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Supertest Ferrari 575M aus Sport Auto 12/2002


Ferrari-V8

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Wie gewünscht folgt hier der Supertest aus der Sport Auto 12/2002. Das letzte Bild ist ein Zusammenschnitt des Posters im Heft.

Ein download der pdf-Datei kann hier erfolgen: Ferrari 575M

Ferrari 575M Maranello

Starke M-Findungen

Dem drohenden Ansehensverlust durch Leistungsmangel begegnete Ferrari beim Maranello konsequenterweise mit einer Kraftspritze: Der große Zwölfzylinder leistet nun 515 PS

Beim Zusammentreffen von Menschen ist die Sache oft ähnlich gelagert: Geschieht es im falschen Moment, bei schlechter Konstitution des einen oder weil der andere mit dem linken Fuß zuerst aufgestanden ist, wird die Beziehung leicht zum Problemfall. Schlimmstenfalls scheitert sie schon bei der ersten Kontaktaufnahme.

Diese Problematik ist bei der Zusammenkunft mit einem Automobil nicht viel anders - dabei hätte die Chance für eine positive bilaterale Beziehung im vorliegenden Fall kaum besser sein können.

Denn der Ferrari 575M Maranello zieht, auch wenn man ihn noch nicht näher kennt, die Blicke und Sympathien auf sich wie eine schöne Frau. Er verfügt über eine blendende Figur, hat eine wunderbare Stimme und lockt mit einer Aura, der sich ein von den Sinnen geleiteter Mensch eigentlich nicht entziehen kann.

Aber hohe Erwartungen, die in Folge starker sinnlicher Reize zustande kommen, enden eben oft auch mit großen Enttäuschungen. So geschehen am 23. Juli auf der Nordschleife des Nürburgrings. Der Ferrari 575M Maranello fährt eine Rundenzeit von 8.17 Minuten. Die Folge: Lange Gesichter bei allen Beteiligten.

Der Vorgänger vom Typ 550 Maranello war vor gut vier Jahren nicht nur konzilianter und umgänglicher im Grenzbereich, er war auch - und das liefert den Grund der Enttäuschung - um glatt zehn Sekunden schneller.

Die zickigen Verhaltensmuster, die sich bei ausgeschaltetem ASR in einer äußerst üblen Laune der Materie bemerkbar machten, kumulierten fast regelmäßig in deftigen Ausbrüchen des Hecks. Solchen, die nur mit feuchten Händen am Volant und großer Routine neutralisiert werden können. Das kostet Zeit und Nerven und stört letztendlich das Vertrauensverhältnis der Beziehung höchst nachhaltig.

Die vollständige Aufklärung der völlig unerwarteten Fehltritte gelang erst zwei Monate später anlässlich der noch ausstehenden Tests in Hockenheim, die mit dem gleichen Typ, in derselben Farbe und mit identischer Ausstattung gefahren wurden - aber mit einem anderen Auto als dem vom Ring.

Der vom Werk in Italien zugelassene 575M Maranello offenbarte jedoch einen entscheidenden Unterschied: Er rollte auf Pirelli- statt, wie die in Deutschland zugelassene Version, auf Michelin-Reifen.

Mit den auch per Datarecording notierten, starken Differenzen im Fahrverhalten soll die Michelin-Alternative keineswegs generell in Misskredit gebracht werden - wenngleich der Pilot Sport in der jetzigen Spezifikation kurz vor der Ablösung durch den Pilot Sport 2 steht.

Wohl aber beweisen die Leistungsunterschiede im Trockenen zweierlei: Erstens, dass der Pilot Sport in der vorliegenden Ausführung nicht mit dem speziellen Setup des 575M Maranello harmoniert und zweitens, dass dem Thema Reifen noch immer nicht die Aufmerksamkeit geschenkt wird, die ihm gebührt. Besonders dann, wenn es darum geht, die sehr spezifischen Eigenschaften eines Sportwagens mit denen der Reifen angemessen in Einklang zu bringen.

