Es ist wiedermal einer dieser Tage im Büro, von denen man sich wünscht, dass sie schnell vorüber gehen. Man ist gefangen im Nirgendwo zwischen Montag und Freitag, denkt glücklich ans letzte Wochenende zurück. Plötzlich klingelt das Telefon: „Herr Kühlein, hier ist die Wiesmann-Pressestelle. Wir haben kommende Woche einen MF5 Roadster für Sie für eine Testfahrt. Haben Sie Zeit?“ Die Antwort lautet selbstverständlich: „Ja! Ja, natürlich habe ich Zeit!“ Und so wird aus einem normalen Bürotag ein grandioser Tag. Der Körper reagiert sofort und schüttet massenweise Glückshormone aus.

Wiesmann Roadster MF5

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Ordentlich breit aber immer noch unverkennbar ein Wiesmann Roadster: Das Heck des MF5 bietet Platz für die großen Hinterräder und den ausfahrbaren Heckflügel.

Zuhause angekommen wirken diese immer noch nach. Sie euphorisieren und mit leuchtenden Augen erzählt man der besseren Hälfte, was einem heute Gutes widerfahren ist. Plötzlich kann die Woche gar nicht mehr schnell genug vorbei gehen. Wie ein kleines Kind zählt man herunter: Noch viermal schlafen, noch dreimal schlafen, noch zweimal schlafen und schließlich nur noch einmal schlafen.

Endlich geht es los. Ich sitze in meinem eigenen Fahrzeug und fahre nach Dülmen zur Wiesmann-Manufaktur. Bereits von weitem kann man das prägnante Gebäude in Geckoform, dem Wiesmann-Logo, erkennen. Ich steige aus, laufe zum Gebäude. Beinahe muss ich mich zusammenreißen, um nicht loszurennen und so noch zwei Minuten mehr mit diesem Traumwagen zu gewinnen. Es folgt zunächst das übliche Prozedere der Übergabe, die Formalitäten. Auch diese sind schnell abgehakt und wir gehen endlich zum Fahrzeug.

Da steht er nun vor mir: Flach, breit, in einem wunderschönen Blau metallic lackiert. Offen und mit einem perfekt verarbeitetem Innenraum mit dunkelblauem und weissem Leder. Und der Wettergott strahlte mit mir um die Wette: Nicht eine einzige Wolke am Himmel. Bereits im Stand zeigt er mit seiner gegenüber den kleinen Brüdern MF3 und MF4 verbreiterten Karosserie seine Potenz. Beinahe sieht es so aus, als wolle er mir sagen: „Steig ein, heute entführe ich Dich in eine neue Welt. Du wirst alles andere vergessen und danach voller Glückshormone wieder aussteigen. Ja, ich will Dich süchtig machen.“

Endlich sitze ich nun am Steuer und nach einer kurzen Instruktion darf ich mit leuchtenden Augen den edlen silbernen Knopf mit der Aufschrift „WIESMANN START“ drücken. Es folgt ein wohliges Brummeln unter der Haube. Der aus München eingekaufte V8-Biturbo-Motor mit 408 kW/555 PS, der in dieser Form auch im BMW X5 M und X6 M seinen Dienst verrichtet, brummelt friedlich vor sich hin. Wenn er reden könnte würde er vermutlich sagen: „Als ich entwickelt wurde, haben meine Entwickler genau an dieses Auto gedacht. Warum? Ganz einfach: In meinem ursprünglichen Einsatzort muss ich ganze 2,4 Tonnen herumwuchten. Sicher gelingt mir das mit links, aber hier habe ich es mit nur knapp 1.400 kg zu tun. Du wirst gleich sehen, was ich damit meine!“

Was das ganz konkret bedeutet veranschaulichen wohl am besten diese Zahlen: Im BMW X6 M liegt das Leistungsgewicht bei gut 4,32 kg/PS, im Wiesmann Roadster MF5 sinkt dieses auf beeindruckende 2,52 kg/PS.
Dies bedeutet für die prestigeträchtige Beschleunigung von 0 auf 100 km/h, dass sie nicht mehr 4,7 Sekunden, sondern nur noch 3,9 Sekunden braucht. Wenn man denn möchte, könnte man mit maximal 311 km/h die Landschaft an sich vorbeiziehen lassen. Alleine diese nackten Zahlen werden dem Erlebnis Wiesmann Roadster MF5 aber nicht gerecht!

Endlich fahre ich vom Parkplatz der Manufaktur. Man sitzt tief in einem perfekt geschnittenen Sportsitz, der so genau sitzt wie ein gut geschnittener Maßanzug. Auf der einen Seite die Tür, auf der anderen die Mittelkonsole. Alle Instrumente im Blick und alle Bedientasten im Griffbereich, logisch angeordnet und perfekt zu bedienen. Jenes, was man nicht so oft braucht, wurde wohl auch aus Ästhetikgründen in einem Klappfach in der Mittelkonsole untergebracht. Hier finden sich unter anderem die elektrische Spiegelverstellung und die Sitzheizung. Vom perfekt geschnittenen Sportsitz aus hat man die endlos lange Motorhaube vor sich, die scheinbar gar nicht enden möchte.
Ein kurzes Antippen des Gaspedals und bereits jetzt habe ich das legale Tempolimit in der Stadt erreicht. Es macht sich sofort positiv bemerkbar, dass die Geschwindigkeit nun auch auf dem Display hinter dem Lenkrad angezeigt wird. Gut für den Führerschein.

