Viele Kleinserienfahrzeuge entstehen in edlen Manufakturen, aber wenn der Hersteller selbst von einem „Atelier“ spricht, darf man durchaus etwas erwarten, oder nicht? Horacio Pagani ist ein solcher Mensch, der seine Supersportwagen in einem Atelier anrichtet. Und das mit viel Sinn für Kunst und einer gehörigen Portion Leidenschaft. Dass dabei auch noch deutsche Hochleistungsmotoren von AMG zum Einsatz kommen, rundet die Kunstwerke gekonnt ab.

Pagani Atelier

Bild 2 von 25

Ich war ja schon Gast in so einigen Automobilwerken und auch schon in so mancher Klein- und Kleinstserien-Manufaktur, doch was mich bei Pagani in einem Vorort des italienischen Städtchens Modena erwartete, stellte die bisherigen Eindrücke in den Schatten. Hier entstehen wahrlich Fahrzeuge „con arte e passione“. Ich möchte ergänzen: „e con amore“.

Von außen glaubt man an vieles. Es könnte eine Produktion von Schuhen sein, eventuell auch ein Zulieferer von Gummibändern für die Marmeladen-Einkoch-Industrie. Dass hier jedoch Supersportwagen der Extraklasse entstehen, wissen nur eingefleischte Autofans.

Hier also ließ sich der argetinische Bäckersohn Horacio Pagani nieder, um Automobile zu bauen. Damit hatte in seiner Heimat wohl niemand gerechnet, als Horacio als kleiner Junge aus Teigklumpen erste Sportwagenmodelle bastelte. Die heutigen Ergebnisse haben mit diesen Teigklumpen jedoch nur noch den Erfinder gemeinsam, die Formen haben sich deutlich verändert – zum Guten.

Unter dem Namen eines argentinischen Föhnwindes entsteht hier ein besonderes Fahrzeug in Handarbeit, der Pagani Zonda. Seit 1999 sind bereits 115 Autos an glückliche Kunden gegangen, die sich weltweit befinden. Selbst in den USA, wo der Zonda nicht zulassungsfähig ist, befinden sich einige wenige Exemplare.

Das Chassis und die Karosserie der verschiedenen Zonda-Ausführungen, die bisher entstanden sind, werden aus Kohlefasermatten hergestellt. Dieser Hochleistungswerkstoff ist ein Abfallprodukt der amerikanischen Weltraumprogramme und seit vielen Jahren aus der Formel 1 bekannt. Wer noch nie solch eine Kohlefasermatte im Rohzustand in der Hand hatte wird nie glauben, dass aus diesem weichen und dehnbaren Werkstoff derart harte und widerstandsfähige Komponenten gemacht werden können.

Dies ist nur mit Hilfe von so genannten Autoklaven möglich. In diesen großen Öfen werden mittels Hitze und einem Vakuum die Luft und letzte Flüssigkeitsreserven aus dem Werkstoff gepresst und dieser dadurch wahnsinnig fest und stabil.

Im Anschluss an den Backvorgang werden die Kanten der Teile nachbearbeitet. Je nach Bestellung des Kunden werden diese anschließend mit Klarlack überzogen oder in Wunschfarbe lackiert. Dieser Vorgang findet aus Platzgründen jedoch nicht innerhalb des Pagani Ateliers statt.

Ja, richtig gelesen, ein Atelier. Horacio Pagani sieht sich selbst nicht als Hersteller sondern als Künstler. Jedes von ihm gebaute Fahrzeug ist auch wahrlich ein Kunstwerk, das genausogut in einem Museum für moderne Kunst stehen könnte, wie in einer klimatisierten Sammlergarage.

Wenn alle Teile fertig gebacken und lackiert sind, erreichen sie den Raum, in dem alles zusammengesetzt wird. Hier wird aus dem großen Puzzle langsam ein Sportwagen.

Ein wichtiger Bestandteil dabei ist natürlich die Antriebseinheit. Viele Kleinserienhersteller würden hier einfach irgendwas aus der Großserie nehmen, eventuell noch ihren Namen auf die Kunststoffabdeckung überm Motorblock kleben und fertig wäre die Laube. Nicht so Pagani.

