Mal was völlig Neues im CPzine: Ein Fahrbericht. Und dann gleich ein solches Geschoss. 507 PS, 7 Vorwärtsgänge und unter Volllast ein Geschrei, dass die Vögel verängstigt in ihre Nester kriechen. Ja, hier kommt der böseste aller Geckos und er will Asphalt, viel Asphalt. Der Wiesmann Roadster MF5 wird dank Limitierung eine rare Erscheinung im Straßenbild bleiben. Schade eigentlich, solche Geckos lässt man gerne von der Leine.

Wiesmann Roadster MF5

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Es hätte ein so schöner Tag werden können, aber er wurde noch besser als erwartet. Gutes Wetter, ein hervorragendes Frühstück und eine freie Autobahn auf dem Weg nach Dülmen. Was man in Dülmen will? Fragen Sie das ernsthaft? OK, Sie waren offenbar noch nie dort. In dieser westfälischen Kleinstadt im Münsterland entstehen Sportfahrzeuge in Reinkultur. Sie tragen einen Gecko als Markenzeichen, werden von ihren Fans jedoch liebevoll als „Wiesel“ bezeichnet. Das liegt zum einen an der Fähigkeit, um die Kurven zu „wieseln“, zum anderen ist es auch eine freundliche Verniedlichung des Markennamens: Es handelt sich um Wiesmann.

Hier also sollte die heutige Reise hingehen. Eigentlich nur, um mal wieder „Guten Tag“ zu sagen und ein paar der schönen Fahrzeuge in Augenschein zu nehmen, läuft doch seit kurzem erst die Produktion des neuen MF4-S GT. Es folgte jedoch ein Gesprächsverlauf, der so nicht vorhersehbar war und plötzlich fand sich der Schlüssel zu einer der rarsten Wiesmann-Züchtungen in der Hand und ein breites Grinsen im Gesicht.

Betrachten wir den Kleinen einmal von außen. Dicke Backen und eine Farbkombination, die wohl nur die wenigsten Betrachter auf Anhieb gut finden. Weißer Lack von Ferrari, kombiniert mit rot lackierten Felgen und ebenso rotem Interieur. Muss man mögen, aber Wiesmann baut auf Wunsch ja bekanntlich Autos in jeder denkbaren Lackierung, somit muss man seinen Wagen ja nicht in dieser Kombination bestellen. Was haben wir hier genau vor uns? Eingeweihte werden es bereits erahnen, es ist das derzeitige Topmodell, der limitierte Wiesmann Roadster MF5.

Ursprünglich sollten 55 Exemplare dieses offenen Sportwagens entstehen, mittlerweile steht fest, dass es lediglich 40 werden. Grund dafür ist nicht das mangelnde Interesse der Käufer, sondern die drohende Euro5-Abgasnorm-Schwelle für 2011, die dem wunderbaren Motor das Leben aushaucht.

Stellen wir uns die Frage: Brauchen wir so ein Auto? Aus rein rationellen Gründen definitiv nicht. Ein Cabrio kann man eh maximal an rund 100 Tagen im Jahr nutzen – zumindest wenn man in unseren Breitengraden wohnt – und einen solchen Sportwagen halten viele Menschen eh für furchtbar überflüssig. Aber pardon, haben solche Menschen eigentlich jemals in ihrem Leben in einem solchen Wagen gesessen und den Windzug im Haar an einem schönen Sommertag genossen? Ich wage doch hart daran zu zweifeln. Und eins ist klar: Hätten diese Menschen eine solche Fahrt mitgemacht, würden wenigstens 90% von ihnen sagen „Wir brauchen so ein Auto! Jetzt! Sofort!“ – und dem kann man nur zustimmen.

Daher kurz zu den praktischen Dingen des Wiesmann MF5 Roadster: „Hatta‘ Kofferraum?“ – „Hatta‘!“ Gut, geklärt, weitermachen.

Im, beim Testwagen sehr roten, Innenraum findet sich zusätzlich die Möglichkeit, einige Kleinigkeiten in Kartentaschen am Mitteltunnel und in einem Fach auf selbigem zu verstauen. Die Rundinstrumente sind allesamt mittig verteilt und in Richtung des Fahrers ausgerichtet. Hinterm Lenkrad sitzt einzig und allein ein kleines Display, auf dem der Gang und einige Informationen eingeblendet werden.

Was genau da unter der Haube rumort, haben wir uns natürlich auch angesehen. Wobei man streng genommen nicht wirklich viel davon sieht, was da den Gecko vorwärts zieht, schiebt und drückt.

Es handelt sich um einen 5 Liter großen V10-Motor, den Kenner aus dem gerade eingestellten BMW M5 und dem M6 kennen dürften. Wie dort leistet er auch hier 373 kW/507 PS und schiebt 520 Newtonmeter Drehmoment ins sequenzielle Siebengang-Getriebe. Geschaltet wird über Wippen hinterm Lenkrad, die sich beim Lenken mitdrehen.

