 Stunden, packte das Auto danach in eine Garage, genoss den Sonntag und fuhr am Montag die zweiten 12 Stunden. Daher der Name „Double12“.

Leider existiert der Aerocoque heute nicht mehr. Insgesamt entstanden bis zur Schließung im Jahr 1926 rund 1.500 Fahrzeuge. Das Ende von Spyker kam durch die internationale Finanzkrise und dauerhaft ausbleibende Aufträge. Heute sind noch 16 historische Spyker bekannt, davon allein 13 in der Louwman-Sammlung, die in Kürze in den Niederlanden in einem neuen Museum besichtigt werden kann.

Ende der 1990er Jahre entwickelte ein Herr DeBruijn in seiner Garage mitten in den Niederlanden einen Sportwagen mit Mittelmotor und rassiger Karosserie. Allerdings war er eher Designer, denn Geschäftsmann und hatte keine wirkliche Ahnung, wie er dieses Fahrzeug nun unter die Leute bringen konnte. Durch Zufall kam er mit dem Multimillionär Victor R. Muller zusammen, der das Potenzial des Sportwagens sofort erkannte und DeBruijn den Prototyp nebst Entwürfen abkaufte. Kurz darauf erwarb er die Markenrechte an Spyker und belebte die Marke wieder.

Im Jahr 2000 wurde der Spyker C8 Spyder auf einer Messe in Großbritannien vorgestellt. Dass man dabei direkt den Nachbarstand von Ferrari erwischt hatte, führte bei den Italienern in der ersten Messenacht zu Umbauarbeiten, da wohl zuviele der eigenen Kunden spontan zu den Niederländern weitergelaufen waren. Kurze Zeit später wurde die Coupé-Variante des C8 gezeigt und auf den Namen „Laviolette“ getauft. Nun wissen Sie also, warum Sie sich diesen Namen weiter oben merken sollten.

Der Firmensitz nebst Manufaktur wurde in Zeewolde am Ijsselmeer gebaut. Hier entstanden seitdem über 250 Fahrzeuge in beispielloser Handarbeit. So lange man auch sucht, man wird am gesamten Fahrzeug keine Kunststoffteile finden. Feinstes Leder im Innenraum, sowie Chassis und Karosserie aus Aluminium, die alle mit einem 4,2 Liter V8 ausgerüstet sind, prägen hingegen das Bild der feinen Sportwagenmarke. Der Motorblock kommt dabei von Audi, während vor Ort dann die Pferdchen aus dem Aggregat gekitzelt werden. Auf Wunsch sind die Wagen auch mit einem Kompressor erhältlich.

Nach kurzer Zeit gesellte sich zu Spyder und Laviolette der Double12 S. Dieses Fahrzeug war das Homologationsmodell eines Rennfahrzeugs, mit dem Spyker unter anderem bei den 24 Stunden von Le Mans an den Start ging. Zwischenzeitlich wurde diese Version auf „Long Wheelbase“ (LWB) umgetauft, da speziell auf dem amerikanischen Markt viele Kunden aufgrund des Namens „Double12“ von einem 12 Zylinderfahrzeug ausgingen und dann schwer enttäuscht darüber waren, dass nur ein V8 lieferbar war. Insgesamt sind bislang lediglich 17 Double12 S/LWB gebaut worden.

Aufgrund der wiederholten Einsätze beim Langstrecken-Rennklassiker in Le Mans, die alle mit der Startnummer 85 angegangen wurden, entstand das Sondermodell LM85 auf Basis des Laviolette. Lackiert in der Optik der ersten Rennfahrzeuge in orange und dunkelgrau kommt der LM85 zusammen mit einer exklusiven Chronoswiss-Uhr für den Fahrer und einer VIP-Einladung für das folgende Rennen in Le Mans zu seinem glücklichen Kunden.

