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Indian Summer 2011


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Nein, so viele Pillen werdet Ihr nicht brauchen für meinen ...

... Reisebericht „Indian Summer 2011“

Wenn einer eine Reise tut, dann kann er was erzählen. Einen Teil davon habe ich gesondert als Fahrbericht zum Leihwagen Jeep Wrangler formuliert und schon gepostet.

Eine Rundreise durch die USA, komplett selbst organisiert – „Carpassion“ insoweit, als es unter anderem um das Fahrerlebnis auf den Straßen Neuenglands ging. Vorweg: Zu den USA und den dortigen Erlebnissen läßt sich neben den hier folgenden Schilderungen noch sehr viel mehr sagen und schreiben; entsprechende Gedanken haben meine Frau und ich uns auch durchaus oft auf unserer vierten USA-Reise gemacht. Wirtschaft und Politik in diesem Land sind durchaus eigene Betrachtungen und kritische Würdigungen wert, sollen hier aber gerade nicht interessieren – das ist nicht Thema des Forums und bleibt deshalb außen vor. Ich hoffe, Euch mit den Schilderungen von Route, Übernachtungen und Eindrücken vom „Erfahren im wahrsten Sinne des Wortes“ dennoch einen verlockenden Ausblick auf einen kleinen Ausschnitt des Landes geben zu können.

Das wichtigste zuerst: DIE ROUTE

Thema der Reise ist „Neuengland im Indian Summer“. Schwierige Sache, wenn die Reservierungen wegen des erwarteten Ansturms schon zur Jahreswende 2010/2011 getroffen werden. Wer garantiert denn, daß dann auch der Höhepunkt der Laubverfärbung erreicht ist? Also bleibt nur, nach Wahrscheinlichkeit alles zu planen. Intensive Recherche in allen möglichen und unmöglichen Foren und Reiseberichten schält die ersten beiden Oktoberwochen als wohl beste Reisezeit heraus. Los geht’s also am 30.9.2011, zurück waren wir am 16.10.

Da die „fall foliage“ sich von Nord nach Süd ausbreitet, bot sich eine Fahrt „gegen den Uhrzeigersinn“ von Boston aus an. Wenn man schon mal da ist – anfangs drei Tage Boston, dann an der Atlantikküste über Portland (eine Nacht) nordwärts der Laubverfärbung entgegen in den Acadia Nationalpark (zwei Nächte), von dort in die White Mountains (drei Nächte) und über die Berkshires an der Grenze zum Bundesstaat New York (vier Nächte) zur letzten Station nach Newport an die Einfahrt der Bucht nach New York City (eine Nacht). Machte rundherum 1786 miles.

Man kann das auch ausdehnen (Nordteil Maine Richtung Moose Lake, Niagarafälle, am Ende noch New York), dann sollte aber auch wesentlich mehr Zeit zur Verfügung stehen. Wir hatten auf vorherigen Reisen vor allem in die Südstaaten jedesmal den Fehler gemacht, möglichst viel ansehen zu wollen und tunlichst nichts auszulassen. Ein totaler Streß und in der Summe elendige Fahrerei (Rekord waren 7.500 km in 17 Tagen – wir müssen von Sinnen gewesen sein!), diesen Fehler wollten wir nicht mehr machen. Durchaus auch mal Ruhetage, mal ein Bierchen mit Blick auf die Hauptstraße schlürfen und schlicht nix machen, stattdessen Eindrücke eher konzentriert aufnehmen und die Sache ruhig angehen lassen.

Deshalb hier ein erster Tip: Hinflug mit Lufthansa ab Frankfurt geht um 16.15 Uhr und um 18.15 Uhr. Der Flug um 16.15 Uhr kommt gegen 18.00 Uhr in Boston an, man hat bequem Zeit zum Einreisen und kann noch zu sinnvollen Zeiten sein Hotel erreichen. Das kostet aber auch! Aus dem gedachten Abflug am 1.10. um 16.15 wurde einer am 30.9. um 18.15 Uhr. War für uns zwei zarte 600 € billiger, dafür kommt man um 20.15 Ortszeit an und muß an nur noch wenigen offenen Schaltern lange auf die Einreise warten. „Durch“ waren wir um 21.45 Uhr – nach unseren Knochen und Gefühl 3.45 Uhr morgens. Trick: Das Hilton im Flughafen ist zu Fuß in etwa einer Viertelstunde erreicht. Zimmer kostet ca. 180 €, macht netto 420 € plus und einen gewonnenen Tag in Boston.