Was bei der Erstausrüstung renommierter Automobilhersteller wie Ferrari noch weit gehend funktioniert, wird im Reifen-Ersatzgeschäft meist völlig außer Acht gelassen: Die korrekte Zuordnung von Reifen und Fahrzeugtyp.

Wie dem auch sei: Ab Werk mit dem Pirelli P Zero Assimmetrico bereift, stellte sich in Hockenheim exakt jenes Verhältnis zum 575M Modena ein, dass die meisten Liäsons dieser Art prägen dürfte: große Begeisterung auf der einen, aber auch respektvolle Achtung vor der mit Image und Ruhm behafteten Marke auf der anderen Seite.

Der riesige Zwölfzylindermotor, der einem unter der fast bis zum Horizont reichenden Motorhaube sozusagen direkt vor den Füßen liegt, ist ein Meister der Rhetorik und ein Universum der Anziehungskraft. Im noblen Umfeld des 575M Maranello dreht sich fast alles nur um ihn, um seine Leistung (515 PS), sein Drehmoment (589 Newtonmeter) und seine übrigen herausragenden Talente. Er begeistert vom Kind bis zum Greis altersübergreifend.

Er schafft sogar das seltene Kunststück, den Selbstzweck

bereits im Stand zu erfüllen. Allein das energische Aufbellen, das kurz nach dem Druck auf den roten Starterknopf die Umgebung erfüllt, taugt als probates Mittel zur schlagartigen Verbesserung des Gemütszustandes.

Eine besondere akustische Note des mit einem Hubraum von 5748 Kubikzentimeter gesegneten V12 ist sein anfangs metallisch unterlegtes, dumpfes Grollen, das am Ende des breiten Drehzahlbandes in einem geradezu furios klingenden Soundgewitter untergeht, das mit seiner heiseren Frequenz alles andere übertönt. Die Gänsehaut ist nach Einwirkung dieser kräftigen Klangquelle quasi selbstverständlich vorprogrammiert - und zwar nicht nur auf den Unterarmen.

Auch wenn das Maß an Laufkultur sehr eindrucksvoll ist: So samtig und seidig, wie von einem Zwölfzylinder zunächst erwartet, läuft dieser mit 48 Ventilen bestückte Saugmotor nicht. Dafür macht er schon

knapp über Leerlaufdrehzahl klar, dass mit ihm immer und überall zu rechnen ist.

Die schiere Gewalt, die die Ferrari-Maschine an das direkt mit der Hinterachse verbundene Sechsganggetriebe (Transaxle-Bau-weise) weiterleitet, sensibilisiert die Insassen wegen der Spontaneität der Ereignisse bis in die Haarspitzen und veranlasst die elektronische Antischlupf-Regelung (ASR) selbst auf trockener Fahrbahn zu hektischem Aktionismus. Auf nasser Straße ist sie zumindest für den weniger routinierten Lenker schlicht überlebensnotwendig - mit nachlassender Reifenqualität erst recht.

Pur genossen, also bei ausgeschaltetem ASR, gleicht die Wucht des Vortriebs dem Start der Ariane. Gerade 4,6 Sekunden lässt sich der 575M Zeit, um die 100-km/h-Marke zu erreichen. Nach 13,9 Sekunden ist die 200er-Marke überschritten. Und das bei einer Masse von vollgetankt immerhin 1775 Kilogramm.

Mit einem sensiblen Gasfuß, der das Leistungsangebot des Motors und die maximalen Querkräfte der Antriebsräder etwa deckungsgleich zusammen bringen kann, manövriert sich der Ferrari damit in eine fahrdynamisch sehr interessante Position - wie die Rundenzeit auf dem Kleinen Kurs in Hockenheim eindrucksvoll belegt.