Wie öffnet und startet man eigentlich einen Spyker? Wer sich das Einleitungsbild dieses Artikels näher angesehen hat, wird eventuell bereits entdeckt haben, dass es sich bei dem kreisrunden Metallteil nicht einfach um einen Schlüsselanhänger handelt – es IST der Spyker-Schlüssel. Mittels Knopfdruck kann man die linke und rechte Tür, sowie den Kofferraumdeckel ent- oder verriegeln. Der Türöffner verbirgt sich auf der Rückseite der Außenspiegel und lässt die Türen nach oben schwenken. Wenn man das komplette Fahrzeug öffnet, also auch die vordere und hintere Haube aufmacht, entfaltet sich der Spyker beinahe wie ein Blumenkelch in der Sonne. Zum Starten des Motors muss eine rote Abdeckung über dem Zündungsschalter hochgeklappt werden. Diese Prozedur erinnert an die Sicherung des Raketen-Abfeuer-Knopfes in Kampfjets. Ist die Zündung aktiviert, kann der Motor per Knopfdruck gestartet werden und meldet sich grummelnd zu Wort.

Diese Liebe zum Detail macht nach dem Startprozedere oder dem Öffnen des Autos auf keinen Fall halt. Alle Funktionen des Fahrzeugs werden im Cockpit durch Metallschalter aktiviert. Vorbild waren dabei eindeutig die ersten großen Linienflugzeuge, bei denen die Piloten auch alle Funktionen mit ähnlichen metallenem Klicken bedienten.

Am Heck finden sich wahlweise zwei oder vier Auspuffendrohre, auf denen das Markenmotto „Nulla Tenaci Invia est Via“ eingraviert ist. Zu deutsch bedeutet es „Für den Hartnäckigen ist kein Weg unpassierbar“. Dieses Motto fand sich bereits auf dem Markenlogo der historischen Marke Spyker und gibt auch deutlich die Marschrichtung der Niederländer wieder. Auch auf dem bereits beschriebenen Schlüssel ist es eingraviert und kann so allen Freunden gezeigt werden, wenn man den Schlüsselbund in der Bar auf den Tresen legt.

Für den Kofferraum ist ein maßgeschneidertes Kofferset von Louis Vuitton erhältlich. Damit schließt man auch hier den bereits in den Anfangsjahren geöffneten Kreis und bringt zusammen, was zusammengehört. In einem der Koffer findet sich neben dem Bordwerkzeug auch das Ersatzrad. Glauben Sie nicht? Gut, ist auch vielleicht etwas übertrieben, aber immerhin kommt man mit dem Tire-Fit-Schaum aus der Sprühdose bis zum nächsten Reifenhändler des Vertrauens.

Ein weiterer Koffer mit maßgefertigten Pflegemitteln von Swizöl, die speziell auf den Lackton des eigenen Spykers abgestimmt sind, ist ebenfalls erhältlich. Genauso wie eine große Kollektion von Kleidungsstücken der Marke McGregor oder Uhren von Chronoswiss.

Wie bereits weiter oben erwähnt betätigt sich Spyker auch sportlich, motorsportlich. Mit der werkseigenen Spyker Squadron werden Rennwagen auf Basis von C8 Spyder und C8 Laviolette bei Langstreckenrennen im Rahmen der ALMS, der LMS oder bei den 24 Stunden von Le Mans eingesetzt. Dabei gelingt es durchaus ab und an, die großen Marken zu ärgern und ordentliche Ergebnisse einzufahren. Wer übrigens beim Lesen dieser Zeilen Lust bekommt, mit einem Spyker bei Rennen anzutreten, darf sich gerne an mich wenden. Spyker sucht momentan nach Teams, die in der GT2- oder GT3-Klasse antreten möchten. Den Kontakt vermittel ich gerne.

2007 ergab sich die Chance, den ehemaligen Jordan-Rennstall in der Formel 1 von Midland aufzukaufen. Allerdings machte Spyker dabei den typischesten aller Anfängerfehler und kontrollierte im Vorfeld nicht, was genau man alles erworben hatte. Im Endeffekt fuhr man mit im Grunde zwei Jahre alten Chassis von Jordan, die von Midland nur milde überarbeitet worden waren und von Spyker die letzte Ölung erhielten, gnadenlos hinterher und zog nach nur einem Jahr den Stöpsel, um nicht unnötig viel Geld zu verbrennen. Dennoch hatte dieses eine Jahr bereits eine positive Werbewirkung für den kleinen Hersteller gebracht.

