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Für die Winterfahrer: "Was iss'n Warmfahren?"


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Im letzten Winter haben die dauerhaft verläßlich gleichmäßig kalten Temperaturen mich zu experimenteller Erforschung des korrekten „Motorwärmens nach Kaltstart“ verführt. Die Ausführungen habe ich nach weiteren Überlegungen nochmal überarbeitet und kann sie nun auch hier vorführen:

Ausgangsbedingungen des Experiments:

Daihatsu Sirion (den bin ich Gottseidank losgeworden:-))!), Start bei möglichst 0°, Fahrzeug hat vorher mindestens 12 Stunden gestanden. Kein Kühlwasserthermometer, aber eine „Kaltwarnleuchte“, die bei 45° Kühlwassertemperatur ausgeht. Motoröl 10 W 40.

Frage: Wie lange dauert es bei verschiedener Fahrweise, bis sie ausgeht?

Los geht’s (auf immer gleicher Fahrtstrecke in Speyer und zurück, keine Ampelhalts)

Leerlauf: 9 Minuten

Schaltdrehzahl 2000/min in jedem Gang: 5 Minuten

Schaltdrehzahl 2500/min in jedem Gang: 4 Minuten

Schaltdrehzahl 3000/min in jedem Gang: 3 Minuten

Schaltdrehzahl 3500/min in jedem Gang: 2,5 Minuten

- jeweils sofort nach Motorstart losgefahren, Heizung immer aus.

Sieht doch auf den ersten Blick glasklar aus, oder? „Gleich losfahren und mittlere Drehzahlen“ – wie’s auch allenthalben heißt.

Betrachten wir das ganze mal durch eine andere Brille!

Wieviele Motorumdrehungen sind erforderlich, bis das Lämpchen ausgeht? Sind natürlich nur grobe Schätzungen nach dem Betriebszustand, dürfte aber hinkommen:

Leerlauf: Von 1500/min auf 1000/min fallend, Mittel 1250/min, also 11.250 Umdrehungen.

Schaltdrehzahl 2000/min, im Mittel so um die 1500/min, also 7500 Umdrehungen.

Schaltdrehzahl 2500/min, im Mittel so um die 2000/min, also 8000 Umdrehungen.

Schaltdrehzahl 3000/min, im Mittel so um die 2300/min, also 6900 Umdrehungen.

Schaltdrehzahl 3500/min, im Mittel so um die 2500/min, also 6250 Umdrehungen.

Scheint also was dran zu sein, oder? Je flotter man losfährt und je flotter man „Zunder gibt“, desto schneller ist der Motor warm. Daß er bei Version „2500“ etwas länger braucht als bei „2000“ liegt an der relativ geringeren Last pro Arbeitshub, beim Beschleunigen muß man schon mehr als Halbgas geben, während die etwas höhere Schaltdrehzahl geringere Last erfordert.

Wo ist der Haken?

Der Haken ist deutlich hörbar bei den verschiedenen Fahrweisen und deckt ein von dem pauschalen Hinweis nicht erfaßtes Phänomen auf: Nicht allein das Kühlwasser ist interessant, sondern auch die Schmiersituation! Genauer: Die Phase, bis zu der an den Kolbenringen (Zylinderlaufflächen) eine vernünftige Schmierung sichergestellt ist und bis zu der auch im Ventiltrieb genug angewärmtes Motoröl ankommt. DAS ist nämlich der Hauptverschleiß beim Kaltstart!

Methode Leerlauf verläuft da gänzlich unauffällig, das Maschinchen tourt vor sich hin, der Computer regelt die Drehzahl fein herunter.

Bei Schaltdrehzahl 2000/min geht’s auch akustisch ganz gut nach einer etwas metallen klingenden Anfangsphase (für vielleicht 30 Sekunden nach dem Start), bei 2500/min sind auch die ersten etwa 30 Sekunden schon forcierter laut – scheint vor allem vom Ventiltrieb zu kommen. Bei 3000/min ist der Effekt noch größer, aber auch schneller rum. Bei 3500/min hört sich’s anfangs nicht wirklich gut und gesund an – ich fühlte mich deutlich unwohl.

Und jetzt?

Jeweils bei Erreichen des „Lämpchen aus“ kurz angehalten und mal den Ölpeilstab gezogen bei laufendem Motor. Temperatur nur gefühlt, nicht gemessen:

Leerlauf: kalt

2000/min: kalt

2500/min: wärmer, aber nicht wirklich warm

3000/min: wärmer, etwas weniger als handwarm (aus dem Handschuh).

3500/min: deutlich handwarm.

