Wer sich die schönen Oldtimer mit Stern im Mercedes-Benz Museum oder bei großen Veranstaltungen anschaut, könnte ab und an zu der Frage kommen: Wo werden die eigentlich so super hergerichtet? Wir fanden die Antwort: Im Mercedes-Benz Classic Center in Fellbach bei Stuttgart. Das CPzine warf einen exklusiven Blick hinter die Kulissen. Hier arbeitet man nicht nur am umfangreichen Werksbestand, sondern auch an Kundenautos.

Mercedes-Benz Classic Center

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Das Navi lotst uns mitten in ein Industriegebiet. Kann denn das richtig sein? Fragend sehen wir uns an, bis aus dem Gerät die erlösende Botschaft „Sie haben Ihr Ziel erreicht“ erklingt. Tatsächlich, da ist es, das Mercedes-Benz Classic Center. Der Ort, an dem alt gewordenen Sternen ein zweites Leben geschenkt wird.

Von außen sieht das Classic Center aus, wie so ziemlich jedes Gebäude in typischen Gewerbegebieten: Ein Industriebau mit Flachdach. Einzig die Fassade macht deutlich, dass hinter den Mauern keine Spedition sitzt: Ein übergroßer Mercedes-Benz SSK, aufgenommen im Renntempo, grüßt von der Wand herunter die vorbeifahrenden Autofahrer und eventuelle Besucher des Classic Center.

Nach einer freundlichen Begrüßung wird uns erläutert, was das Classic Center so alles macht. Neben der Betreuung für die sehr umfangreiche Mercedes-Benz Werkssammlung kümmert man sich hier besonders um hochpreisige Kundenfahrzeuge vom ersten Benz bis zu Fahrzeugen aus den 1970er Jahren. Darunter die wohl bekanntesten Sternenträger: Der SSK/SSKL, der 300 SL Flügeltürer und Roadster, der 600er sowohl als Pullman wie auch als „Kurzer“, aber auch die gesuchten 300 SEL 6.3 und 450 SEL 6.9, für die in den vergangenen Jahren die Kaufpreise immer weiter angestiegen sind. Viele Kunden möchten dabei jedoch keine Restaurierung, sondern erst einmal eine Expertise durch die Benz-Experten, um zu wissen, ob ihr Fahrzeug noch den Auslieferungspapieren entspricht. In Fachkreisen spricht man dabei von „Matching Numbers“, also übereinstimmende Motoren-, Getriebe- und Chassisnummern, die genauso auch im Werksarchiv hinterlegt sind. Besonders bei Vorkriegsautos bringen Matching Numbers bei einem Verkauf gleich einige Tausend Euro extra gegenüber einem Fahrzeug mit unklarer Historie.

Ebenso kann dank des riesigen Archivs auch geklärt werden, in welcher Ausstattung der Wagen das Werk verlassen hat und welche Lackierung er trug. Mittlerweile geht der Trend in der Oldtimerwelt nämlich immer weiter dahin, dass Fahrzeuge in ihren Auslieferungszustand zurückrestauriert werden, während früher besonders der 300 SL häufig auf die beliebte Kombination silber mit rotem Leder aufgebaut wurde.

Nachdem wir unseren Begrüßungskaffee nun geleert hatten, ging es hinein in die heiligen Werkstatthallen. Dabei fiel unser Blick zuerst auf einen Teil des Tafelsilbers aus der Mercedes-Sammlung: Rennfahrzeuge aus den 30er bis 50er Jahren. Diese Autos sind heutzutage nicht für Geld oder gute Worte zu bekommen. Ganz wenige Exemplare befinden sich in privater Sammlerhand, die wertvollsten Stücke behielt das Werk jedoch stets für die eigene Sammlung. Darunter etliche Grand Prix-Renner, die unter Caracciola, von Brauchitsch oder Lang vor dem zweiten Weltkrieg ihre Gegner in Grund und Boden fuhren oder auch die bekannten 300 SLR Rennsportwagen. Im Classic Center werden diese Fahrzeuge für Veranstaltungen in Gang gebracht oder für Ausstellungen optisch aufgefrischt.

Als das Classic Center 1993 seine Pforten öffnete, begann man mit einer Restauration eines W196 Stromlinien-Wagens, die „nicht allzulange“ dauern sollte. Allerdings hatte man die Rechnung ohne die komplizierte Magnesium-Legierung der Originalkarosserie gemacht. Im Endeffekt entschied man sich dazu, die Karosserie komplett aus Aluminium nachzubauen, da das Auto auch auf Veranstaltungen wie zum Beispiel im englischen Goodwood eingesetzt werden sollte, und man nicht nach einem eventuellen kleinern Abflug wieder von vorne anfangen wollte. Abgesehen davon hat Magnesium auch beim Brandschutz gewisse Nachteile. Insgesamt dauerte die komplette Restauration fünf volle Jahre.

Nebenan in der Haupthalle werden die angesprochenen Straßenfahrzeuge auf Vordermann gebracht. Dabei arbeitet das Classic Center gezielt nur an den hochpreisigen Fahrzeugen der Sternengeschichte und da dann auch nur an Autos mit belegbarer Historie. Dass es davon genug gibt, zeigte ein Rundblick durch die Halle. Vom 600er über zwei 450 SEL 6.9, zwei Flügeltürer und mehrere Vorkriegsautos war alles da, was man sich als Benz-Fan wünschen konnte. Sogar noch etwas mehr, denn zum Zeitpunkt unseres Besuches wurden gerade sportliche Autos aus der Werkssammlung für die Techno Classica in Essen vorbereitet. Mittlerweile kann man einige dieser Wagen im Mercedes-Benz Museum begutachten.

So konnten wir uns den C112 Sportwagen, der 1991 trotz mehr als 700 Blindbestellungen nicht in Serie gegangen war, oder die SLR Vision aus allernächster Nähe anschauen und dabei in Kindheitsträumen schwelgen, hatte man sich doch als kleiner Bub die Automagazine mit dem C112 mehr als dreimal durchgelesen und dabei von wilden Rennen mit Ferrari und Porsche fantasiert.

Ein weiteres Betätigungsfeld des Classic Center ist der Verkauf von Oldtimern, die vor Ort restauriert wurden. Somit ist klar, dass es sich dabei auch um sehr hochpreisige Autos, wie das 600 Pullman Landaulet oder das 300 Sc Cabriolet handelt.

Nebenbei entstehen, meist in Zusammenarbeit mit den Auszubildenden, hervorragende Nachbauten der ersten gebauten Fahrzeuge von Daimler und Benz, den Gründervätern der Sternenmarke. Diese werden in limitierter Auflage an Sammler in aller Welt verkauft. Im Programm sind dabei die Daimler Motorkutsche, der Benz Patentmotorwagen und der Daimler Reitwagen, ein früher Vorläufer des Motorrads.

Wer also in Zukunft bei Veranstaltungen wie der Mille Miglia, dem Oldtimer Grand Prix am Nürburgring oder in Goodwood die Werksfahrzeuge in Aktion erlebt, weiß nun, wo diese vorher unter die Lupe genommen und eingestellt wurden. Vielen Dank an das Mercedes-Benz Classic Center für diese Einblicke hinter die Kulissen.

Quelle: Mercedes-Benz (1 Foto), Matthias Kierse (19 Fotos)

Autor: Matthias Kierse