Er hätte ein riesiger Erfolg werden können, doch dank einer Finanzkrise und einer Vorstandsentscheidung, die von vielen Käufern nicht verstanden wurde, erreichte der Jaguar XJ220 nie die Stückzahlen, die man erwartet hatte. Vor 20 Jahren kam der Supersportwagen auf den Markt. Nach 280 Exemplaren wurde die Produktion beendet. Langsam aber sicher entwickelt sich der Brite zu einem gesuchten Klassiker.

Jaguar XJ220

Bild 2 von 11

Abgesehen von der Technik und den charakteristischen Leichtmetallrädern blieb nicht viel übrig, woran man den Wagen als XJ220 erkennen könnte.

In den 80er Jahren kämpfte Jaguar in der Gruppe C-Sportwagenweltmeisterschaft gegen Sauber Mercedes-Benz und Porsche um Siege und Erfolge. Entsprechend groß war das Interesse der wohlhabenden Autofans, als sich die Gerüchte verdichteten, dass ein Supersportwagen für die Straße in der Entwicklungspipeline sei, dessen V12-Triebwerk direkt von den Rennsportmotoren abstamme. Auf der British Motor Show 1988 wurde schließlich die Studie des Jaguar XJ220 enthüllt, dessen Zahl auf die mögliche Höchstgeschwindigkeit in Meilen pro Stunde hindeuten sollte (umgerechnet rund 354 km/h). Bereits am ersten Messetag stapelten sich einige Blankoschecks im Backstagebereich des Jaguar-Stands. Dennoch dauerte es bis Dezember 1989, bis bei Jaguar offiziell grünes Licht für eine Serienfertigung gegeben wurde.

Als Entwicklungs- und Produktionspartner nahm man TWR ins Boot, die auch für die erfolgreichen Gruppe C-Rennfahrzeuge von Jaguar verantwortlich waren. Man gab eine Pressemeldung heraus, nach der lediglich 350 Exemplare des XJ220 aufgelegt werden sollten und erhielt binnen kürzester Zeit mehr als 1.200 Bestellungen. Einige Interessenten schickten dabei die geforderten 50.000 GBP Anzahlung gleich per Scheck mit, um auch sicher ein solches Fahrzeug zu erhalten.

Doch während die Studie noch über Allradantrieb und einen 6,2 Liter großen V12-Motor verfügte, der wie bereits erwähnt direkt von den Rennfahrzeugen abstammte, wurde während der Entwicklung des Serienfahrzeugs an etlichen Stellen gekürzt – und das im wahrsten Sinn des Wortes. Zu allererst wurde das Fahrwerk und damit sowohl Radstand als auch Gesamtlänge des Fahrzeugs reduziert, womit auch der Allradantrieb unter den Tisch fiel. Auch der Renn-V12 fiel dem Rotstift zum Opfer und wurde durch einen 3,5 Liter großen V6 mit Biturbo-Aufladung ersetzt. Die Grundzüge dieses Triebwerks gehen jedoch ebenfalls auf den Motorsport zurück: Ohne Turbolader versah er seinen Dienst im MG Metro 6R4, dem britischen Aufgebot in der Gruppe B-Rallye-Weltmeisterschaft. Im Jaguar XJ220 leistete das Aggregat 399 kW/542 PS, wobei Jaguar selbst in späteren Quellen sogar von 405 kW/550 PS spricht. Die Kraft wurde über ein manuelles Fünfgang-Getriebe auf die 345er Hinterreifen übertragen.

Bereits während der Erprobung wollte Jaguar gern das selbst gesteckte Ziel – 220 mph – unter Beweis stellen und brachte Prototyp Nummer 002 im September 1990 auf den Ovalkurs von Bruntingthorpe, wo der Wagen 186 mph (299 km/h) erreichte. Später im Entwicklungsprozess fuhr Testfahrer Andy Wallace mit Chassisnummer 004 während Hochgeschwindigkeitstestfahrten in Fort Stockton/Texas 213 mph (342,7 km/h) schnell. Dieser Wert wurde mit einem weiteren Vorserienfahrzeug im italienischen Nardo noch einmal getoppt, als 218 mph (350,8 km/h) erreicht wurden, womit der XJ220 zwar das gesteckte Ziel um 2 mph verpasste, aber dennoch bis zum Erscheinen des McLaren F1 offiziell das schnellste Serienauto der Welt war.

Trotzdem wendeten sich viele Interessenten von der Serienumsetzung des XJ220 ab, da sie ursprünglich von einem Le Mans-Rennwagen für die Straße gerechnet hatten und dazu eben auch das V12-Triebwerk zählte. Dazu kam die unglückliche Lage, dass bei Verkaufsstart im Juli 1992 gerade eine Finanzkrise herrschte, durch die weitere potenzielle Kunden ausblieben. Als verkaufsfördernde Maßnahme baute TWR drei XJ220 S auf, die beim prestigeträchtigen 24-Stunden-Rennen in Le Mans in der GT-Klasse an den Start gingen. Zwar fuhr ein Fahrzeug dabei den Klassensieg ein, doch alle drei Wagen wurden nachträglich disqualifiziert, da TWR auf den vorgeschriebenen Katalysator während des Rennens verzichtet hatte. Dennoch erhielt das Rennteam im Anschluss Anfragen von Kunden, die gern ein Straßenfahrzeug mit dem Aerodynamikpaket des Rennfahrzeugs haben wollten. Insgesamt sechs XJ220 S mit Straßenzulassung wurden anschließend hergestellt. Zusätzlich zum Spoilerkit, bestehend aus Carbon- und Kevlar-Bauteilen, erhielten diese Fahrzeuge ein Leistungs-Upgrade auf rund 500 kW/680 PS.

Noch deutlich exklusiver ist der Jaguar XJ220, den sich Prinz Jeffrey, Bruder des Sultans von Brunei, für seine riesige Autosammlung bei Pininfarina umbauen ließ. Wieviele Exemplare Pininfarina insgesamt umgebaut hat, bleibt bis heute ein Geheimnis, bekannt ist hingegen, dass mindestens 18 XJ220 nach Brunei ausgeliefert wurden. Weitere prominente Besitzer sind oder waren Sir Elton John, Flavio Briatore und natürlich Tom Walkinshaw, der mittlerweile verstorbene Gründer von TWR (Tom Walkinshaw Racing).

Nach 280 Exemplaren endete 1994 die Produktion des Jaguar XJ220. In der Zwischenzeit hat sich das Fahrzeug zwar noch nicht zum gesuchtesten Jaguar-Modell gemausert, aber die Preise beginnen kontinuierlich zu steigen. Waren vor wenigen Jahren noch 150.000,- € für ein gutes Exemplar ausreichend, liegt der Wert mittlerweile bereits bei rund 200.000,- €, wobei einzelne Fahrzeuge immer mal wieder darüber angepreist werden. Sollten Sie sich also für einen XJ220 interessieren, gilt es langsam aber sicher zuzugreifen. Auch der angekündigte neue Supersportwagen mit dem Arbeitstitel C-X75 könnte den Wert des 20 Jahre alten Sportlers in die Höhe schnellen lassen, immerhin gibt es Sammler, die gern ein wenig Historie neben ihrem Neuwagen besitzen möchten.

Quelle: Jaguar (8 Bilder), Pininfarina (3 Bilder)

Autor: Matthias Kierse