Mit hervorragenden 1.14,7 Minuten rangiert der aktuelle Maranello im Zusammenspiel mit dem „Fiorano"-Sportpaket immerhin auf einer Ebene mit so ausgewiesenen Könnern wie dem Porsche Turbo (1.14,6 min).

Das 8000 Euro teure Sportpaket umfasst im übrigen straffere Federn, eine geringfügige Tieferlegung sowie eine geringere Servounterstützung der Lenkung bei langsamen und mittleren Geschwindigkeiten. Zum Lieferumfang gehören darüber hinaus auch die roten Bremssättel inklusive Sportbremsbeläge.

Bei der Umwandlung von üppigem PS-Angebot in schnelle Rundenzeiten hilft dem schweren Maranello neben der gut zu kanalisierenden Leistungsentfaltung auch die für einen starken Frontmotor-Sportler recht gute Traktion. Der Maranello profitiert von seiner weitgehend aus-

gewogenen Gewichtsverteilung von 52,6 zu 47,4 Prozent zwischen Vorder- und Hinterachse und nicht zuletzt auch durch das Sperrdifferenzial, das mit Rücksicht auf das Grenzbereich-Verhalten jedoch nur eine 40pro-zentige Sperrwirkung hat.

Illusionen hinsichtlich der Friedfertigkeit sollte man sich jedoch keine machen: Wer die Sensibilität im Umgang mit den 515 Pferdestärken vermissen lässt, dem zeigt auch ein perfekt konditionierter Maranello immer noch sehr unvermittelt, was Kreiselkräfte sind und was sie im Ergebnis anrichten können.

Die verstärkte Basisarbeit im Hinblick auf eine erweiterte sportliche Nutzung offenbart sich im Fall der beiden Testwagen gleich in mehrerlei Hinsicht: Nicht nur durch die perfekt geschnittenen, allerdings auch sehr teuren, lederbezogenen Sportsitze (3560 Euro) oder die im Alltag etwas umständlich zu handhabenden Vierpunkt-Gurte (2575 Euro).

Mit der ebenso aufpreispflichtigen F1-Schaltung - ähnlich der SMG-Varianten von BMW- lassen sich die sechs Gänge nunmehr auch im Stil der Formel 1 per Schaltpaddel vom Lenkrad aus sortieren. Neben der Befriedigung des Spieltriebs hat die sequenzielle Schaltung auch handfeste praktische Vorteile.

Die Gänge finden sich auf Knopfdruck wie von selbst. Der elektrohydraulische Ein- und Ausrückmechanismus der Kupplung arbeitet dabei im sportlichen Modus mit Zwischengas -und das im Ergebnis so perfekt, als hätte man beim Konfigurieren der Kennlinien Niki Laudas Beinarbeit zum Vorbild genommen.

Ohne Flachs: Nicht selten werden fulminante Dreher beim manuellen Zurückschalten im Kurveneingang nur deshalb ausgelöst, weil zumindest Reste des Motorschleppmoments durch die schlechte Koordination von Gas und Kupplung ruckartig an die Antriebsräder gelangen und so gemäß des Kammschen Kreises die Reifen völlig überfordern.

Die F1-Schaltung erledigt solch prekäre Aufgaben sehr gekonnt, wenngleich die Gangwechsel beim Hochschalten insgesamt noch etwas geschliffener vonstatten gehen könnten. Die von den Aktuatoren im Sportmodus sehr zügig vorgenommene Zusammenführung der verschiedenen Zahnrad-Paarungen wird nämlich regelmäßig von dumpfen Schlägen begleitet, deren Ursache vermutlich auch im vermehrten Spiel des Antriebsstrangs liegt.

Die üppig dimensionierten Brembo-Bausteine inklusive der Sportbremsbeläge zeugen in letzter Konsequenz nun auch vom hehren Bestreben, das Einsatzspektrum dieses herrschaftlichen Grand Tourismo immerhin um die Möglichkeiten eines gelegentlichen Rennstreckenbesuchs zu erweitern.

