Erstmals außerhalb der Mauern des Werkes in Woking und dann gleich in Deutschland – Die Presse-Präsentation des McLaren MP4-12C fand am Donnerstag in Düsseldorf statt. Der 600 PS starke Supersportwagen geht ab jetzt in den Verkauf und wird ab dem zweiten Quartal 2011 ausgeliefert, unter Anderem in der Stadt am Rhein, aber auch bei 34 weiteren Händlern rund um den Globus. Bereits 2500 Interessenten weltweit sind bereit, keine Kompromisse einzugehen.

McLaren MP4-12C

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Der Markt für Sportwagen ist bereits jetzt groß und unübersichtlich – ist da wirklich noch Platz für einen weiteren Mitbewerber? Nach der gestrigen Präsentation sagen wir: Definitiv ja!

Der Hersteller des neuen Mitglieds im 600 PS-Club hatte in ein schönes altes Industriegebäude eingeladen. Ein hervorragender Ort für ein solches Auto, immerhin lenkt die Kulisse somit wenig vom eigentlichen Hauptdarsteller ab.

In diesem Fall handelte es sich um einen bekannten britischen Formel 1-Rennstall, der bereits in den 90ern einen Supersportwagen im Programm hatte. Richtig, McLaren ist zurück. Nach dem legendären F1 und der Zusammenarbeit mit Mercedes-Benz beim SLR ist dies bereits das dritte Straßenfahrzeug des erfolgreichen Rennteams.

Erste Bilder gibt es bereits seit einiger Zeit und einige Kunden haben auch schon die Chance wahrgenommen, am Firmensitz in Woking nahe London einen ersten Blick auf den neuen MP4-12C zu werfen. Nun stand das Fahrzeug erstmals außerhalb der Firmenmauern auf einer Präsentation.

Das Design ist gefällig, aber dennoch unzweifelhaft sportlich und macht damit auf Anhieb den Anspruch von McLaren bei diesem Fahrzeug klar: Keine Kompromisse. An der Front kommen Leuchten mit integrierten Tagfahr-LEDs zum Einsatz, darunter sitzt ein im Windkanal ausgeformter Lufteinlass. Solch aerodynamischen Feinheiten ziehen sich rund ums Fahrzeug, von den Außenspiegeln über die seitlichen Lufteinlässe bis hin zum Diffusor am Heck. Dank der hervorragenden Aerodynamik benötigt der McLaren MP4-12C keinen übertrieben großen Heckspoiler, da er mit der Karosserie genug Abtrieb generiert. Dieser Spoiler dient nebenher als Luftbremse – ein Detail, das man bereits vom F1 und dem SLR McLaren kennt. Um Gewicht zu sparen suchte man gezielt nach einer Methode, um den Spoiler in den Wind zu stellen. Man fand den Antrieb schließlich im Hydraulikdruck des Getriebes. So stellt sich die Luftbremse innerhalb von 300 bis 500 Millisekunden in den Fahrtwind und sorgt damit für hervorragenden Grip an der Hinterachse, einen Ausgleich des üblichen Bremsnickmoments und perfekte Verzögerungswerte. Mit der serienmäßigen Bremsanlage aus verschiedenen Aluminiumlegierungen erreicht der MP4-12C einen Bremsweg von nur 30 Metern aus 100 km/h. Optional ist auch eine Carbon-Ceramic-Bremse erhältlich, die jedoch tatsächlich 3 bis 4 Kilogramm mehr wiegt als die Serienbremse und von McLaren nur Kunden empfohlen wird, die den Wagen regelmäßig auf der Rennstrecke einsetzen.

Allgemein kann gesagt werden, dass die Grundversion des MP4-12C tatsächlich bereits sehr wenig wiegt und durch zusätzliche Ausstattung größtenteils nur zusätzliches Gewicht generiert wird. Das gilt für die oben erwähnten Bremsen ebenso, wie für die Innenausstattung. Ab Werk ist ein leichter Webstoff auf Sitzen und Türinnenverkleidung verbaut, auf Wunsch ist aber selbstverständlich auch eine Voll-Lederausstattung erhätlich, die jedoch gute 3 Kilogramm schwerer ist. Allerdings sind auch Leichtbauteile verfügbar, mit denen sich aus dem McLaren ein wahrer Sportwagen machen lässt. So sind insgesamt drei Felgentypen erhältlich. Die Standardfelge wiegt 2 Kilogramm pro Stück mehr als die erste Optionale und sogar 4 kg mehr als die Zweite. Alle Versionen sind in silber, schwarz oder dunkelgrau erhältlich. Für die Abgasanlage ist eine 5 Kilogramm leichtere und gleichzeitig kerniger klingende Variante bestellbar.