Nächster Tip: In Boston ist ein Mietwagen sinnlos. Parken ist aasig teuer (45 USD pro Tag sind problemlos drin, rigides Abschleppen/Knöllchenschreiben) und das öffentliche Verkehrsnetz mit Bussen und U-Bahnen sehr gut ausgebaut. Sieben Tage „Freies Fahren“ kosten 15 USD pro Person und sind schneller als das Auto, das zu Spitzenzeiten in herrlichen Staus steht. Außerdem ist die Beschilderung und Straßenführung ohne Navi auf Anhieb nur schwer in den Griff zu kriegen, vom Parken mal abgesehen. Taxi aus der Stadt zur Mietwagenstation kostet incl. Trinkgeld um die 20 USD.

DIE UNTERKÜNFTE

Bei „England“ fällt einem spontan ja „Bed & Breakfast“ ein, wieso soll das nicht konsequenterweise auch in Neuengland gehen? Auf Kettenhotels oder –motels hatten wir keine Lust, es sollte mal eine wirklich andere Erfahrung werden als zuvor. Also munter das Netz gequält und nach schicken Unterkünften gesucht, die halbwegs vernünftig liegen. Billig ist das dann nicht mehr, dafür läßt sich ein anderes Gefühl des Untergebrachtseins erleben. Ob einem das den Preis wert ist oder nicht – Geschmackssache. Uns hat diese Art des Reisens extrem viel besser als in anonymen Einrichtungen gefallen, denn das gemeinsame (in recht engem Zeitrahmen servierte) Frühstück mit den anderen Gästen brachte schon morgens interessante Gespräche über dampfenden Kaffepötten. Teilweise war das Niveau von Smalltalk schnell verlassen und die Diskussionen eine diesen Urlaub prägende Erfahrung; „Inn-Reisende“ sind eher besser verdienend und überraschend politisch interessiert, habe ich den Eindruck.

Und nun zum REISEABLAUF!

In Boston beherbergte uns das Charles Street Inn im vornehmen Stadtteil Beacon Hill (www.charlesstreetinn.com). Gelegen an der Hauptstraße des Stadtteils, nah zur U-Bahn und auch zu Fuß nicht „ab vom Schuß“ handelt es sich um ein traditionelles B&B in einem Haus aus dem Ende des 19. Jahrhunderts mit nur neun Zimmern auf fünf Geschossen. Extrem gepflegt, freie Softdrinks, Obst und Schokoriegel. Riesige „Over Kingsize Betten“ von 2,40 m Breite und unendlich bequem, dazu in einem superschicken Stadtteil gelegen – alle Erwartungen wurden erfüllt. Leider kein gemeinsames Frühstück der Gäste, sondern im Zimmer serviert.

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Boston (man sieht sich als die Wiege der USA, was nicht so ganz richtig ist, denn die steht in Virginia mit Jamestown als erster Siedlergründung und Williamsburg als erster Hauptstadt der USA nach „Declaration of Independence“) ist eine US-untypische Stadt. Nicht nur wegen der U-Bahnen, sondern wegen der gesamten Atmosphäre eher europäisch. Viel Kunst, viel Kultur, viele Studenten, viel Geschichte und eine schroff die Gegensätze aus Heute und Gestern kontrastierende Innenstadt.

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Man kann alles erlaufen, darf sich aber bei diesem Anspruch über viele Gehstunden nicht beschweren trotz der gut ausgebauten Öffis.

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Sehenswert sind Beacon Hill, Innenstadt, die Studentenviertel um Cambridge, der italienische Stadtteil im North End und das Viertel ums Bunker Monument.

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Mietwagenübernahme am Flughafen problemlos, also kommen wir nun zum „CAR“-Teil des Reiseberichts:

Bei strömendem Regen (und in den USA strömt da irgendwie mehr als bei uns, es goß wie aus Kübeln) ging es nordwärts zunächst der schnelleren Fahrt wegen über den Interstate 95. Ein Vorgeschmack auf das, was uns an „Straßenqualität“ erwarten würde – und für einen insofern durchaus noch verwöhnten Deutschen teilweise ein Unding. Schlaglöcher ungesichert mitten auf der Fahrbahn, wegbrechende Wegesränder, Fahrbahnverwerfungen, die das Fahren eines Sportwagens zum Vabanquespiel machen, völlig verrostete Brücken, bei denen offensichtlich die Entwässerung nicht funktioniert – ich verstehe jetzt die Hilferufe der Redaktion von Car and Driver, die alleine für die Interstates (sog. Autobahnen) einen Sanierungsbedarf von mehr als 150 Mrd. USD veranschlagen!

