Wie begegnet man Stimmungstiefs in Herbst und Winter am wirkungsvollsten? Einsteigen, anschnallen, Motor anlassen, breit grinsen. Am besten möglich in einem handgefertigten Sportwagen wie dem Wiesmann MF5 GT, den wir ein wenig zum Tanz auffordern durften. 555 PS beschleunigen das starke Stück in 3,9 Sekunden auf 100 km/h. Das Spitzentempo von 311 km/h glauben wir einfach mal unbesehen.

Wiesmann MF5 GT

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Auf den Einstiegsleisten findet sich bereits der Marken- und Modellschriftzug und das Wappentier: Der ebenfalls fest am Boden klebende Gecko.

Der Blick nach draußen fördert momentan in Deutschland eher wenige Glücksgefühle herauf. Weihnachten versinkt dieses Jahr weniger im Schnee, als im Regen und aus lauschig kalt wurde schmuddelig warm. Um keine Winterdepression zu bekommen, muss man schon in die Garage gehen und liebevoll über die Schwünge der eingemotteten Sommerspielzeuge streicheln. Sollten solche nicht vorhanden sein, könnte es eng für Sie werden, aber vielleicht reichen ja die folgenden Zeilen, um warme Gedanken zu erzeugen. Die Wettervorhersage für diesen Fahrbericht ließ nichts Gutes erahnen, waren doch tatsächlich erste Schneefälle und Minustemperaturen angesagt worden. Gemischt mit 555 PS aus einem Biturbo-V8-Aggregat ist das nicht zwingend eine Traumkombination. Dennoch setzten wir uns ins Auto und rollten tatsächlich anfangs durch dichten Schneeregen in Richtung Dülmen, wo uns zwar nicht die Sonne, aber immerhin Trockenheit erwartete.

Dass die Redakteure des CPzine in Dülmen gern ein- und ausgehen hat seinen Grund bekanntlich in der dort ansässigen Sportwagen-Manufaktur mit dem Gecko auf dem Dach – hier entstehen die faszinierenden Wiesmann Modelle. Und dessen uneingeschränktes Topmodell bat für diesen Tag zum Tanz um die Häuser. Blick nach oben: Wolkig, aber trocken. Blick nach unten: Winterräder mit Hartge Felgen. Danke dafür. Befestigt sind sie an einem schwarz lackierten MF5 GT mit optionalem Performance Paket, also ein Sportcoupé par excellence mit größerem Heck- und zusätzlichem Frontflügel. Tür auf, die Schwellerleisten mit Modellbeschriftung überklettert und rein in den Sportsitz. Hier hat der Begriff „Sitz“ tatsächlich seine Berechtigung: Sitzt wie eine zweite Haut, aussteigen will man schon jetzt nicht mehr. Kurz alle nötigen Funktionen gecheckt, Sitz und Spiegel eingestellt, Tür zu und dann den Motor per Knopfdruck zum Leben erweckt.

Immer wieder sind die körperlichen Reaktionen erstaunlich, wenn sich 555 gut durchtrainierte Pferdchen freihusten und den noch jungen Tag lautstark begrüßen – zumindest wenn es sich bei dem Körper des Zuhörers um einen Autofan handelt. Gänsehaut, wohliger Schauer über den gesamten Rücken, kurze Unschärfe in der Sehkraft, breites Grinsen. Nach einer kurzen Tour um den Block, bei der die flüssigen Betriebsmittel auf wohlige Grade gekommen sind, wage ich einen ersten beherzten Tritt auf das unten rechts angeordnete Pedal. Der MF5 GT tut genau das, was man von Turbofahrzeugen nicht erwartet: Er schießt sich und seine Besatzung direkt in Richtung Horizont. Ein von früher bekanntes und verrufenes „Turboloch“ ist allenfalls vorhanden, wenn man sich gerade in einem zu hohen Gang der Sechsgang-Automatik mit Wippen am Lenkrad befindet. An dieser Stelle höre ich den leisen Aufschrei der Sportwagenfans: Automatik in einem Wiesmann? Und dann auch noch im Topmodell? Ja, richtig gelesen. Auch ich gehöre definitiv nicht zu den Anhängern dieser Getriebevariante in Verbindung mit sportlichen Automobilen, muss mir aber ein gehöriges Wort des Lobes zu diesem Vertreter der Gattung abringen. Und das tue ich gerne, denn die Schalt- und Reaktionszeiten können sogar manches Direktschaltgetriebe alt aussehen lassen.