Wer bei der Optik nicht auf Kohlefaser verzichten mag, kann die Unterteilung der seitlichen Lufteinlässe, die Spiegelkappen, den Frontspoiler und den Diffusor wahlweise auch in Sichtcarbon ordern. Der Diffusor spart dabei 6 Kilogramm im Vergleich zum Serienteil ein.

Spannend war für uns die Suche nach den Türöffnern. Wer nun die Fotos genau unter die Lupe nimmt, kommt zum selben Schluß wie wir: Es gibt keine! Da ein Türöffner in egal welcher Form einem guten Luftstrom immer im Weg stehen wird, ließ McLaren diese Bauteile weg und installierte stattdessen Berührungssensoren an der Stelle, an der die meisten Menschen wohl zuerst nach einem konventionellen Öffner suchen würden: Unterhalb der nach außen geformten Sicke, die als Oberkante des hinteren Lufteinlasses fungiert. Auch hier wieder das klare Statement: Keine Kompromisse.

Am Heck entlässt der V8 seine Abgase durch zwei Endrohre oberhalb des Diffusors. Je nach Einstellung des Fahrzeugs verändert sich auch der Motorensound, allerdings „aktiv“, wie uns erklärt wurde, und nicht mittels Klappe im Auspuff. Die genaue Technik dahinter mochte man bislang noch nicht preisgeben.

Zur Premiere waren gleich drei wichtige Leute von McLaren vor Ort. Mit Antony Sheriff war der Geschäftsführer von McLaren Automotive angereist und hatte den Leiter für den Verkauf in Europa, Christian Marti, mitgebracht. Aus Düsseldorf war Timm Moll von der Moll Sportwagen GmbH vor Ort, die den Verkauf in Westdeutschland übernehmen werden.

Das Interieur des Ausstellungsfahrzeugs ist mit der oben erwähnten Lightweight-Faser versehen und präsentiert sich passend zur Lackierung auch in orange. Nur ein Rundinstrument dominiert das Instrumentenpanel, daneben sitzen links und rechts Displays, die sich vom Fahrer individuell belegen lassen. Auch hier ist vieles vom Leichtbaugedanken geprägt. So bestehen zum Beispiel die Lenkstockhebel aus Aluminium und die Unterkonstruktion des Armaturenbretts aus Magnesium.

In der Mittelkonsole kann der Fahrer über Drehschalter das Getriebe und das Fahrwerk in drei verschiedene Einstellungen bringen: Normal, Sport und Track. Da es sich um ein elektrohydraulisches Fahrwerk handelt, stellen sich die Dämpfer sowieso im Millisekundenbereich auf jede Fahrbahnsituation ein, was im normalen Modus für viel Komfort sorgt. Im Sportmodus kommt zusätzlich in Kurven eine Druckerhöhung in den Stoßdämpfern der kurvenäußeren Räder hinzu, was einen Wankausgleich des Fahrzeugs und perfekten Grip für alle Reifen zur Folge hat.

Darüber hinaus verfügt der McLaren MP4-12C über „Active Brake Steer“. Mit diesem System wird bei schneller Kurvenfahrt das kurveninnere Hinterrad elektronisch eingebremst, um eine noch dynamischere Fahrt zu ermöglichen.

In der Fahrertür sitzen Bedienmöglichkeiten für die beheizbaren Sitze, die Klimaanlage und die Fahrzeugbelüftung. Das Fahrzeug verfügt über einen bordeigenen Computer, auf dem neben dem Navigationsgerät auch Platz für die Lieblingsmusik besteht. Sollte sich der Musikgeschmack des Fahrers einmal ändern, kann das Fahrzeug sich via WLAN an den häuslichen PC anschließen und die neueste Musik auf die Festplatte übertragen. Da bekanntlich nichts veralteter ist, als die Computertechnik von gestern, sind die Komponenten so gestaltet, dass man nicht nur neue Software aufspielen kann, sondern auch der Prozessor und der Speicher aufrüstbar sind. McLaren stellt die Elektronik für alle Formel 1-Teams her, somit darf man davon ausgehen, dass man weiß, was man da tut.