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Immerhin können wir ab Portsmouth bei nachlassendem Regen doch noch etwas Küstenstraßen erfahren auf unserem Weg nach Portland.

Dortiger Zwischenstopp im West End Inn (www.westendbb.com) war deutlich weniger komfortabel und auch deutlich billiger. Das Inn aus dem 19. Jahrhundert liegt in einer sehr ruhigen Wohngegen, die gerade noch erlaubt, die Innenstadt zu Fuß zu erreichen. Hier erstmals (und später immer) gemeinsames Frühstück der Gäste mit der willkommenen Möglichkeit, mit seinem Tischnachbarn ein lockeres Gespräch anzufangen. Hier wie auch in den anderen Inns war es dann wichtig, etwas spätere Abreisezeiten zu berücksichtigen – bis man sich da loseisen kann, wird’s auch schon mal zehn Uhr!

Portland hat eine an sich sehr nette Innenstadt mit guter Versorgung durch Bars und Kneipen, nur holte uns doch tatsächlich der blöde Regen ein und die Sache ließ sich daher weniger vergnüglich als gedacht an. Kurz in einem Outletcenter etwa 20 miles nördlich vorbeigeschaut – enttäuschend (wie alle anderen auch). Zwar ist alles billig, aber es ist auch billig, außer man steht auf Polo Ralph Lauren. Levis-Jeans in meiner Größe? Großes Gelächter! Alles nur für Dicke oder Kurze, aber nicht für lange Schlanke … Auch Eva ist enttäuscht, wir brauchen uns nach drei solcher „Center“ um die Einfuhrfreigrenzen keine Gedanken zu machen.

Am nächsten Tag geht’s entlang dem Highway No. 1 (ätsch, den gibt’s auch hier!) nordwärts Richtung Acadia National Park. Wetter immer noch nicht wirklich prickelnd, also eigentlich gemütlich Strecke machen. Eigentlich, denn die Fahrweise der Einheimischen ist nervenzerfetzend. Ödes Rumgegurke, lauthals röhrende V8-Pickups, die schier nicht von der Stelle kommen (sich aber wie startende Flugzeuge anhören), viele alte Leute von offensichtlich mehr als verzögerter Aufnahmefähigkeit, erdrosselnde Tempolimits – das macht so keinen Spaß. Bald habe ich mich mit unserem Jeep angefreundet und entdecke die Drehzahlreserven des zweiten Ganges – wenn da nur nicht dauernd diese durchgezogene gelbe Doppellinie auf der Straße wäre!! Diese passive Gondelei ist nichts für „Carpassion“, dabei ist die Polizeidichte eher eine Polizeidünne, so daß „Limit plus Umsatzsteuer“ als Minimum schon problemlos geht.

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In Bar Harbour (dem Hauptort des Acadia National Parks) beherbergt uns das Ullikana (www.ullikana.com), das aus zwei bestens erhaltenen und sehr geschmackvoll ausgestatteten Sommerferienvillen am Ende einer direkt in der Innenstadt liegenden Sackgasse besteht. KEIN Fernseher!! Dafür ein liebevoll gepflegtes Ambiente von neuenglischem Ferienflair und ein erstklassiges, komplett tagesfrisch zubereitetes Frühstück in drei Gängen.

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Der Acadia National Park ist eine Sehenswürdigkeit erster Kajüte! Für 20 USD darf man den lieben langen Tag auf der Park Loop Road herumtrödeln (was hier nicht stört) und ständig wechselnde Ein- und Ausblicke in Natur und Landschaft genießen. Ein Sonnenuntergang auf Mount Cadillac (angeblich sieht man hier den ersten Sonnenaufgang des Festlandes der USA) ist sehr lohnend, aber auch zugig-frostig.

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Nachts kommen wir Richtung Null – „wenn das so weiter geht, habe ich völlig falsch gepackt“. Die Insel ist auch im Übrigen sehr sehenswert und hier schaffe ich dann auch, nach langem Studium der ausliegenden Literatur DEN Lobster Pound für uns aufzutun. Mein Hummer hatte zarte 3,5 Pfund und war gute 60 cm ausgestreckt groß, dazu ein Fläschchen Wein aus Washington State (alle anderen tranken dazu Cola, tunlichst „Diet“????) – so paßt das!

