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Eine Geschichte aus dem Öffentlichen Personennahverkehr


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Einer meiner Oldtimer ist wieder genesen und muß aus der Werkstatt abgeholt werden. Also auf nach Mandern im Hunsrück. Verträumtes kleines Örtchen, das eher durch die Bilstein-Werke bekannt ist, aber auch einen sehr guten Schrauber  (Christopher Beiling, spezialisiert auf Franzosen) beheimatet.

Erste Überraschung: die „Super-Spar-Tickets“ sind irgendwie nicht mehr da. Regulärer Preis. Nun gut. www.bahn.de und das Ticket ist gleich gebucht. Umsteigezeit gleich aus Vorerfahrung gewitzt auf „mindestens 15 Minuten“ eingestellt, um ggf. Reserven zu haben. Was man nicht alles hört!

Die beste Ehefrau von allen fährt mich nach Ludwigshafen zum Bahnhof (das ist einfacher, als auch noch in Speyer Bus und S-Bahn zu strapazieren, spart locker 40 Minuten). Wider Erwarten ist der Zug pünktlich. Die 1. Klasse in der Regionalbahn nach Kaiserslautern ist leer, die gewünschte Distanz zu Mitreisenden, deren Ausdünstungen, Gepäck, Gesprächen und wasnichtalles ist also mehr als ausreichend hergestellt.

Plan: In KL (oder "K-Town" für die dort stationierten Kräfte) hole ich mir in der Bäckerei Barbarossa direkt vorm Bahnhof eine wirklich gute Puddingschnecke als Zwischenmahlzeit. Geplant, gemacht, lecker.

Zug weiter nach Saarburg ist wider Erwarten pünktlich. Die 1. Klasse ist auch im Regionalexpress leer. Das kann doch gar nicht gut gehen, was?

In Saarburg wäre in den Bus umzusteigen. Plan: Ich nehme den 240er um 13.09 Uhr, da kann ich mir noch vorher gemütlich einen Döner als Mittagessen gönnen. Genau so geht das. Und immer wieder die Frage, ob es einen besonderen Deutschkurs für Döner-Angestellte bzw. Inhaber gibt, der dauerhaft unverständliches Sprechen schult. Ich als Neuling staune, aber auch die Einheimischen nehmen den Redeschwall des älteren Herren ungerührt und unverständig zur Kenntnis. Eines weiß ich jetzt: „Rooohtte Greuß is oooone Swibbe.“ Immerhin.

Geräumig vor der Abfahrt suche ich den „Busbahnhof“ in Saarburg auf. Dort gibt es eine Haltebucht, die offensichtlich stärkstens frequentiert wird von vielen Buslinien.

 

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Blutsturz! Auf der „Inhaltsangabe“ zu „Steig 1“ fehlt mein 240er. Die Bundesbahn behauptet steif und schwarz auf weiß, daß es den aber gäbe. Nächster Blutsturz: die Handynavis kennen ihn alle auch nicht. Auf einmal hat der (stark knoblauchhaltige) Döner einen merkwürdigen Nachgeschmack ...

 

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Also Ruhe, erst mal denken. „Steig 1“ verspricht, daß es auch noch einen „Steig 2“ gibt. Wäre konsequent, außer die Hoffnung auf zukünftige Bautätigkeit wurde bei der Nummerierung vorweggenommen. Derartige Weitsicht erwarte ich im Grenzgebiet zum Saarland nicht.

Bei Ankunft vorm Mittagessen wimmelte es hier vor Passagieren. Jetzt in der Not sind auskunftsfähige Aboriginals allesamt verschwunden. Ich erwarte wie in einem Western diese Knäuel aus Präriegras, die langsam die Güterstraße entlanggeweht werden.

Mist. Selber knobeln also. Geknobelt, geguckt - und siehe da: es GIBT einen Steig 2. Eher verhärmt und deutlich baulich zurückhaltender als die Haltebucht schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite. Hingeschlendert. Das Zeichen 224 nach StVO ist ordentlich an einem Laternenpfahl befestigt.

 

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Ebenso ordentlich hängt darunter ein Fahrplan. Hurra! Es ist der vom 240er, der für 13.09 Uhr versprochen wird.