Armin bei der Sendung mit der Maus würde sich jetzt am Kopf kratzen und fragen: Was soll uns das nun andeuten? Ich weiß, das kann auch heißen, daß ich nicht mehr alle Latten am Zaun habe ... :wink:

Kurzer Ausflug ins Motorinnere:

Die Zylinderlaufflächen werden (bei fast allen Motoren) ausschließlich durch Spritzölnebel geschmiert und gekühlt, das entweder aus dem Ölsumpf durch den Kurbeltrieb hochgwirbelt oder durch Ölbohrungen in der Kurbelwelle gepreßt wird. Manche kriegen auch noch durch besondere Bohrungen Spritzöl unter die Kolben, damit die nicht dauerhaft zu heiß werden. Der (oben liegende) Nockenwellenantrieb hat beim Abstellen zurückgebliebenes Restöl anfangs drucklos "herumstehen" und kriegt sein Öl durch Steigleitungen im Block „hingedrückt“. Das anfänglich dickflüssige Motoröl ist zähflüssiger und erzeugt durch den Pumpwiderstand einen höheren Druck ohne besseres Fließverhalten. Bildlich gesprochen: Honig pumpt sich nicht so gut wie Wasser. Deswegen steht das Ölmanometer ach im Leerlauf bei kalter Maschine bei 4,5 bar (dem Öffnungsdruck für das Öldruckregelventil am Ausgang des Filters).

Seine dafür zugefügten Additive arbeiten bei so niedrigen Temperaturen nicht oder noch nicht richtig. Hohe Drücke auf die Kolbenringe durch hohe Last im Brennraum kann zu kurzfristiger Mangelschmierung an den Kolbenringen führen. Hinzukommt, daß die Kolben sich viel schneller erwärmen als die Zylinderwände und damit die Kolbenringe zusätzlich belasten. Die müssen nicht nur mit mangelhafter Schmierung der Laufflächen kämpfen, sondern kriegen auch noch Druck vom Kolben (zusammen das Problem der „Kaltfresser“). Der Aluminiumkolben wird fast in Sekundenschnelle warm, der mit Kühlwasser umspülte Zylinder selber braucht schon ein Weilchen.

Solange der Motor nicht vollständig warm ist, bilden sich durch die Verbrennung und die Gemischbildung sowohl korrosive Gase wie auch korrosive Kondensflüssigkeiten (auch bei Dieseln!). Für Fachleute: Das ist dann „Riccardo-Korrosion“. Je höher die Last, desto schneller wärmt sich ein Zylinder durch.

Bei einem MF3 kommt hinzu, daß wir ein aufwärmtechnisch einen Pferdefuß hat: Der Zylinderkopf ist aus Aluminium und der Block aus Grauguß. Leider dehnen sich diese Materialien beim Erwärmen unterschiedlich aus und daraus ergibt sich eine im wahrsten Sinne des Wortes spannende Lage für die Zylinderkopfdichtung.

Beim Warmfahren sind wir also gefangen zwischen Baum und Borke: entweder langsam drehen und die Phase der anfänglichen Mangelschmierung möglichst „schonend“ erledigen um den Preis erhöhter Korrosion in den Zylindern oder die Zylinder möglichst flott aufheizen, um den Korrosionsprozeß abzukürzen. Beides gleichzeitig geht nicht (wie man auch bei dem Experiment mit 3000+/min gut hören kann).

Meine Konsequenz ist folgende:

Bei Sportmotoren bin ich des erhöhten Verschleißes wegen etwas vorsichtiger (Alfa Giulia und Wiesel sind da so Kandidaten): Die Leerlaufphase kann durchaus 3 Minuten dauern (bis das erhöhte Standgas auf 1000/min abfällt), danach geht’s sehr gemächlich mit max. 2000/min und möglichst wenig Gas los, wenn das Kühlwasserthermometer anspricht, können’s auch mal 2500+/min sein, über 3000/min geht’s erst, wenn das Ölthermometer anspricht. Dann muß es aber auch zur Sache gehen, sonst dauert das Durchwärmen des Öls zu lange. Diese Prozedur dauert im Alfa gute fünf bis sechs Minuten beim Kühlwasser und nochmal so lange beim Motoröl (80° und mehr sind erwünscht), auch das Wiesel ist kaum besser (Kühlwasser geht sehr flott, Motoröl dauert so lange wie beim Alfa). Je schneller das Kühlwasser warm wird, desto geringer ist die Korrosion, je schneller das Öl warm wird, desto geringer ist der Verschleiß. Da ist die Altkonstruktion im Alfa also empfindlicher, beide sind aber beim Öl echte Sensibelchen und erfordern viel Geduld.

