Im Zuge der IAA-Vorberichterstattung haben wir einmal einen Blick ins Archiv gewagt und siehe da, was stand vor exakt 20 Jahren in Frankfurt? Eine der wohl aufregendsten Sportwagen-Studien aus deutscher Produktion, die anschließend nicht in Serie ging. Der Mercedes-Benz C 112 war Wegbereiter für einige technische Details und hätte den Flügeltürer beerben können – 18 Jahre vor dem SLS AMG. Es blieb beim Einzelstück des 408 PS starken V12-Sportwagens, das uns jedoch trotzdem einen kurzen Bericht wert ist.

Mercedes-Benz C 112

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Mit dem Mercedes-Benz C 112 Concept schrieben die Stuttgarter 1991 Schlagzeilen in jedem Automagazin und ernteten Blankoschecks.

Werfen wir einmal einen Blick zurück: Was war vor 20 Jahren los? In der Golf-Region herrscht Krieg und auch in den jugoslawischen Ländern beginnen kriegerische Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Volksgruppen. Derweil kommt es in Deutschland zur endgültigen Wiedervereinigung mit der ehemaligen DDR, während auch die Sowjetunion zu bröckeln beginnt. Auf dem innerdeutschen Schienennetz kommt der nagelneue ICE zum Einsatz, mit dem Bahnreisen künftig komfortabler und schneller laufen sollen. Und während im September die Eisleiche „Ötzi“ in den Südtiroler Alpen gefunden wird, drehen sich auf den Messebühnen in Frankfurt/Main interessante automobile Neuheiten im Rampenlicht.

Besonderen Applaus erntete Mercedes-Benz, die auf der IAA ihren neuen Supersportwagen vorstellten, den C 112. Allerdings beeilte man sich mit der Aussage, dass es sich um ein reines Conceptcar, einen Technologieträger handele, der nicht in Serie gebaut würde. Dass die Stuttgarter solcherlei Aussagen beibehalten, hatte sich bereits mit dem C 111 in den 1970er Jahren gezeigt, bei dem selbst eine große Menge Blankoschecks von durchaus vermögenden Interessenten nicht für eine Kleinserie gereicht hatten. Ähnlich verlief es nun beim C 112 wieder, für den binnen kürzester Zeit 700 potenzielle Bestellungen eingingen – nicht wenige davon ebenfalls mit Blankoschecks versehen.

Kein großes Wunder, wirkt der Wagen doch auch in der heutigen Zeit noch durchaus frisch. Trotz einer komplett eigenständigen Formensprache fügte er sich perfekt in das damalige Modellportfolio ein und ist auf den ersten Blick als Mercedes-Benz zu erkennen. Verantwortlich dafür sind vor allem die Rückleuchten mit dem geriffelten Design, das jahrzehntelang die schwäbischen Limousinen prägte. Auch die vom legendären 300 SL übernommenen Flügeltüren machten den C 112 Concept unverwechselbar. Am Ende ist das Fahrzeug jedoch nichts weiter als ein reiner Technologieträger für Details, die erst Jahre später in Serie gingen. So findet sich am Heck ein variabel verstellbarer Flügel, der sich bei Bremsmanövern senkrecht in den Fahrtwind stellt. Bei Serienfahrzeugen mit dem Stern dauerte es bis 2004, als der SLR McLaren diese Technik aufgriff.

Was wäre also gewesen, wenn…?

Chassis-seitig kam erstmals die Active Body Control (ABC) zum Einsatz, bei der das Fahrwerk durch aktive Dämpfer gerade gehalten wird, um die Fahrsicherheit und mögliche Kurvengeschwindigkeiten zu erhöhen. Das ABC-Fahrwerk ging 1999 im Mercedes-Benz CL (C215) in Serie und wird bis heute in CL, S und SL angeboten. Zusätzlich fand sich in diesem Fahrzeug bereits ein Abstandsregel-Tempomat und ein Reifendruckkontrollsystem. All diese Dinge sind heutzutage in luxuriösen Fahrzeugen der verschiedensten Herstellern selbstverständlich und erobern nach und nach auch die „Brot und Butter“-Kategorien – 1991 klangen diese Technologien für einige Betrachter noch wie Science Fiction.

Schneller als bei den bereits genannten Features ging es mit der Serieneinführung des Triebwerks, das den C 112 bewegte. Mittig hinter der Besatzung arbeitete ein 6 Liter großer V12-Motor mit 300 kW/408 PS, durch den der Sportler in rund 5 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigen und über 310 km/h schnell werden konnte. Das Aggregat fand sich bereits auf der selben Messe in einem ebenfalls dort vorgestellten Fahrzeug: Der S-Klasse aus der 1991 neu vorgestellten Baureihe W140.

Was wäre nun gewesen, wenn Mercedes-Benz den C 112 tatsächlich gebaut hätte? Um diese Frage hinreichend beantworten zu können, bräuchte man eine funktionierende Kristallkugel nebst ordentlicher Hellseherausbildung. Man darf vermuten, dass die Schwaben bei der Markteinführung mit der selben schwierigen Finanzmarktlage zu kämpfen gehabt hätten, die es für den Jaguar XJ220, den Bugatti EB110 und weitere Supersportwagen der 90er Jahre schwer machte, Käufer zu finden. Was man jedoch sicher sagen kann ist die Antwort auf die Frage: Was wäre gewesen, wenn Mercedes-Benz den C 112 nie gebaut hätte? Ganz einfach: Die Schwaben hätten nicht nur ein gutes Präsentationsfahrzeug für ihre neuen Technologien verloren, Benz-Fans weltweit hätten zusätzlich einen absolut faszinierenden Supersportler weniger, von dem sie träumen können.

Quelle: Mercedes-Benz (4 Bilder), CP-Archiv (4 Bilder)

Autor: Matthias Kierse