Seit kurzer Zeit läuft das zweite Modell von Spyker im intensiven Test. Mit dem C8 Aileron wird das Modellprogramm nach oben erweitert. Der Wagen erhält einen längeren Radstand gegenüber den bekannten Spyder- und Laviolette-Modellen, wird jedoch weiterhin vom 4,2 Liter V8 angetrieben. Aufgrund des gesteigerten Platzes kann nun auch die für den US-Markt so wichtige Automatikversion ins Programm genommen werden. Das Design orientiert sich nun am Düsenjetzeitalter und nicht mehr an Propellermaschinen.

Die ersten Coupés werden bald ausgeliefert. Bis der erste Kunde seinen Aileron Spyder in Empfang nehmen kann, wird jedoch noch ein wenig Zeit vergehen. Die erste Studie dazu stand letztes Jahr in Pebble Beach und wurde Anfang 2010 auf dem Genfer Autosalon erstmals in Europa gezeigt.

Da sowohl Chassis als auch Karosserie, die auch beim C8 Aileron weiterhin aus Aluminium gefertigt werden, bei CPP in Großbritannien entstehen, wurde die Produktion des Aileron nach Coventruy verlegt. Damit spart man sich den teuren Transport in die Niederlande und kann das Geld stattdessen in gezielt in die Entwicklung stecken.

Auch die Zukunft der Marke wird spannend. Nicht nur die Tatsache, dass man mit Saab ein Traditionsunternehmen aufkaufen konnte ist ein Faktor, der für Schlagzeilen sorgte, man wird auch das Modellprogramm noch weiter aufstocken.

Den Anfang macht in Kürze der D8 Peking-to-Paris. Dieses Fahrzeug ist ein SSUV, ein Super Sports Utility Vehicle. Zumindest nennt Spyker ihn so, allerdings auch nur, weil dieser Wagen in keine Kategorie wirklich reinpassen mag. Ein Geländewagen ist er trotz seiner Höhe nicht, dafür ist zu straßenlastig ausgelegt. Ein viertüriger Gran Turismo wie zum Beispiel der Aston Martin Rapide ist er auch nicht, dazu ist er zu hoch und eine sportliche Limousine ist er streng genommen auch nicht. Er ist halt ein Spyker. Der D8 verfügt zwar über bereits von Rolls-Royce bekannte, gegenläufig öffnende Türen, der eigentliche Clou wird jedoch erst sichtbar, wenn diese offenstehen: Die B-Säule endet auf Höhe der Fensterunterkante. Das Dach wird durch mittig im Fahrzeug angeordnete Säulen im Stile des Eiffelturms gehalten. Der Motor des Spyker D8 Peking-to-Paris stammt erstmals nicht mehr von Audi, wer neuer Lieferant wird, haben die Niederländer bislang jedoch nicht bekanntgegeben. Es bleibt allerdings bei einem V8 und man munkelt von rund 580 PS.

Ebenfalls auf den Markt kommen wird der bereits 2007 erstmals gezeigte C12 Zagato. Der Wagen war eigentlich als Verbindungsstück zwischen dem Formel 1-Engagement und der Serienproduktion gedacht, wurde jedoch nach dem kurzfristigen Ausstieg aus der Königsklasse des Motorsports erst einmal hintenangestellt. Auf Basis des Aileron mit seinem längeren Radstand gegenüber dem C8 Laviolette sollen nun jedoch exakt 24 Zagatos entstehen und exklusiv an Kunden gehen, die bereits einen Spyker in der Garage stehen haben.

Für die weitere Zukunft gibt es Überlegungen zu einem „E8“, der sich im Segment der sportlichen, viertürigen Gran Turismos niederlassen könnte.

Quelle: Spyker

Autor: Matthias Kierse