Erdacht und entwickelt war er für die Rallye Weltmeisterschaft. Doch dafür waren 200 straßenzugelassene Ableger notwendig. So kam es, dass der Ford RS 200 seinen Weg von den schlammigen Waldpfaden in die gepflegten Showrooms der Händler schaffte. Aufgrund des kurz darauf folgenden Verbots der Gruppe B durch die Motorsportbehörden, an dem der RS 200 nicht unschuldig war, geriet die Straßenversion jedoch nicht zum Verkaufshit.

Ford RS 200

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Bei Rallyefans ist der Wagen mit Sicherheit bekannt, aber welcher unserer weiteren Leser hat bereits das Glück gehabt, einen Ford RS 200 live zu sehen? Die Chancen sind äußerst gering, immerhin gibt es in Deutschland nicht einmal 10 Exemplare. Also hilft wohl vorerst nur lesen, wenn man mehr über diesen Sportwagen der britischen Ford-Dependance erfahren möchte.

Die Geschichte beginnt Anfang der 1980er Jahre, als Audi gerade begann, in der Rallye Weltmeisterschaft mit dem allradgetriebenen quattro die bisherigen Maßstäbe auf den Kopf zu stellen. Kurz zuvor waren die Regeln für die Gruppe B in Kraft getreten, die den Autoherstellern deutlich mehr Spielraum zum entwickeln ihrer Spielzeuge für die staubigen Pisten ließen. Daneben sollte es eine Rundstreckenklasse mit gleichen Grundregeln geben, so dass auch Marken wie Porsche und Ferrari hellhörig wurden und mit 959 und 288 GTO Fahrzeuge in die Pipeline schoben, die sowohl auf als auch neben der Straße punkten sollten. Dass es dazu nicht mehr kam wird auch noch Teil dieser Story sein.

Ford hatte bereits damit begonnen auf Basis des Escort III den RS 1700T zu entwickeln, um damit an die Erfolge von „Hundeknochen-Escort“ und Escort Mk II in der Rallye Weltmeisterschaft anzuknüpfen. Als man nun mitansehen musste, dass Audi der versammelten Konkurrenz mit dem quattro auf der Nase herumtanzte, stampfte man das Projekt 1700T schleunigst in die Tonne und machte sich daran, die Gruppe B-Regeln genauestens zu lesen und auszuwerten. Heraus kam ein Fahrzeug, wie man es von Ford wohl kaum erwartet hätte. Der Name des Wagens gibt dabei bereits Auskunft über den Einsatzzweck: „RS“ steht bekanntlich für die sportlichsten Ford-Fahrzeuge, die nicht selten auch im Motorsport eingesetzt werden. Die „200“ steht für die notwendige Stückzahl, die man zur Homologation aufbauen musste. Ford bestellte insgesamt 240 Chassis, von denen jedoch (je nach Quelle) lediglich 140 bis 150 zu kompletten Fahrzeugen zusammengebaut wurden. Der Rest diente der Ersatzteilversorgung. Allerdings wurden nach Ende der Gruppe B-Ära einige Rohchassis verkauft, aus denen nachträglich Komplettfahrzeuge entstanden sind.

Der RS 200 ist ein zweisitziger Sportwagen mit Mittelmotor und permanentem Allradantrieb. Die Karosserie ist äußerst knapp geschnitten und folgt dabei streng der Funktion. Dabei griff das britische Ford-Werk, wo der Wagen entwickelt wurde, lediglich für die Windschutzscheibe und den Grundrahmen der Türen ins Regal und nahm Teile des Sierra Dreitürers. Der Gitterrohrrahmen und die Glasfaser-Kunststoff-Karosserie wurden speziell entwickelt und dann im Ford-Auftrag bei Reliant zusammengebaut. Bei späten RS 200 wurden die Sierra-Blechtüren auch gegen Kunststoffteile ausgetauscht, um weiteres Gewicht einzusparen. Im Innenraum der Straßenversion findet die Besatzung wahlweise schwarze oder rote Sparco-Sportschalensitze und ein Lederlenkrad aus dem Escort XR3i.

