Was CPzine-Berichte so alles auslösen können… Kaum war unsere Hommage zum 20sten Geburtstag des Lotus Omega online, meldete sich ein Mitglied des Carpassion.com-Forums und fragte, ob ein Erlebnisbericht aus erster Hand interessant sei. Was für eine Frage! Der betreffende Lotus Omega zählt zwar nicht mehr zum Fuhrpark des Schreibers, aber man kann durchaus aus dem Text herauslesen, dass er den Wagen vermisst. Viel Spaß beim lesen!

Lotus Omega

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Dieser Anblick sorgte Anfang der 90er für lange Gesichter bei Sportwagenfahrern: Der Lotus Omega wird 20 Jahre alt.

Wie gerne erinnere ich mich noch an den Tag zurück, an welchem dieses Geschoss Einzug in meinen Fuhrpark hielt. Es war ein Schmuckstück, Baunummer 264, keine 60.000 km gelaufen, top gepflegt, alle Service vom autorisierten Händler gemacht, nie im Winter gefahren, weder Beulen noch Kratzer oder Rost. Sogar ein leichtes Tuning war drauf: Ein „Profi“ aus der Schweiz soll sich darum gekümmert haben, dass zu den serienmäßigen 360 PS der Schweiz-Version noch ein paar zusätzliche Pferde galoppieren würden.

Das erste Mal in diesem Fahrzeug unterwegs und schnelle Fahrzeuge sehr wohl gewohnt, konnte ich mir noch keinen großen Reim darauf machen, wie schnell er denn mit dem „Tuning“ beschleunigen sollte. Und so entschied ich mich trotz den etwas „mäßigen“ Fahrleistungen zum Kauf. Es sollte der Beginn einer außergewöhnlichen Freundschaft werden.

…und dann kam der böse Audi…

Die erste gemäßigte Fahrt ging zum Karosseriespengler, der das Fahrzeug auf Hochglanz polierte, die serienmäßigen 17-Zoll-Leichtmetallfelgen mit einem in Wagenfarbe lackierten Stern versah und das Felgenbett polierte, Distanzscheiben vorne und hinten anschraubte, die hässlichen Schriftzüge am Heck entfernte und sowohl auf der Motorhaube als auch am Heck je ein Lotus-Emblem montierte. Als ich das Auto abholte, hatte ich beinahe Tränen in den Augen. Der Lotus Omega war nun ein absoluter Traum und das „Empire Green“ strahlte in seiner Mischung von blau, grün und schwarz.

Voller Stolz fuhr ich gemächlich nach Hause, den tiefen Bass der Auspuffanlage in meinem Ohr. Irgendwann kam ein Audi RS4 Biturbo von hinten, welcher mich von der linken Spur scheuchen wollte. Nun denn, ich wollte mal nicht so sein und räumte die Spur, nicht ohne jedoch ein paar Gänge zurückzuschalten. Als der Audi auf Augenhöhe war gab ich Gas. Den Geschwindigkeitsüberschuss holte ich dank des Drehmoments schnell auf, allerdings konnte ich nicht davonziehen wie gedacht. Trotzdem erntete ich einen erhobenen Daumen.

Das konnte ich nicht so stehen lassen, schließlich dürfte ein RS4 im Originalzustand für einen Lotus Omega definitiv kein Problem darstellen, beschleunigte doch die Serienvariante im Test der Automobil-Revue mit ihren 360 PS in 16,9 Sekunden auf 200 km/h. Nach einer schlaflosen Nacht mit wilden Gedanken darüber, ob der Kauf eventuell doch nicht so gut war, entschied ich mich für die Spurensuche nach den verlorenen Pferdestärken. Ein paar Telefonate mit Ueli Hodel von Sportec später, sagte er mir zu, dass ich den Lotus vorbei bringen dürfe und er sich darum kümmern werde. Mein Tag war gerettet!

Leistung wie im Supersportler

Der erste Prüfstandslauf brachte dann die ernüchternde Wahrheit an den Tag: Von den werkseitig versprochenen 360 PS waren nach dem „Spezialistentuning“ gerade mal knapp 330 übrig. „Kein Wunder“, dachte ich nur, etwas wehmütig an den RS4 zurückdenkend. Nun denn, Sportec legte los und einige Zeit später kam dann der erlösende Anruf aus Höri, dass da etwas abzuholen sei. Es dauerte ein bisschen länger, da man noch auf einige Teile aus England warten musste. Schließlich sieht der Lotus nur aus wie ein Opel, unter dem Blech ist er eine andere Welt. Nun denn, ich fuhr mit dem Zug nach Höri und da stand er: Immer noch blitzblank, mit einem grummelnden, böse klingenden Motor und wartete darauf, mir zu zeigen, was in ihm steckte.