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Etwas anspruchsvoller in der Fahrzeit die Querung in Richtung White Mountains, im Wesentlichen um den Highway „2 West“ ab Pittsfield pendelnd. An sich lockere knapp 230 Meilen, aber Backroaddriving und lokaler Verkehr und wieder diese vermaledeiten doppelten gelben Linien – flottes Vorankommen ist schon durchaus „challenging“.

Ein bleibender Eindruck des Hinterlandes von Maine: Sobald die Touris weg sind, wird’s sehr bescheiden und ärmlich. Zu Müll haben die Jungs dort ein merkwürdiges Verhältnis, sie streuen ihn gerne und reichlich um ihre Behausungen auf Feld, Wald und Flur. Sieht nicht sehr schön aus und läßt tief in den Alltag des Wegwerfenden blicken. Was man da erblickt, läßt einen schon durchaus erschauern.

In Bethlehem, das am Nordrand der White Mountains liegt, hat uns das Bearmountain Lodge aufgenommen (www.bearmountainlodge.net). Mal was ganz anderes: Ein neu gebautes Blockhaus riesigen Ausmaßes mit Panoramablick auf den Mount Washington und moderner Qualität in bester Lage zum Erkunden der Umgebung. Auch hier gemeinsames Frühstück, aber Michael, der irischstämmige Besitzer, kann seine Wurzeln nicht verleugnen. Er sucht den Kontakt zu seinen Gästen auch des abends und hält im frei zugänglichen Kühlschrank sogar verschiedene Biere zur Selbstbedienung kostenlos vor. Nicht selten treffen sich die Gäste vor dem Abendessen und/oder danach im riesigen Gemeinschaftsraum und unterhalten sich sehr angeregt. Hier war auch das Publikum etwas jünger als in den anderen Häusern. Komplett selbst tagesfrisch zubereitetes Frühstück von ausnehmend guter Qualität!

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Die White Mountains sind bekannt wegen des Kancamagus-Highways, eines Panormastraßenteils des Highways 112. Wir haben ihn bei nun endlich und dauerhaft fast heißem und sonnigem Wetter befahren, bevor der Dauerstau durch Wochenendausflügler uns hätte einholen können. Soo doll ist der gar nicht, seine Querverbindungen zu Parallelstraßen sind viel interessanter und leer (Amis fahren gerne ihrem Navi und einem Reiseführer nach, „Abweichungen“ sind eher nichts fürs gemeine Publikum).

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North Conway ist wieder so eine total verstaute Einkaufsstadt mit 60 belanglosen Outletshops für Kurze Dicke – immerhin fällt für mich eine Lederjacke ab, die „in this size here not sellable“ ist. Kleiner, dunkelbrauner Trost in erstaunlicherweise passender Größe!

Einen zweiten Ausflugstag in die hier nun doch verfärbten Blätter legen wir so an, daß das Mount Washington Hotel und der Mount Washington Höhepunkte sind. Letzterer kostet Maut für den acht Meilen langen Aufstieg, man muß sich geduldig stauend ans Zahlhäuschen heranpirschen. Was an 1907 m so besonderes sein soll, fragt sich der alpine Mitteleuropäer wie ich? Es ist etwas besonderes, denn auf diesem höchsten Berg der Ostküste herrschen die klimatischen Verhältnisse wie auf dem Mount Everest! Bis zu 430 km/h (!!!) Windgeschwindigkeit – da erfriert man, wenn man nicht weggeweht wird! Bei uns sind’s nur milde 80 km/h und mir geht schon der Frost bis auf die Knochen …

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Das vormalige (und etwas heruntergekommene) Luxushotel hat Weltgeschichte geschrieben: Es liegt im Ort Bretton Woods, dort haben 1947 die westlichen Staats- und Regierungschefs die fixen Wechselkurse und die Goldbindung des Dollar vereinbart. Immerhin – bis 1971 hat’s gehalten, das Hotel hat die Zeit weniger gut überstanden und ist arg „gewollt, aber nicht gekonnt“. Immerhin: Der Cappuccino schmeckt halbwegs wie einer und wir entkommen erstmals dem unsäglichen und massenweise ausgeschenkten „coffee“ (eine dünne, kaffefarbige Labberbrühe teilweise nahezu gänzlich ohne Kaffegeschmack).