Wenn der Fahrer den Mut aufbringt, die in der Mittelkonsole eingelassene Sport-Taste zu drücken, hat man das Gefühl, dass der MF5 GT seine Muskeln noch mehr anspannt, als er das sowieso bereits tut. Das Gaspedal spricht noch eine Spur schneller an, die Gänge huschen nur so durch und die Geschwindigkeitsbereiche, in denen man sich legal auf Deutschlands Straßen aufhält, werden plötzlich klein und beengt. Dazu kommt die absolut fantastische Lenkung, die bei Wiesmann immer wieder den Vergleich mit einem zu groß geratenen Gokart aufwirft. Mit kaum merkbaren Lenkbewegungen hält man den Wagen auch auf kurvigen Landstraßen locker auf der Ideallinie – und das selbst in Tempobereichen, die braven Familienvätern in ihren Mittelklasse-Autos bereits den Schweiß auf die Stirn treiben würden. Dabei hat man dank der sieben mittig angeordneten Rundinstrumente stets alles im Blick. Hinter dem Lenkrad werden zusätzlich Informationen wie der aktuell eingelegte Gang auf einem Display angezeigt. Sollte man trotzdem einmal die Orientierung verloren haben, sorgt das serienmäßige Navigationsgerät dafür, dass man auf die passende Route zurückfindet.

Wie von Wiesmann gewohnt, ist man dabei auch im MF5 GT mit edlem Leder umgeben, das durch farblich abgesetzte Kontrastnähte und passend abgestimmte Ziffernblätter an den Rundinstrumenten aufgewertet wird. Selbst die Sicherheitsgurte lassen sich in verschiedenen Farben bestellen, um einen rundum gelungenen Innenraum herzustellen. Passend zum schwarz-goldenen Interieur hätte unser Testfahrzeug eigentlich auch goldene Felgen getragen, aber im Hinblick auf die niedrigen Temperaturen waren wir mit den silber lackierten Winterfelgen durchaus zufrieden – genügend Grip hatten die Räder sowieso. Und wer glaubt, dass ein Wiesmann lediglich zum flanieren vor der Eisdiele oder dem schnellen bezwingen von alpinen Pass-Straßen taugt, der sollte bei Gelegenheit eventuell einmal einen Blick in den Kofferraum werfen. Neben dem dort direkt ersichtlichen Bereich gibt es unter einer Bodenklappe eine weitere Verstaumöglichkeit, wodurch Urlaubsfahrten für zwei Personen durchaus möglich werden. Wir haben uns mit rund zwei Stunden zufrieden geben müssen, daher den Aktionsradius von Kofferraum und Tank nicht völlig ausgeschöpft und uns anschließend eher widerwillig vom MF5 getrennt.

Der einzige Kritikpunkt – und hierbei handelt es sich zweifelsfrei um Klagen auf hohem Niveau – ist der Sound, der aus dem 4,4 Liter großen V8-Biturbo-Motor über zwei Endrohre mittig unter dem Heck entweicht. Klar, es handelt sich um einen Turbo und diese Motorenart ist soundtechnisch immer ein Stück weit hinter ihren Saugerkollegen. Und ja, Wiesmann hat hier bereits ordentlich am System gekitzelt und entlockt dem Triebwerk tiefe Arien, die man vom Motoren- und Getriebespender X5 M so nicht kennt, aber wer einmal das Vergnügen hatte, den ersten MF5 mit seinem hochdrehenden und frei herausschreienden V10 bewegen zu dürfen, der ist dieser Geräuschkulisse hilflos und für alle Zeiten verfallen. Da dieser Motor jedoch nicht länger erhältlich ist, würde ich durchaus auch die rund 350 Arbeitsstunden warten, die Wiesmann benötigt, um einen individuell bestellten neuen MF5 aufzubauen. Muss eigentlich nur noch geklärt werden, ob ich den als Firmenwagen beim Chef durchbekomme.

Autor und Fotograf: Matthias Kierse