Folgende Arbeiten wurden in Bezug auf die Leistung ausgeführt: Optimierung der Motorelektronik mit entfernen der Ladedrucklimitierung im ersten Gang, entfernen der Vorkats und kleine Modifikationen des Auspuffs, sowie eine Änderung des Ansaugsystems. Damit die Fuhre auch der Leistung entsprechend wieder zum Stehen kommt, kamen noch AP-Bremsen zum Einsatz. Auf meine Frage hin, ob er nun laufen würde, meinte Herr Hodel nur: „Ja ja, nicht schlecht!“ Der Prüfstand lieferte ein Ergebnis von 426 PS und 680 Nm bei 3400 U/min. An sich ganz ordentlich für einen 1,6-Tonner. Gemessen wurde bei 26° C, da sollte also schon etwas Vorwärtsdrang spürbar sein.

Nun, was das hieß zeigte mir die Autobahneinfahrt in Höri. Nach dem Kreisel ein Links- und ein Rechtsknick, dann eine (zu) kurze Beschleunigungsstrecke mit Mauer und eine zweispurige Autobahn. In der Rechtskurve gab ich im zweiten Gang Gas. Sofort kam das Heck und ich hatte alle Hände voll zu tun, um den Wagen wieder einzufangen! Ich wusste, dass die 265er-Pneus nicht mehr die Besten waren, aber dass der Omega bei nur rund 60 km/h so extrem ausscherte war doch mehr als nur überraschend! Runter vom Gas wollte ich nicht mehr, dafür war die Beschleunigungsorgie zu geil, also ließ ich stehen und schoss mit durchdrehenden Reifen – einen bläulichen Rauch aus den hinteren Radkästen hinter mir herziehend – vor einem Lastwagen auf die Autobahn. Dritter Gang, das selbe Spiel. Also runter vom Gas, nächste Ausfahrt raus, retour zu Sportec und Ueli gefragt, was er mit dem Auto angestellt hätte? Sein Grinsen war mir Antwort genug. Unglaublich wie das Gerät marschierte! 3,6 Liter Hubraum, 2 Turbolader, 1.600 kg Gewicht – und Leistungsexplosionen wie beim Ferrari F40!

Ich suche Gegner, keine Opfer…

Der nächste Gang führte zum Reifenhändler, wo rundum neue Kumho-Reifen montiert wurden. Danach gab es noch eine kleine Anpassung des Auspuffendstücks. Damit entsprach der Lotus Omega meinen Vorstellungen: Nicht zu bieder, trotzdem keine Krawallkiste – aber sauschnell! Nur zu gerne erinnere ich mich an diverse Begegnungen auf den Straßen oder an Tankstellen im In- und Ausland. Der Omega war immer für eine Überraschung gut. Einmal war ich an einer Tankstelle und ging nach dem Bezahlen wieder auf mein Auto zu, als ein junger Mann, soeben mit einer Elise und seiner Begleitung eingetroffen, an meinem Omega vorbei lief und ziemlich abschätzig meinte, dass mittlerweile sogar die Opelfahrer Lotuszeichen auf ihre Autos kleben würden. Nach einem kurzen Blick unter die Haube war der gute Mann bekehrt, sich vielleicht doch noch etwas mehr mit der Geschichte von Lotus auseinanderzusetzen.

Ein M5-E39-Fahrer biss sich mal die Zähne aus. Er versuchte alles, um den Lotus Omega kleinzukriegen, nichts half. Am Schluss war ich gemein und gab richtig Vollgas. Ich denke, der BMW-Fahrer hat sein Auto danach verkauft. Da war der Porsche 996 Turbo eines Bekannten, mit Werksleistungssteigerung (WLS) ausgestattet, schon eine härtere Nuss. Aber auch dieser kam nicht mit dem Drehmoment des Omegas klar und strich die Segel, wenn auch ziemlich knapp. In der reinen Beschleunigung dem Omega wahrscheinlich überlegen, war es alleine das Drehmoment mit dem Verlauf, welches das Duell zu seinen Ungunsten ausgehen ließ.