Um bei aller Kraft die Verzögerung nicht aus dem Blick zu verlieren, sitzen hinter den 20 Zoll großen Leichtmetallrädern riesige Bremsscheiben und sorgen für beste Verzögerungswerte.

Während wir den weiß-roten Testwagen nochmal und nochmal umrundeten und uns versuchten, an seinen Rundungen satt zu sehen (unmöglich) oder Unförmigkeiten aufzudecken (ebenfalls unmöglich), schlich sich von hinten ein Geschwisterfahrzeug heran, um mal genauer zu schauen, was wir dort machten. Gegenüber dem Testwagen war die Farbwahl ein wenig gefälliger. Rote Lackierung mit schwarzen Felgen und einem ebenso aufeinander abgestimmten Interieur – nicht weniger auffällig, aber doch einfach anders.

Nachdem das Geschwisterchen sich auf den Weg Richtung sonniger Landstraße machte, umrundeten auch wir ein letztes Mal den Wagen, stellten zufrieden fest, dass man optisch die Familienzugehörigkeit zu weiteren Wiesmann-Fahrzeugen einwandfrei sehen kann und setzten uns dann ebenfalls mit dem Kleinen in Bewegung.

Wiesmann verspricht 3,9 Sekunden aus dem Stand auf 100 km/h. Wir hatten kein Mess-Equipment mit, aber subjektiv stimmen wir absolut zu. Langsam ist der Roadster MF5 auf keinen Fall, speziell nicht, wenn man die Sport-Taste gedrückt hat. Ohne diesen Druck bringt der Wagen „nur“ 400 PS auf den Asphalt. Nicht wenig, aber wie bereits oben erwähnt, ist der V10-Hochdrehzahlmotor in der Lage, maximal 507 PS Gewehr bei Fuß antreten zu lassen. Und wehe, wenn sie losgelassen…

Die Höchstgeschwindigkeit von 310 km/h konnten wir aufgrund des kleinen Zeitfensters und des vorhandenen Verkehrs nicht ausfahren, aufgrund des wahnsinnigen Antritts kommen jedoch auch keine Zweifel an der Machbarkeit auf. Der Roadster MF5 hängt gierig am Gas und möchte am Liebsten alles vor sich fressen. Egal, ob Asphalt, Motorrad oder alte Dame mit Rollator. Da hat man durchaus alle Hände voll zu tun, um den Gecko ein wenig zurückzuhalten und das Abendessen beim Asphaltband zu belassen.

Da viele Leser vermutlich noch nie einen Wiesmann gefahren haben, sollte man noch ein paar Worte zum Fahrverhalten verlieren. Dieses hat mit normalen Familien-PKW nicht nur leistungsmäßig und beim reinen Vortrieb nichts zu tun, auch die Agilität und der Wille, jede Kurve auf der imaginären Ideallinie zu erobern und zu durchqueren, sind es, die einen Wiesmann auszeichnen. Um es direkt zu sagen: Das Fahrverhalten ist wie bei einem gut abgestimmten Go-Kart – nur viel, viel schneller.

Unter bestimmten Umständen lassen sich leichte Lastwechsel verursachen, die sich auf abgesperrten Strecken sicherlich bis zu Drifts fortführen ließen. Da wir uns jedoch im normalen Straßenverkehr bewegt haben, haben wir es dabei belassen. Mehr Fahrspaß hatten wir zumindest bislang selten. Dazu kommt eine gehörige Portion „Wiesel-Furz“. Nein, das ist nichts Unanständiges. So bezeichnen die Fans das, was beim Gecko hinten rauskommt. Und da kommt einiges, immerhin dreht der V10 bis zu 7.750 Umdrehungen in der Minute. Bei flotter Fahrt kommt man des Öfteren in diesen Bereich und meint, die Engel singen zu hören. Diese Geräusche schafft einfach nur ein 10 Zylinder, der hoch und frei drehen darf.

Beim runterschalten des sequenziellen Getriebes kommen Zwischengasstöße dazu, die süchtig machen. Lassen Sie bloß keinen Tunnel des Wegs kommen, er könnte unter der hochfrequenten Tonlage und den Gasstößen beim geradezu provozierten Runterschalten hinter Ihnen einstürzen. Zumindest dürften sich Risse in den Kacheln bilden. Wahnsinn.

Viel zu schnell war die Fahrt wieder zu Ende und mit einem erhöhten Widerwillen musste der Schlüssel zu diesem Traum auf vier Rädern wieder abgegeben werden. Tschüß Wiesel, wir sehen uns hoffentlich wieder.

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Fotografen: Michael Müller (4 Bilder), Matthias Kierse (18 Bilder)

Autor: Matthias Kierse