 

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Die Warteräumlichkeiten sind eher bescheiden, sie reduzieren sich auf den Mißbrauch eines Mäuerchenstumpfes am Bürgersteig, auf dem ich in praller Mittagssonne um 12.55 Uhr Platz nehme. Wie durch ein Wunder belebt sich die Szenerie gegenüber an der Haltebucht, aus dem Nirgendwo tauchen Passagiere und dazu passend Busse auf. Regelrecht was los dort drüben.

 

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Bei mir eher weniger. Vier Menschen laufen in der Wartezeit an mir teilnahmslos vorbei - ich denke mir nichts Böses getreu dem Motto „Wer will hier schon mittags nach Mandern?“ Auf meiner Seite verkehren auch Busse, aber weniger haltend sondern eher vorbeifahrend. Um 13.20 Uhr wird mir das doch zu bunt, meine Hoffnung auf Transport schwindet. Auf dem Fahrplan steht die Festnetznummer eines  Busbetriebs. Dort um diese Zeit jemanden zu erreichen, wage ich nicht zu hoffen. Aber: auf’m Land ist alles früher, auch die Mittagspause. Es geht jemand dran. Ich stelle die Telefonate hier inhaltlich nach:

Telefonat 1: „Guten Tag, ich wollte mich erkundigen, ob heute der 240er ab Bahnhof Saarburg ausgefallen ist. Ich stehe hier und er ist nicht gekommen bisher.“ - „Moment, ich sehe nach. Das kann nicht sein. Unsere Busse haben GPS-Tracker und der Bus war pünktlich. Er hat 1 Minute 24 Sekunden an der Haltestelle gewartet und ist dann weiter gefahren.“ - „Das kann nicht sein. Wo auch immer Ihr Tracker montiert ist, an einem Bus jedenfalls nicht. Hier war kein 240er und ich sitze seit fünf vor zwölf hier herum.“ - „Ich rufe die Fahrerin an, die ist sehr zuverlässig!“

Telefonat 2 (etwa fünf Minuten später): „Ich habe mit der Fahrerin gesprochen. Natürlich war sie wie immer dort. Sie hat viele Schüler als Fahrgäste aufgenommen.“ - „Das kann gar nicht sein, ich war ja die ganze Zeit an der Haltestelle. Und wenn hier ein Bus anderthalb Minuten gestanden hätte, wäre Stau gewesen, er muß doch auf der Straße stehen bleiben. Schüler gab’s hier auch keine.“ - „Sind Sie sicher, daß Sie in Saarburg an der Güterstraße stehen?“ - „Halten Sie mich nicht für blöd, ich warte jetzt seit mehr als 30 Minuten an der Haltestelle genau unter dem Schild und sitze vor dem Fahrplan.“ - „Ich kläre das und rufe zurück.“

Telefonat 3 (ich habe inzwischen in der Werkstatt um Abholung gebeten, man ist auf dem Wege, was hin und zurück locker mehr als eine Stunde dauert): „Das kann gar nicht sein, unser Bus war da und der GPS-Tracker lügt nicht. Wo stehen Sie denn?“ - „Langsam wird mir das aber zu bunt. Ich stehe an der Haltestelle für den 240er. Wo auch immer Ihr Bus war, hier war er nicht.“ - „Beschreiben Sie mir doch mal die Haltestelle!“ - Ich überspringe hier meine farbige Schilderung der Örtlichkeit. - „Ist das gegenüber der Haltebucht auf der Seite, wo die Polizei ist?“ - „Genau. Und da war kein Bus. Bis jetzt nicht.“ - „Können Sie mir ein Foto von der Haltestelle schicken per Mail?“ - „Das ist jetzt nicht Ihr Ernst, oder? SIE sind doch das Busunternehmen und Sie wissen nicht, wie Ihre Haltestelle aussieht? Der Fahrplan ist seit 2021 unverändert! Daß ich hier nicht wegkomme, ist Ihr Problem, Sie verweigern die Bedienung der Haltestelle!“