Zum Einen ist man der einzige Hersteller weltweit, der offiziell Motoren von AMG aus Affalterbach zugeliefert bekommt und zum Anderen würde man dem eigenen Motto unrecht tun, wenn man beim Motor nicht genau die selbe Liebe zum Detail aufwänden würde, wie bei allen anderen Details rund ums Auto.

Typisch für wahre Supersportwagen sitzt der V12 exakt in der Mitte des Fahrzeugs, zwischen den Achsen und hinter der Besatzung. Von anfangs knapp 500 PS hat sich die Leistungsausbeute bis heute auf rund 700 PS gesteigert, die in Form von blauem Rauch die riesigen Hinterräder bei (un)sachgemäßem Gebrauch des Gaspedals aufschnupfen. Dabei geben sie durch vier mittig angeordnete Auspuffendrohre den Takt der Herzfrequenz wieder, die beim Fahrer gerade anliegt. Wenn Sie auf betörenden Rennwagensound für die Straße stehen, sollten Sie vielleicht mal einen Zonda zur Probe anhören. Wer dann noch Bilder eines Pagani-Motorraums sieht, weiß, dass man die hässlichen Plastikabdeckungen bei anderen Herstellern eigentlich nicht hinnehmen sollte – es geht eben auch deutlich schöner.

Die Detail-Liebe endet dabei keinesfalls bei der Karosserie oder dem Motorraum. Das Interieur ist das perfekte Zusammenspiel aus Leder, Aluminium und Carbon. Wer hier eine schlecht sitzende Naht oder gar schief eingepasste Applikationen findet, darf dies Herrn Pagani direkt mitteilen, denn solche Unachtsamkeiten duldet er bei seinen Kunstwerken nicht. Dafür kontrolliert er auch immer wieder persönlich den Bauprozess und legt auch mal selbst mit Hand an.

Das Exterieur hat sich seit 1999 weiterentwickelt. Vom ursprünglichen Pagani Zonda C12 ist nur noch die Silhouette übrig. Auf die Grundversion folgten der C12 S, der C12 S 7.3 mit mehr Leistung, der S Roadster und schließlich der F, dessen namensgebender Buchstabe für den berühmten argentinischen Formel 1-Rennfahrer Juan Manuel Fangio steht. Auch von diesem Auto erschien schließlich ein Roadster und seit kurzer Zeit entstehen einige limitierte Sonderversionen und Unikate für besondere Kunden, bevor Ende diesen Jahres der Nachfolger präsentiert wird.

Nebenbei wurde eine nicht-straßenzugelassene Rennversion ohne Homologation für Rennserien aufgelegt, der Zonda R. Dieses Fahrzeug hat mit dem Straßen-Zonda jedoch lediglich den Namen und die Platzierung des Motors gemeinsam. Ansonsten handelt es sich um ein vollkommen neues Auto für Kunden, die gerne auf privat angemieteten Rennstrecken richtig Gas geben möchten.

Wie es sich für einen guten Künstler gehört, hat Horacio Pagani auf vielen seiner Autos seine persönliche Signatur verewigt, speziell auf den R-Modellen.

Ich vermute mal, dass ich den Großteil der männlichen Leser mit den bisherigen Bildern bereits mehr als davon überzeugt habe, dass ein Pagani Zonda durchaus erstrebenswert ist (sofern man die Formen mag).

Ich könnte mir jedoch durchaus vorstellen, dass der Großteil der Frauenwelt mit dieser Art Auto nichts anzufangen weiß und sie für unpraktisch hält. Nun denn, werte Damen, dann werfen Sie doch einmal einen Blick auf das folgende Bild. Für die beiden kleinen Kofferraumbehälter links und rechts am Motorraum gibt es handgenähte Lederkoffer inklusive eingeprägtem Pagani-Logo. Vielleicht lässt Ihr Mann Sie ja mit diesen Koffern auf Reisen gehen?

Quelle: Pagani (15 Bilder), Matthias Kierse (10 Bilder)

Autor: Matthias Kierse