Bei einem Treffen innerhalb des Forums bei Dani Schmid hatte ich zudem die Ehre, den Lamborghini Diablo SV eines Users vor mir herzuschieben. Mehr Freude an den Fahrleistungen des Omega hatten allerdings einige Forenmitglieder, die den Omega auf dem Beifahrersitz erleben durften. Sportwagen mit Saugmotoren, welche ihre Leistung erst bei hohen Drehzahlen erreichen, waren überdies nie Gegner. Bis diese ihre Leistung bereitstellten, war der Lotus Omega bereits über alle Berge. Ein guter Bekannter sprach eine Woche lang nicht mehr mit mir, nachdem ich mir die Frechheit rausgenommen hatte, ihm in seinem Ferrari 355 F1 innerhalb von wenigen Sekunden mehrere Wagenlängen abzunehmen. Der geplante abendliche Ausgang war gestrichen.

Wie bringe ich einen Mechaniker zum schwitzen?

Was den Omega so unglaublich schnell in den Zwischenspurts machte, war die Charakteristik der Turbolader, welche beim vollen Beschleunigen auf 1 bar (original 0,7 bar) hochschnellten und die Fuhre mit brachialer Gewalt nach vorne rissen. Normalerweise hat Lotus den Ladedruck im, bis 90 km/h reichenden, ersten Gang zugunsten einer besseren Traktion limitiert. Bei meinem Exemplar war diese Limitierung jedoch, wie oben erwähnt, entfernt worden. Es war somit jederzeit möglich, lange schwarze Balken auf den Asphalt zu malen. Saugefährlich war es vorallem bei Nässe. 100 km/h und etwas zu viel Gas ergaben durchdrehende Räder. Keine elektronischen Helferlein, welche die Leistung drosselten. Alles lag in den Händen und Füssen des Fahrers.

Als ich dann eines Tages einen Einbruch der Leistung bemerkte, fuhr ich zu meinem Mechaniker des Vertrauens, welcher eine defekte Zylinderkopfdichtung diagnostizierte. Nun denn, das Auto war rund 15 Jahre alt und bei dieser Leistungseskalation war es fast ein Wunder, dass sämtliche Dichtungen und Schläuche den enormen Drücken so lange standgehalten hatten. Nach der Reparatur inklusive Motoraus- und -einbau für 8.000 Fränkli ging ich zusammen mit dem Mechaniker auf die Probefahrt. Er hatte da eine kleine aber feine „Hausrunde“, welche auch ein Stück schnurgerader Steigung beinhaltete. Bis dato hatte er noch nie einen Lotus Omega bewegt und war entsprechend gespannt auf die Fahrleistungen. Auf der Bergaufpassage gab er bei circa 80 km/h im zweiten Gang Vollgas. Die Limousine ging hinten sofort in die Knie und die Pneus hatten den Kampf gegen die Urgewalt des Motors in Sekundenbruchteilen verloren. Wie wild suchten die (diesmal neuen!) Kumhos nach Haftung – es war aussichtslos! Das Resultat dieser Probefahrt waren zwei schwarze Striche in einer Länge, die ihresgleichen suchten! Von diesem Tag an hatte der Omega den Übernamen „Omega mit Stufe bw“, wobei das „bw“ auf zürichdeutsch „bireweich“ bedeutet. Frei übersetzt: „krank“.

…wie Niki Lauda schon sagte…

Eines Tages hatte ich die Möglichkeit, den Wagen mittels GPS zu testen und ermittelte folgende zwei Werte, die denke ich alles sagen: Beschleunigung von 80 auf 120 km/h in 2,1 Sekunden. Elastizität im vierten Gang von 160 auf 220 km/h in 6,8 Sekunden.

In den paar Jahren, in denen ich den Lotus Omega besaß, war die oben angeführte Reparatur die einzige, ansonsten gab es nur normale Inspektionen. Er wurde immer schön warm gefahren, seine Turbos durften immer auskühlen, die schnellen Autobahnritte überstand er immer klaglos, er war mit mir in Spanien, Österreich, Italien, Frankreich und Deutschland unterwegs. Er war nie zickig, er war immer einer der Schnellsten und das Überraschungsmoment war immer auf unserer Seite. Er war ein Rauhbein, eine Limousine zwar, doch auch ein Macho. Er hielt aber immer, was er versprach. Er war ein richtiges Männerauto, wie geschaffen für Autofans wie mich. Nicht schlecht für ein vermeintliches Problemkind, oder?

Der Lotus Omega gehört meines Erachtens zu jenen Fahrzeugen, welche ein Mann zwingend zumindest mal bewegt haben muss! Deshalb schließe ich hier mit den Worten von Niki Lauda*: „Und ich Idi*t habe das Auto damals verkauft!“
(*Dieses Zitat stammt aus einem Interview und bezog sich auf den ihm geschenkten Ferrari 288 GTO, welcher kurz nach seinem Verkauf in astronomische Preissphären stieg.)

Autor und Fotograf: Thomas Schreiber