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Mit der von Norden einfallenden Laubverfärbung zieht’s uns nun durch das wunderschöne, gepflegte und auch im Hinterland sehrsehrsehr sehenswerte Vermont (das ich unterschätzte und deshalb keinen Zwischenstop für uns vorsah, leider) in die Berkshires am Westrand von Massachusetts. Die Anfahrt war zeitraubend, aber mit den vielen „Backroads“ auch abseits der Highways mehr als ansprechend. Unerläßlich dafür die Michelinkarte im Maßstab 1:400.000 – tadellose Orientierung und exakte Straßenführung haben Eva als menschlicher Navi die Arbeit erleichtert. Wir haben uns nicht verfahren! Tip am Rande: NICHT in Deutschland kaufen, kostet in USA 7 USD und hier 14 €.

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Lennox liegt sehr zentral in den Berkshires, das dortige Hampton Terrace Inn beherbergte uns in seinem Nebengebäude (www.hamptonterrace.com). Das Zimmer war recht angenehm, aber hier rächte sich die amerikanische Bauweise stark: Von den Regungen der über uns Wohnenden haben wir alles mitbekommen. Dafür abends intensive Gespräche mit den anderen Gästen am Kamin – eine sehr familiäre Atmosphäre, die wir sehr genossen haben. Eigene Getränke kann man mitbringen, das Haus stellt alle möglichen Gläser zur Verfügung. Anläßlich eines mehrstündigen kompletten Stromausfalls im ganzen Ort haben wir diese Möglichkeit der Unterhaltung gemeinsam vor dem Kamin auf Erleuchtung wartend sehr kurzweilig verbracht.

Das Wetter läßt uns ein bißchen im Stich – Nebel und Nieselregen verleiden uns manchmal das Ausfliegen. Hier pendeln wir quasi gemütlich aus und genießen die Ausblicke auch aus Nachbarorten (Stockbridge - letzte Heimat von Norman Rockwell – ist sehr sehenswert) und halten uns im wesentlichen in der Nähe auf. Ein längerer Ausflug über den als State Parkway 1917 angelegten Highway 4 im Staat New York sollte man sich nicht entgehen lassen – sehr schöne Strecke, auf der LKWs verboten sind.

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Apropos LKWs: Die Jungs da auf’m Bock verdienen alle Bewunderung! Mit teilweise mittelalterlicher Technik (Handschaltung unsynchronisierten Getriebes auch in NEUWAGEN!!), auf schlechtem Starrachs-Fahrwerk in nicht unbedingt auf Ergonomie als vorrangigem Ziel ausgerichteten Cockpits, mit den Schlafmützen drumherum und den schlechten Straßen kämpfend legen die teilweise mehr als beeindruckende Fahrkunststücke vor. Das ist noch echte Arbeit, die auch offensichtlich an mancher Gesundheit kratzt.

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Versuche, wenigstens hier in dieser „gesuchtesten Urlaubsregion“ nach interessanter Küche zu fahnden, vergehen fruchtlos. Das in vollkommen unfranzösicher Hektikatmosphäre servierte Diner wird zumeist heruntergeschlungen (der Umgang mit Messer und Gabel ist wohl auch nicht jedem gezeigt worden … Tischmanieren selbst in teureren Häusern, die hier zu Naserümpfen führen würden), inspirierte Kochkunst findet man schier nicht. Bleibt nur die Hoffnung, daß das Riesensteak auch gut sein möge!

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Zwei abschließende Anmerkungen: Irgendwie läuft das ganze Land „auf Zucker“. Die Speisen sind seltsam ungewürzt-salzarm und Nachsalzen ist nie so gut wie gleich richtig würzen. Frühstücke können komplett süß sein – mit Ahornsirup über Zimtbratwüstchen! „Nur dicke Leute trinken Diet Coke!“

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Dafür tut sich langsam wieder die Tradition des „General Store“ an Kreuzungen zweier Highways auf. Junge Leute nehmen wieder den Tante Emma-Laden mit angeschlossener Tankstelle und Imbußbude auf. Sehr empfehlenswert! Preisgünstig, immer ein Schwätzchen mit den locals und als Geheimtipp dieser Reise Pastrami-Sandwich. Herrlich lecker, unfett und reichlich ist das mein bevorzugter Mittagssnack.