Was die Verzögerungsleistung im kalten und im warmen Zustand angeht, erfüllt der 575M Maranello die anspruchsvolle sport auto-Norm: Die extremen Anforderungen auf beiden Rennstrecken quittierte die Anlage jedenfalls ohne spürbares Fading bei achtbaren Verzögerungsleistungen zwischen minimal 10,2 und maximal 10,9 m/s2.

Der Supertest-Maranello, der schon in Hockenheim dank Pirelli P Zero-Reifen auf überzeugende Art reüssieren konnte, ließ schließlich auch bei den Nordschleifen-Tests nichts anbrennen: Mit der hervorragende Zeit von 8.05 Minuten liegt der Maranello erwartungsgemäß zwar noch deutlich hinter der starken Referenz von Lamborghini, er nötigt aber auch damit höchsten Respekt ab.

Ob der vom Werk während der zeitlich mehrmals unterbrochenen Tests initiierte Reifenpoker System hatte oder rein zufällig zustande kam, lässt sich in letzter Konsequenz nicht eruieren. Fest steht jedoch, dass die fahrdynamischen Qualitäten des Maranello mit jedem Reifenwechsel eine signifikante Steigerung erfuhren.

Die schnelle Ring-Umrundung erledigte der 575M nämlich zur Abwechslung mit Exponaten der Marke Bridgestone - und zwar in absolut überzeugender Manier: Das Einlenken gestaltete sich präziser und das Limit in Punkto Seitenführung schien subjektiv um ein gutes Stück weiter nach oben verschoben, speziell an der Antriebsachse.

Messtechnisch erhöhte sich die maximale Querbeschleunigung geringfügig um 0,05 auf 1,2 g . Die Harmonie im Grenzbereich wurde weder durch lästiges Untersteuern, noch durch ausgeprägtes Übersteuern gestört.

Die hohe Lenkpräzision dieses offenbar speziell auf den Ferrari Maranello abgestimmten Bridgestone S-02 reduziert vor allem auch das etwas teigige Gefühl, das die um die Mittellage immer noch sehr leichtgängig arbeitende und indirekt ausgelegte Lenkung hervorruft.

Durch die Implantierung des adaptiven Dämpfersystems, das auf Knopfdruck auch feste Kennlinien parat hält, sind kaum Konzessionen hinsichtlich des Fahrkomforts zu machen. Der Abrollkomfort geht, ebenso wie das Wegfiltern großer Unebenheiten voll in Ordnung.

Grundsätzlich fühlt sich das Setup des Maranello aber so an, als sei es federtechnisch zu weich ausgelegt. Der Dämpfung kommt in diesem Fall die Aufgabe zu, diesen Missstand zu kompensieren, was ihr im Extremfall, wie beispielsweise auf dem geschwungenen Nordschleifen-Streckenstück Quiddelbacher Höhe, nicht in der erforderlichen Kürze der Zeit gelingt.

Die in solchen Situationen überforderte Zugstufendämpfung lässt der Karosserie unnötig vier Spielraum, der sie infolge ihrer Masse zu schwungvollen Hüpfern veranlassen kann. Einfluss auf die Fahrsicherheit nimmt dieses Phänomen jedoch nicht. Der Ferrari zieht unbeirrt seiner Bahn und angesichts der vorzüglichen Eigenschaften lässt sich konstatieren: Er wird auch seinen Weg machen.

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Vielen Dank an Sport Auto, für diesen Test!

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Hi,

ich glaube, ich kann mich an die Ausgabe noch erinnern. Das war doch die Ausgabe, wo sie den Carrera mit Serien, GT3 und noch irgendeinem Fahrwerk getestet haben. Oder? O:-)

Den Supertest, habe ich noch irgendwo auf der Festplatte. Ich seh mal nach, ob er sich finden lässt. :-))!

He he... das PS2 Poster vom 575 :-))!

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