Vermutlich jeder hat sich schon einmal mit Chiptuning befasst. Versprochen wird einen Mercedes C 200 CDI mit 100kW/136 PS und 360 Nm für 300 Euro zu tunen. Da der Motor laut Tuner identisch mit dem 220 CDI mit 125kW/170 PS und 400 Nm ist, leistet er nach dem Chiptuning satte 161kW/220 PS und 500 Nm Drehmoment. Der Mercedes hält das Tuning von 100kW/136 PS auf 161kW/220 PS auch unter Einhaltung der Abgaswerte aus. Nur eben nicht lange. Denn die Manipulationen am Steuergerät stammen noch aus früherer Zeit. Da wurden japanische Motoren frisiert. Aber hier war der Kostendruck des Herstellers noch nicht so hoch und überdimensionierte Bauteile waren im Einsatz. Durch „Computer Aided Manufacturing“ wird inzwischen jeder Cent eingespart.

 

 

Wie wurden früher die Motoren gebaut?

Vor dem Jahr 1995 hatte jedes Auto noch seinen eigenen Motor. Es gab eine große Motorenpalette. Heutzutage ist man auf Gleichteile angewiesen, um Motoren kostengünstig herzustellen. Mercedes baut den Sechszylinder OM 656 (früher OM 642) mit 3 Liter Hubraum. Man könnte nun vermuten, dass alle Motoren mit drei Liter Hubraum von Mercedes in unterschiedlichen Leistungsstufen die gleichen Materialien verbaut haben. Bereits seit ungefähr 1993 baut man keine ganzen Motoren mehr, sondern Masterzylinder. Vier Zylinder ergeben als Beispiel Zweiliter und sechs Zylinder Dreiliter.

Für jeden Zylinder gibt es je nach Motorleistungen jedoch unterschiedlichen Ausführungen. UL steht für untere Leistung und der Kolben aus einer einfachen Aluminiumlegierung. Die Kurbelwelle ist einfach geschmiedet und verwendet werden Sinterpleuel. OL steht für obere Leistung und die Zylinderbahnen werden gehont. Die Pleuel geschmiedet und die Lager der Kurbelwelle sind Sputterlager. (Gleitlager vor allem für schwache Dieselmotoren) Lagerschalen herkömmlicher Bauart werden nicht bei Dieselmotoren mit hohen Lagerbelastungen eingesetzt. Hat der Motor auf einmal mehr Leistung und keine Sputterlager, sondern herkömmliche Lagerschalen, bedeutet dies, eine deutlich reduzierte Lebensdauer. Optisch gleich, nur zu unterscheiden durch das Wort Sputter auf der Lagerrückseite.

OL (obere Leistung) ist ein Basiszylinder mit knapp 48 PS pro Zylinder. TOP oder HL steht für Hochleistung und nachbehandelte Kurbelwelle, laserbearbeitete Zylinderlaufbahnen und weitere hochwertige Materialien. Die drei Motoren sind identisch, die Materialien jedoch völlig anders. Auf der Webseite von Mahle werden die unterschiedlichen Kolben (124,148 und Typserie 174) genau beschrieben. Kolben mit 0,6 % CU, 1,2 % CU (Motorenbuchstabe CJ oder CU) und weitere Modifikationen wie Magnetinjektoren oder Piezoinjektoren. Kolben für einen leistungsstarken Motor haben einen hohen Kupfer- und Chromanteil. Dieser sorgt für eine bessere Wärmeleitfähigkeit und Kolbenbodenkühlung. Das Kupfer leitet, das Chrom stabilisiert.

 

Die Gleichteilstrategie im Überblick

Chrom, Kupfer und Aluminium haben jedoch unterschiedliche Schmelzpunkte und günstige Kolben werden im Stempelgussverfahren (Ottokolben) hergestellt. Der Kupferanteil liegt unter ein Prozent, während der beste Kolben über zwei Prozent Kupferanteil hat und mehr als 6 Prozent Chromanteil. Der teure Kolben wird per Knetlegierung geschmiedet. Die Kolben sind mechanisch und optisch identisch, aber nicht vom Material. Und der Chiptuner setzt nun auf das Prinzip der Leistungsreduzierung durch das Werk. Die Drosselung des Steuergerätes wird aufgehoben. Der Motor ist jedoch für das höhere Drehmoment und die Leistung thermisch nicht ausgelegt. Der Chip-Tuner denkt sich, der Motor ist aufgrund der Teilenummern gleich. Dies ist jedoch ein grober Fehler. Denn durch die Lagerkosten wird oft nur der beste Kolben als Ersatzteil verkauft. Eingebaut ist jedoch ein günstiger Kolben mit unterer Leistung. (UL) Und die Ersatzteilpreise sind so hoch, dass es für das Werk egal ist, das man nur die beste Qualität verkauft. Der Kunde bezahlt sowieso einen sehr gut kalkulierten Endpreis. Das Werk denkt an die eigenen Lagerhaltungskosten. Ein Kolben der unteren Leistung kostet ca. 5 Euro weniger als ein Kolben der oberen Leistung. Bei einem Sechszylinder sind das 30 Euro Ersparnis. Und die Grundarchitektur des Motors hält die vom Werk freigegebene Leistung aus. Aber nicht die vom Chiptuning.

Der Hersteller drosselt oder erhöht keinen Motor wie beim 4.0 Liter AMG nur über die Software. Es liegt auch am Material und den Fertigungsschritten. Die Dimensionierung bleibt gleich. Und eine Gleichteilstrategie bedeutet nicht, dass die Teile gleich sind. Sondern oft nur im Gewicht und der Abmessung identisch. Jedoch nicht bei den thermischen Eigenschaften.

 

Fehlende Legierung heißt die Kolben zu stark auf

Durch die Gleichteilstrategie hat man niedrigere Lagerkosten, die gleichen Grundfertigungsschritte und kann die gleichen Werkzeuge nutzen. Und später beim Austausch in der Werkstatt gibt es keine Verwechslungsgefahr, da nur der beste Kolben im Austausch angeboten wird. Ein ge-chipter Motor hält nur dann länger, wenn die neue Leistung nicht abgefordert wird. Es kommt jedoch zu Gefüge-Veränderungen. Diese treten erst später auf. Diese Schäden werden später als Verschleißteile vom Tuner abgetan, wie der Turbolader. Mit dem vermutlichen Wissen, es seien alle Motoren laut Ersatzteilnummer gleich, wird argumentiert. Chiptuning ist durch die Gleichteilstrategie für den Motor schädlich. Und kein Tuner kann erkennen, welches Material ab Werk durch die Gleichteilstrategie verbaut ist. Der Kolben überhitzt schneller, da die Kolbentemperatur auf über 400 Grad steigen kann. Ist die thermische Kapazität erschöpft, wird der Kolben geschwächt. Das führt zu einem Motorschaden. Denn der Schmiedekolben mit einer Leistung von bis zu 130 kW/Liter fehlt, um den hohen Belastungen stand zu halten. Auch das feinere Gefüge des Kolbens, was für eine höhere Festigkeit sorgt. Chiptuning bedeutet deshalb ein nicht kalkulierbares Risiko.

Autor: Roger Taiber