Kurz aber heftig geht’s dann über den Interstate 90 ostwärts über Springfield und von dort südlich über Nebenstraßen nach Norwich in Rhode Island und von dort ostwärts nach Newport.

Das Finale dort hatte es in sich. Das Hilltop Inn (www.hilltopnewport.com) ist ein penibelst gepflegtes Haus mit den allerbesten Bädern, die wir auf der Reise hatten. Nachmittags reichlich selbstgebackener Kuchen mit Kaffee und Tee – kein Gast läßt das aus, wieder kommen sehr nette Gespräche mit den anderen zustande, abends steht eine Karaffe mit gutem Portwein für den Schlummertrunk bereit. Sehr leckeres Frühstück, wieder alles selbstgemacht, selbst die Joghurtzubereitungen! Sehr nah zur Innenstadt, so daß man abends gemütlich zu Fuß losziehen kann.

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Die Stadt ist für ihre vermeintlich bombastischen Sommerresidenzen der reichen New Yorker („Newport Cottages“) bekannt. Manche der historisierten Häuser (sie sehen aus wie aus dem 17./18. Jahrhundert, sind aber anfangs des 20. gebaut worden) können besichtigt werden. Als Kontrast bieten sich das geschmacklos in Unmengen günstigen rosa Marmors ausgestatte „Marble House“ der Familie Vanderbilt an (zarte 10 Mio. USD um 1910 für eine Ansammlung geschmacklosen Prunks verballert) und dasjenige des Kohlenkönigs „Elms“ (stilrein und mit treffender Architektur für nur 3 Mio. USD) an.

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Der dortige „Ocean Drive“ führt an im Vergleich zum „17-mile-scenic-drive“ in Carmel (Kalifornien) Das muß man mal gesehen haben im Vergleich dazu! - uninspiriert historisierten modernen Cottages vorbei und öffnet den Blick auf den Altlantik. Na ja … „Das ist was für Tartaren, die sonst noch nirgends waren“ … weder die Häuser noch der Atlantik beeindrucken, wenn man schon mal „modern contemporary architecture in Kalifornien/Colorado sah oder an der Côte Rose/Côte Sauvage in der Bretagne.

Die Rückfahrt nach Boston ist unspektakulär wie der kurze aber mit einer Träne im Auge vorgenommene Abschied von unserem Jeep Wrangler.

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Immerhin kann ich bei Autozone noch echte Schnäppchen machen, denn das Meguiar’s Zeug kostet in USA nur Bruchteile der deutschen Preise.

So, der Rückflug-Jetlag hat mich fast eine Woche gequält, jetzt bin ich endgültig wieder „daheim“.

ALLE sehenswerten Fotos gibt's hier: https://picasaweb.google.com/TrueTriumph/NeuenglandOktober2011?authkey=Gv1sRgCPCV5Z6R96aakQE

Markus

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Ein super Bericht.

Schon lange steht Neuengland und der Indian Summer auf meiner Liste. Ist aber mit der Zeit etwas in den Hintergrund gerückt. Jetzt ist die Motivation gross entsprechende Planungen wieder aufzunehmen.

Vielen Dank für den aussagekräftigen Bericht mit seinen netten Details, der auch sehr angenehem zu lesen war. :-))!

Ebenfalls Danke für den ausführlichen Bericht!

Das Beste scheinen wohl die vielen Gespräche gewesen zu sein, wenn ich das richtig herauslese. Essen eher unterschiedlich und Infrastruktur mit ein wenig Verbesserungsbedarf.

Was mich interessieren würde: Wie speziell ist denn nun die Laubverfärbung im Vergleich zu Deutschland? So viel anders sieht es auf den Bildern eigentlich nicht aus. Oder wart ihr vielleicht ein bischen zu früh dran?

Tja, da sind wir leider in einem völlig verregneten Sommer "hängengeblieben". In Boston war alles sommerlich-grün, erst in den White Mountains "Vor-Peak".

Wir haben einen Fehler gemacht: Das Rot der Bäume kommt besser zur Geltung, wenn man nicht in strahlendem Sonnenschein fotografiert.

Abends sah es aus, als ob der Wald brennen würde - von Zonnoberrot bis Dunkelorange sind die Farben. Unser Herbst ist ja eher braun-gelblich. Insofern: Wenn man den höchsten Grad der Laubverfärbung erwischt sieht's gänzlich anders als bei uns.

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Markus

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Gast
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