Eine Anmerkung am Ende: Nicht nur im Motor it Öl, sondern auch in Getriebe, Achsantrieb, Lenkung und Stoßdämpfern. Auch hier gibt's das Problem der Mangelschmierung beim Kaltstart - vor allem im Diff. und Getriebe, denn die sind nur schleudergeschmiert (haben also keinen Ölkreislauf). Stoßdämpfer nehmen kaltes ruppiges Gerumpel übrigens sehr übel, die haben auch Ventile und Kolben!).

Das soll einen aber nicht abhalten, schöne Sonnentage auch in den kommenden sechs Monaten möglichst für Bewegung an der frischen Luft zu nutzen!!:rolleyes:

Markus

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Hallo Markus,

danke für Deine interessanten Ausführungen - ich habe mir auch schon Gedanken gemacht, so etwas mal zu machen, weil ich mich immer wundere, wie schnell mein kleiner Dreier-20 i auf Temperatur kommt. Das ist jetzt aber im positiven Sinne gemeint, von mir zu Hause aus bis zur Autobahnauffahrt habe ich ca. 5 km durch die Stadt mit höchstens 2 roten Ampeln zu fahren und wenn ich auf der Autobahn bin ist schon alles immer schön im grünen Breich, so dass ich mich gleich zügig im Autobahnverkehr einfädeln kann. Sicherhaltshalber gebe ich ihm auf der Bahn dann noch die nächsten 5 km 3500 Umdrehungen und steigere dann kontinuierlich die Drehzahl... :wink:

Bei dem fetten V8-Triebwerk des MF4s dauert das mindestens eine halbe Stunde.... O:-)

Also ab -20°C stelle ich immer 2 Stunden vor Abfahrt meinen alten Bunsenbrenner unter den Motorblock, bevor ich dann kurz vor dem Start gut temperiertes (mind. +37°C) Superbenzin in den Tank fülle. Das Getriebe ist sowieso mit einer Heizdecke im Winter umschlungen und wird kontinuierlich bei +25°C gehalten. Die Sitze können mit der Rotlichtlampe meiner Oma kurzfristig mollig warm gewärmt werden, dabei ist darauf zu achten, dass die Temperatur direkt auf dem Leder nicht über 45°C steigt, da sonst das Lederfett auskörnen könnte. Reifen siehe auch wie Formel1-Heizdecken.

Alles Tips meiner russischen Verwandten!

Gruß

Thomas1

@Fantomas58: Denk dran, auch die Stoßdämpfer vorzuwärmen - sonst lohnt sich der Aufwand nicht.X-)X-)X-)

Der Beitrag sollte nur vor Augen führen, welche sich wechselseitig beeinflussenden Faktoren bei einem Kaltstart welche Auswirkungen haben. Schlußfolgerungen bleiben jedem selber überlassen. Lest mal auf Ingo Köths Homepage, wie er warm fährt! Rücksichtslos wirkt das auf den ersten Blick, bei genauem Betrachten ist's das aber gar nicht:

Motor an, Hoftor auf, Auto raus, Hoftor zu (bis dahin ist alles durchgeschmiert und alle Stellen haben "Drucköl" und nicht nur Restölmengen), kurz noch durch den Ort (Kühlwasser wird schon deutlich angewärmt sein, kritische Phase der möglichen Kaltfresser durch schnell ausgedehnte Kolben ist vorbei) und ab Ortsende gibt er dem Motor schon 6000/min. Ist aber wohl der Vollalu-Motor, der nicht das Problem der Zylinderkopfdichtung hat wie es die MF3-Maschinen haben.

Diese Methode funktioniert bei einem wenig empfindlichen Motor gut, bedarf aber frischen Motoröls und verständigen Umgangs mit dem Gaspedal. Viel kürzer geht eine Kaltstartphase nicht - das ist die Hardcore-Methode, seinenübrigen Antriebskomponenten mutet er da schon einiges zu.

Damit kein falscher Eindruck aufkommt: Ab 60° Öl können und sollen (damit das mal voran geht mit der Erwärmung) ruhig Drehzahlen anliegen. 4000 muß meiner dann abkönnen, auch mal Richtung 5000 - langsam los und dann ist's auch mal gut mit dem Geschleiche.O:-)

Markus

P.S.: Was ich mit meinen Eiern mache, geht Euch grad' gar nix an!:rolleyes::rolleyes::P

Ich hab mir da auch schon so meine Gedanken gemacht...

Gut wäre, wenn man sich in der Garage über die Zentralheizung einen eigenen Schrank zur Kühlwasserterperierung einrichten könnte.

Via einer Schnellkupplung sollte man dies an den Kühlkreislauf des Motors anstöpseln können und so den Motor temperieren können.

Sollte doch (im Ernst) eigentlich machbar sein. Rennmotoren werden doch zum Teil auch so auf Temperatur gehalten, so viel ich weis.

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