Neben dem Komplettfahrzeug zeigte McLaren auch ein Cassis, anhand dessen man die tollen Details besonders gut in Augenschein nehmen konnte. Der Motor ist vor der Hinterachse besonders tief eingebaut. Es handelt sich um einen 3,8 Liter großen TwinTurbo-V8 mit 441 kW/600 PS und 600 Newtonmeter Drehmoment als Leistungsabgabe. Die Leistung wird über ein Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe an die Hinterachse übertragen. Dieses Getriebe bietet gegenüber herkömmlichen Getrieben nicht nur den Vorteil der schnellen Schaltzeiten, sondern verfügt darüber hinaus über das sogenannte „Pre-Cog“-System, eine McLaren-Erfindung, mit der der Fahrer einen Gang vorwählen kann. Ein normales Direktschaltgetriebe legt beim hochbeschleunigen bereits den nächsthöheren Gang ein und wartet darauf, dass der Fahrer den Hochschaltbefehl gibt. Nun kann es aber sein, dass auf der Strecke eine Kurve folgt, für die der Fahrer einen oder mehrere Gänge herunterschalten muss. Durch Pre-Cog kann er leicht an der Wippe ziehen und die gewünschte Schaltrichtung ans Getriebe weiterleiten. Natürlich kann er das Getriebe auch in den Automatikmodus versetzen und mit dem Fahrzeug gemütlich cruisen.

Die Fahrleistungen liegen dabei absolut auf Augenhöhe mit Konkurrenzprodukten. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h soll in wenig mehr als 3 Sekunden abgehandelt sein. Maximal rennt der MP4-12C über 300 km/h.

Beeindruckend dabei ist die Tatsache, dass McLaren weder Motor noch Getriebe bei Großserienherstellern zukauft. Zwar arbeitet man logischerweise mit spezialisierten Betrieben zusammen, aber alle Teile wurden speziell für den MP4-12C entwickelt. 16% der Bauteile stammen übrigens aus Deutschland, insgesamt 30% aus dem deutschsprachigen Raum.

Bei allen Entwicklungen lag ein Grundsatz auf dem Lastenbuch: Keine Kompromisse. Das Fahrzeug soll sowohl perfekte Sportlichkeit bieten, wie auch als Reisefahrzeug problemlos lange Strecken zulassen. Dafür wurden die Prototypen mehrfach auf den Weg vom Werk in Woking nach Monaco geschickt, was der Sportler mit Bravour wegsteckt. Darüber hinaus ist es einer der sichersten Sportwagen, ohne das unter der Sicherheitsausstattung das Gewicht leiden würde. Man handelte stets nach dem Motto „Warum Kompromisse eingehen, wenn man durch das erfolgreiche Formel 1-Team im Haus Technologien entwickeln kann, um die Kompromisse zu umgehen?“. Damit werden auch die drei wichtigsten Punkte für deutsche Kunden abgedeckt: Qualität, Qualität und nochmal Qualität. Auf den vielen Testkilometern ist bislang noch kein Defekt an der Kraftübertragung oder dem Motor aufgetreten, somit darf man von einem sehr haltbaren und alltagstauglichen Sportwagen ausgehen.

Das Chassis an sich ist eine Carbon-Monocell, die rund um die Besatzung geplant wurde. Hinten schließt sich der Motorrahmen an, an dem auch die Hinterradaufhängung angebracht ist. Vorn ist die Crashstruktur angeschraubt. Alles ist auf Leichtgewicht aufgebaut und so verwundern auch minimale Details nicht: Im Armaturenträger findet man einen McLaren-Schriftzug, der ursprünglich erhaben geplant war. Durch Simulation am PC konnte man jedoch herausfinden, dass man mit einem eingravierten Schriftzug rund 200 Gramm Gewicht problemlos einsparen kann. Klingt wenig, macht aber in Summe mit vielen weiteren Details den Unterschied. Immerhin wiegt der McLaren MP4-12C trocken nur 1.300 Kilogramm.

Bei der Farbwahl von Leder und Karosserie ist für die Kunden alles möglich. Zwar gibt es einen festen Bestand an Grundfarben, aber wenn für Sie nichts dabei sein sollte, macht man sich gerne mit Ihnen gemeinsam daran, den perfekten Farbton zu finden.