Unter der gewaltigen hinteren Haube des Ford RS 200 arbeitet ein 1,8 Liter großer Vierzylinder, der von einem Garrett-Turbolader unter Druck gesetzt wird. Der Block geht auf den verworfenen Escort RS 1700T zurück, wurde jedoch gezielt verbessert und weiterentwickelt. In der Straßenversion leistet er 176 kW/236 PS, was bei nur rund 1.050 Kilogramm Leergewicht bereits für ordentliche Fahrwerte ausreicht. Die Rallyeversion bekam mehr Ladedruck, wodurch die Leistung auf anfangs 279 kW/374 PS kletterte. Da die Gruppe B jedoch riesige Freiräume bot, stiegen die Motorleistungen bei der Konkurrenz eher in 50er als in 10er PS-Schritten, was Ford dazu veranlasste, eine Evolutions-Stufe des RS 200 nachzuschieben. Dazu wurde der Motor zu Brian Hart – bekannter Rennmotorenbauer – zur Leistungskur geschickt, die er mit 2,1 Liter Hubraum und rund 485 kW/650 PS wieder verließ. Allerdings kam dieses Monster nicht mehr im internationalen Rallyesport zum Einsatz, sondern nur noch in einigen Rallyecross-Fahrzeugen.

Der Grund hierfür war durchaus das Leistungswettrüsten der Hersteller, aber auch die Unvernunft von Zuschauern und Veranstaltern. Die turbopfeifenden und feuerspuckenden Gruppe B-Monster vom Schlage Audi Sport quattro S1, Peugeot 205 T16 Evo 2 oder Lancia Delta S4 lockten die Fans in solch großen Heerscharen an die verschneiten, schlammigen oder geschotterten Pisten in aller Welt, dass die Streckenposten oftmals nicht mehr Herr der Lage waren. Wer sich heute Onboard-Videos aus dieser Zeit anschaut, wird kaum verstehen, wie die Rallyefahrer es damals auf sich nehmen konnten, durch einen Wald von Zuschauern auf Bestzeit zu fahren. Walter Röhrl hat einmal formuliert, dass er es aus heutiger Sicht auch nicht mehr wiederholen würde, aber damals die Menschen am Straßenrand quasi „ausgeblendet“ habe.

Dass es unter diesen Bedingungen früher oder später einmal zum „großen Knall“ kommen musste, war keine Frage des „ob“, sondern des „wann“. 1986, eineinhalb Jahre nach dem Debüt des Ford RS 200 auf der Rallyepiste, kam Joaquím Santos mit seinem RS 200 bei seiner Heimrallye in Portugal mit hoher Geschwindigkeit von der Strecke ab, wobei er drei Zuschauer tötete und weitere 33 zum Teil schwer verletzte. Nur wenige Wochen später kam der heute als Formel 1-Kommentator bekannte Schweizer Marc Surer bei der Hessen-Rallye von der Straße ab – ebenfalls am Steuer eines RS 200. Zum Glück fand der Unfall an einer menschenleeren Stelle statt, doch beim Aufprall auf einen Baum am Straßenrand riss der Tank auf und der Wagen stand binnen Millisekunden in Brand. Surer konnte sich retten, aber für seien Beifahrer Michel Wyder kam jede Hilfe zu spät. Als schließlich auch noch Henri Toivonen und sein Beifahrer Sergio Cresto bei der Korsika Rallye in ihrem Lancia Delta S4 ums Leben kamen, zog der Motorsportweltverband FIA zum Ende der Saison 1986 den Stöpsel aus dem Gruppe B-Becken. Aus Sicht der Sicherheit der richtige Schritt, aber seit dieser Zeit gab es nie wieder derartig herrlich-verrückte Fahrzeuge auf der Motorsportbühne, von denen es per Reglement Ableger für Jedermann geben musste.

Der Ford RS 200 hat sich, ähnlich wie die Straßenversionen der meisten Gruppe B-Konkurrenten, zu einem guten Investment entwickelt. Gute Exemplare mit dokumentierter Historie werden heute rund um 150.000,- € gehandelt. Für Werks-Rallyeautos darf man mindestens das Doppelte einplanen. Übrigens gab es das Fahrzeug ab Werk sowohl als Links- als auch als Rechtslenker und nur in den Farben Weiß oder Blau. Einige Wagen wurden jedoch später umlackiert. Letzte Ableger des Ford RS 200 Evo kann man ab und an noch bei Bergrennen wie dem Pikes Peak in den USA oder bei ausgewählten Rallyecross-Veranstaltungen in Aktion erleben, wobei diese Autos dafür strenggenommen mittlerweile viel zu schade sind.

Quelle: Ford

Autor: Matthias Kierse