Mittlerweile ist es 14.07 Uhr, der nächste 240er kommt an. Dieses Mal habe ich ihn im Visier. Und siehe da: Er hält in der Haltebucht gegenüber. Schlendere mal da hin und spreche den Chauffeur an. Er dürfe hier nicht parken, er habe hier auch nichts zu entladen bzw. beladen. Er stehe nicht an seiner Haltestelle. Der ältere Herr läßt sich in gebrochenem Deutsch ein, was ich ihn frage, ier wisse, was er mache. Seit Jahre fahre er Busse dieser Linie! - „Nur weil man etwas sehr lange macht, ist es noch lange nicht richtig. Ihre Haltestelle ist da drüben.“ - „Da ist nix Haltestelle, nur hier.“ Ihm wird aber mulmig, er schnappt sich sein Handy und steigt aus. Mehr oder weniger leise fluchend sucht er nach der Haltestelle. „Da ist kein Halte ...“ Mitten im Satz sieht er das Zeichen 224 nach StVO. Läuft hin, sieht seinen Fahrplan. Stille.

Und - er macht drei Fotos ...

Der Oldtimer fährt wieder tadellos, sehr indivdualverkehrlich.

Markus

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Sehr schöne Geschichte.

 

Zusammenfassend hat alles wie am Schnürchen geklappt, bis auf das klitzekleine Detail mit der falschen Seite. Und die Hilfsbereitschaft des Busunternehmens inkl Fahrerkontakt und Tracking ist ja sensationell. Frag mal, wie das beim ADAC oder der Ferrari Hotline gewesen wäre. Nächste Woche ist das Schild bestimmt ummontiert.

 

Und verstehe ich das richtig, das Kaff wird sogar stündlich bedient?! Say no more. You were lucky!

 

Mein Kaff wird exakt drei Mal täglich angesteuert.

 

Best Grüße aus den Tiefen Frankens

 

PS: Ich wäre auf 13:04 eingestellt, das mit dem Abstand ist wohl eher zum Schutz der anderen vor deinem Dönerdampf, und natürlich kann nicht jeder Gelegenheitsfahrer auf den Superdupersparpreis hoffen. Bei Ryanair gibt's ne Woche vorher auch nix für 19 Euro 😉

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vor 40 Minuten schrieb Rechenknecht:

Mein Kaff wird exakt drei Mal täglich angesteuert.

Unser Kaff in McPom (Ferienhaus) an vier Tagen in der Woche, jeweils 2-mal. Zur Ferienzeit gar nicht. Zu Fuß zum nächsten etwas öfter fahrenden Öffi sinds 5 km, das schafft man mit stramm (!) Marschieren in gut ner halben Stunde.

 

Und Anrufen wäre auch nicht (oder sehr schwer), weil es in der Gegend fast gar kein Netz gibt (auf dem Dachboden gehts meist, aber nicht immer)... :D

vor 2 Stunden schrieb Jarama:

Unser Kaff in McPom (Ferienhaus) an vier Tagen in der Woche, jeweils 2-mal. Zur Ferienzeit gar nicht. Zu Fuß zum nächsten etwas öfter fahrenden Öffi sinds 5 km, das schafft man mit stramm (!) Marschieren in gut ner halben Stunde.

 

Und Anrufen wäre auch nicht (oder sehr schwer), weil es in der Gegend fast gar kein Netz gibt (auf dem Dachboden gehts meist, aber nicht immer)... :D

So ähnlich bin ich aufgewachsen. Im Hunsrück, vor ca. 30 Jahren. Das ist aber, bis auf die Netzabdeckung, heute vermutlich noch immer so. Ohne Auto / Moped ging da nichts. 

Naja, anstelle des Busses kann man ja auch Lamborghini fahren.

Man muss halt nur seine Fahrt vorher anmelden zur Mitfahrzentrale. Schwupps, schon hat man ein öffentliches Verkehrsmittel und fährt per definitionem grün und klimaneutral.

 

Also in etwa so wie die 10 Tonnen Bus, der drei Mal am Tag leer oder mit Oma Gerda durch den Wald gurkt...

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vor 21 Stunden schrieb 806:

Und - er macht drei Fotos ...

Und wenn das jetzt geändert wird, dann stehen alle ortsansässigen Dauernutzer hilflos an der alten Stelle.

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