Wie bereits oben erwähnt, ist gestern auch das Händlernetz von McLaren bekannt gegeben worden. Einer der ersten offiziellen Stützpunkte wird bei Moll in Düsseldorf aufgeschlagen und Geschäftsführer Timm Moll präsentierte voller Stolz die Entwürfe für den neuen Showroom, der direkt neben dem bestehenden Aston Martin-Showroom errichtet werden soll.

Neben Moll in Düsseldorf wird die Merkur Hanseatische Sportwagen AG in Hamburg den Vertrieb des neuen Sportwagens übernehmen, weitere Händler in Frankfurt/Main, München und wahrscheinlich auch Stuttgart werden folgen. Damit verfügt Deutschland im ersten Verkaufsjahr des MP4-12C über mehr Vertriebsstellen als Großbritannien. Insgesamt wird es 35 offizielle Stützpunkte in 19 Ländern geben, darunter, anders als beim SLR, auch Länder mit Linksverkehr und Rechtslenkung. Die drei Hauptabsatzmärkte werden aber die USA, Großbritannien und Deutschland sein.

Für das Jahr 2011 plant man, rund 1.000 Fahrzeuge zu verkaufen, insgesamt ist das Werk auf 4-5.000 Autos pro Jahr ausgelegt, was man 2015 erreicht haben möchte. Wer sich nun fragt, wer bitteschön 4.000 MP4-12C im Jahr abnehmen soll, kann sich wieder beruhigen: McLaren wird alle 12 Monate ein neues Modell hinterherschieben. Wie man uns versicherte, wird es sich dabei nicht einfach nur um ein Sondermodell in spezieller Farbe, sondern um wahre neue Modelle handeln. So ist eine Sportversion des MP4-12C ebenso in Planung, wie eine Cabrio- oder Roadster-Variante.

Die Entwicklung des McLaren-Sportlers geht gerade in die heiße Phase. Letzte Prototypen drehen ihre Runden, obwohl bereits mehr als 1,6 Millionen Testkilometer mit der Flotte abgewickelt wurden. Auch die beiden Formel 1-Weltmeister der letzten Jahre, Lewis Hamilton und Jenson Button, konnten bereits einige Runden im MP4-12C drehen und zeigten sich von der Performance begeistert.

Wer sich nun berechtigterweise fragt, was ein solch innovativer Sportwagen auf dem deutschen Markt kostet, wird sich eventuell gleich ein wenig die Augen reiben. Trotz extremen Leichtbaus und teurer Materialien wohin man auch schaut wird sich der Preis eng an Mitbewerbern im Markt der 550 bis 600 PS starken Sportler bewegen. McLaren nannte gestern einen Bereich von 180.000 – 220.000,- Euro, je nach länderspezifischen Steuern. Der genaue Preis wird rechtzeitig vor der Auslieferung im zweiten Quartal 2011 bekanntgegeben. Bereits jetzt haben sich bei McLaren mehr als 2.500 ernsthafte Interessenten gemeldet. Erste Vorführwagen werden bereits Ende diesen Jahres an die Händler gehen, damit sich noch unentschlossene Kunden ein Bild vom Fahrzeug machen können. Außerdem geht der MP4-12C auf eine Welttournee mit mehr als 50 Stationen, begonnen beim Festival of Speed in Goodwood.

Wer sich übrigens fragt, woher der merkwürdige Name des McLaren MP4-12C kommt, dem kann geholfen werden. Mit „MP4“ bezeichnet man bei McLaren seit 1981 die Formel 1-Fahrzeuge, „MP“ steht dabei für „McLaren Project“. Die 12 gibt einen McLaren-internen Leistungsindex an, in den die Motorleistung, die Emmissionen, das Gewicht und die aerodynamische Effizienz aufgenommen werden. Das abschließende „C“ steht für die Carbon-Bauweise des neuen Supersportlers.

Außerhalb der Präsentationshalle befand sich ein Fahrzeug, dessen Einkaufspreis deutlich über dem des MP4-12C lag und auch heute noch liegt, dessen Erbmaterial jedoch an eben diesen weitergereicht wurde: Der legendäre McLaren F1. Aus einer privaten Sammlergarage war dieses Fahrzeug zur Präsentation gebracht worden, um die Sportwagenerfahrung der Briten zu unterstreichen. Selten dürfte dies besser gelingen, als mit diesem Vorzeigesportler, denn auch hier galt schon eines: Keine Kompromisse!

Fotograf und Autor: Matthias Kierse