Es geht nun los auf die Landstraßen rund um die Wiesmann-Manufaktur. Keiner hinter mir. Gut. Ich bremse bis zum Stillstand ab und beschleunige auf das legale Landstraßen-Tempolimit. Was dabei passiert lässt sich nur schwer in Worte fassen. Das Auto krallt sich förmlich in den Asphalt. Beinahe scheint es so, als habe man die vom Wappentier bekannten Van der Waals Kräfte, welche es dem Gecko ermöglichen auch Wände hochzugehen, auf das Fahrzeug übertragen können. Der Motor ändert seine Tonlage, er faucht, er blubbert und pfeift. Diese Vielzahl der Verbrennungsgeräusche verzückt immer wieder. Jedes Beschleunigen lässt die Nackenhaare senkrecht stehen und man kann nicht genug davon bekommen. Wiesmann verspricht 3,9 Sekunden für die beschriebene Übung. Mangels Testequipment lässt sich das Ganze nicht nachmessen. Die brachiale Art und Weise mit welcher der MF5 allerdings losstürmt lässt jeden Zweifel an dieser Aussage bereits im Keim ersticken.

Auch die 311 km/h Höchstgeschwindigkeit erscheinen angesichts der Vehemenz, mit der das Fahrzeug selbst bei 200 Stundenkilometern noch Tempo zulegt, alles andere als nur ein Wert auf dem Papier zu sein, sondern ein wahrhaft haltbares Versprechen. Leider, leider war jedoch der Verkehr auf der Autobahn bei der Rückfahrt zu dicht, so dass wir es bei kleinen Zwischensprints bis maximal 200 km/h belassen mussten. Auch wenn es die objektiven Zahlen nicht zeigen und so nicht vermuten lassen: Gefühlt erscheint mir der Wiesmann Roadster MF5 sogar brachialer als ein Bugatti Veyron, den ich einmal bewegen durfte. Vielleicht liegt es auch daran, dass man offen fährt und damit den Sound des Motors und die Elemente deutlich besser fühlt. Einen beinahe gleichstarken Lamborghini Gallardo LP560-4 stellt er gefühlt ebenfalls deutlich in den Schatten.

Die Gegend zwischen Dülmen und Münster scheint wie geschaffen für diesen traumhaften Roadster. Einsame Landstraßen, langgezogene Kurven, enge Kurven. Es ist alles da, was das Autofahrerherz höher schlagen lässt. Dank der perfekt direkten und ohne Verzögerung agierenden Lenkung kommt hierbei das immer wieder gern zitierte Go-Kart Gefühl auf. Es ist wahrlich beeindruckend, in welcher Manier die Lenkbefehle ohne Verzögerung umgesetzt werden. Zackig, direkt, Perfekt. Beinahe hat man das Gefühl, die Lenkung sei auf einer Landstraße unterfordert. Könnte sie sprechen würde sie vermutlich sagen: „Lass uns gemeinsam den Mount Ventoux erklimmen oder eine Runde auf der Nordschleife drehen, dann weißt Du wie gut ich wirklich bin.“ Beeindrucken konnte sie aber bereits auf dieser Ausfahrt rund um die Dülmener Manufaktur.

Wer schnell fahren will, sollte ebenso schnell wieder zum Stehen kommen können. Auch im Wiesmann Roadster MF5 ist die Bremsleistung mehr als nur standesgemäß. Selbstverständlich liegt die Bremsleistung deutlich über der Motorleitung und die großzügig dimensionierte Mov’It-Bremse lässt sich perfekt dosieren und überzeugt durch ihre Standfestigkeit.

Kritik? Fehlanzeige. Nach einiger Zeit fühlt man sich wie verwachsen mit dem Fahrzeug. Man empfindet das Lenkrad, das Gaspedal, die Umsetzung aller Fahrerbefehle beinahe wie eine Verlängerung der eigenen Beine und Arme.
Kritische Zeitgenossen mögen am Wiesmann MF5 Roadster womöglich bemängeln, dass der Fußraum, vor allem auf der Beifahrerseite, doch stark eingeschränkt ist. Nun gut, in einem automobilen Entwicklungsprozess gibt es immer wieder Zielkonflikte, die man lösen muss und diesen hier hat Wiesmann ganz einfach damit gelöst, dass man sich für eine perfekte Gewichtsverteilung und damit einhergehend eine perfekte Balance des Fahrzeuges entschieden hat.

Leider waren die zwei Stunden Fahrt viel zu schnell vorbei und so hieß es denn auch wieder viel zu schnell Abschied zu nehmen von diesem Kunstwerk auf Rädern. Zum Abschluss der Testfahrt hatten wir dann noch die Möglichkeit die Manufaktur zu besichtigen. Wer nun meint die Schönheit des Fahrzeuges sei nur äußerlicher Natur, der wird schwer getäuscht. Die kunstvolle Arbeit dieses Fahrzeuges geht unter der Karosserie weiter. Das von Hand montierte Aluminiummonocoque, die Fahrwerksanbindungen und vor allem der vordere Querlenker selbst erstrahlen in einer Ästhetik, die im Automobilbau wohl ihresgleichen sucht.

Zum Schluss dieses Artikels bleibt nur ein wehmütiger Blick zurück auf zwei prägende Stunden, die leider viel zu schnell vorbei waren. Verbunden wird dies mit dem Dank an die Enthusiasten der Firma Wiesmann, die dieses Kunstwerk auf die Straße bringen und natürlich auch ein Dank an alle Wiesmann-Fahrer, ohne die es diesen Traumwagen nicht geben würde. Die Glückshormone und die Erinnerungen werden noch lange wach bleiben.

Fotografen: Benjamin Stein und Oliver Kühlein (je 3 Bilder)