Volkswagen und Sportwagen, das wirkt so passend, wie ein Oldsmobile für junge Leute. Selbst der VW 914, der ja schon fast ein echter Porsche war, hatte es, trotz damals hochmodernem Mittelmotorkonzept, äußerst schwer, Anerkennung zu finden. Was hat dann ein Käfer-Abklatsch mit mittlerer zweistelliger PS-Zahl in diesem renommierten Sportwagen-Forum zu suchen? Nun, vielleicht ja doch mehr, als Sie gerade denken. Wir Europäer sind zwar ganz andere Sportwagen gewöhnt, aber versetzen Sie sich einmal nach Brasilien.

Volkswagen SP-1 und SP-2

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Schuld war ein gewisser Dr. Rudolf Leiding. Dieser hatte bei der gerade vom VW-Konzern einverleibten Auto Union bewiesen, dass er mit den Brasilianern gut konnte. Unter seiner Verantwortung wurde ein Lizenzabkommen vereinbart, aus dem der brasilianische DKW-Ableger VEMAG hervorging. Also wurde er von Heinrich Nordhoff, dem damaligen VW-Vorstandsvorsitzenden, mit der Leitung des Werkes in Sao Paulo betraut. Manche behaupten, Leiding hätte dies zur Bedingung gemacht, wenn er sich schon nach Brasilien abschieben lasse. Tatsache ist, dass er heutzutage unvorstellbare Entscheidungsfreiheit über die dortige Modellpolitik hatte und davon auch regen Gebrauch machte. Innerhalb weniger Jahre entstanden neben dem unverzichtbaren Käfer für Brasilien und einige wirtschaftlich kaum bedeutsame Exportmärkte, der Karmann-Ghia TC, der Rio, der erfolgreiche Brasilia und als Sahnehäubchen die Sportwagen SP-1 und SP-2. Dazu beigetragen hat natürlich auch das damalige Importverbot in Brasilien. Wo keine auswärtige Konkurrenz verkaufen darf, hat auch ein vermeintliches Nischenprodukt seine Chance.

Technisch basieren die sportlichen Zweisitzer auf damaliger Heckmotor-Technik. Bodengruppe und Fahrwerkskomponenten wurden von anderen Baumustern entlehnt. Der Aufbau ist jedoch völlig eigenständig. Gefertigt wurde die Stahlkarosserie von der Brasilianischen Karmann-Filiale. Die Frontpartie weist stylistische Ähnlichkeit zu den zeitnah vorgestellten Typen Brasilia und 412 auf, baut jedoch deutlich tiefer. Der Dachaufbau läuft nach hinten flach aus. Hinter den hinteren Seitenfenstern befinden sich sportliche Kiemen. Ein prägnantes seitliches Dekorband geht hinten nahtlos in die Leuchteinheiten über. Der untere Heckabschluss ist etwas unordentlich geraten, die Auspuffanlage passt kaum unter die Blechhaut und wird von einem Hitzeschild verdeckt. Der rudimentäre Kofferraum ist über eine Heckklappe zugänglich.

Wer sich in den SP hineinsetzt, fühlt sich auf Anhieb wie in einem Sportwagen. Tiefe Sitzposition, reichhaltige Intrumentierung, ein kleines Dreispeichenlenkrad sowie Handbremshebelgriff und Schaltknauf aus Holz, was will man mehr? Aber sobald man den Zündschlüssel bemüht, ist es aus mit Sport. Im Heck des SP-1 mobilisierten 1.584 ccm schlappe 48 kW/65 PS. Damit waren laut Werk 149 km/h drin. Den Beschleunigungswert verschweigt der Verkaufsprospekt vorsorglich. Das auf 1.678 ccm aufgebohrte SP-2-Triebwerk bringt immerhin 55 kW/75 PS, gut für 161 Sachen.

Der Ursprung des Kürzels „SP“ lässt mehrere Deutungen zu, es könnte für Sao Paulo, Sportivo oder Special stehen. Angesichts der enttäuschenden Fahrleistungen haben sich damals viele Brasilianer für die Deutung „Sem Potência“ (ohne Leistung) entschieden.

Ab Juni 1972 gab es beide Varianten zu kaufen, wobei der schwächliche SP-1 sich deutlich schwerer tat, als der weniger schlappe SP-2. Von den knapp über 10.000 verkauften Exemplaren entfielen nur rund 160 auf den SP-1. Folgerichtig wurde dieser schon 1974 eingestellt, während der SP-2 bis Februar 1976 gebaut wurde.

Weshalb der SP nie offiziell nach Europa oder in die USA eingeführt wurde, hat mehrere mögliche Gründe. Die Scheinwerfer hatten nicht die für manche Länder erforderliche Mindesthöhe. Sie mal eben etwas höher zu setzen war nicht möglich, umfangreiche Änderungen wären notwendig gewesen. Die anderen Gründe sind eher (modell-)politischer Natur. Zum einen gibt es Stimmen, die besagen, dass man nicht gerade begeistert gewesen wäre, wenn die kleine Dependance aus Brasilien den Deutschen zeigt, was sich aus dem Käfer-Konzept noch alles machen lässt. Plausibler ist aber, dass schon längst alle Weichen auf Scirocco, Passat, Golf und Polo gestellt wurden und ein neues Heckmotor-Modell nicht mehr erwünscht war.

Heute geniessen die kleinen Pseudosportler in Brasilien Kultstatus. Selbst in Europa werden circa 50 SP-1 und SP-2 gehegt, gepflegt und gelegentlich bewegt. Schön, dass auch das Mutterhaus den brasilianischen Ableger nicht verleugnet und dies auch in der AutoStadt in Wolfsburg dokumentiert. Dort steht ein weißer SP-2, wenn er nicht gerade auf einer Oldtimerrallye unterwegs ist.

Quelle: Volkswagen do Brasil und Volkswagen Deutschland

Autor: Lutz Abel