Wo er auch auftaucht sorgt er für Menschenaufläufe. Das war bereits auf der IAA 1963 so, als er der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Die Rede ist vom Mercedes-Benz 600, in den USA bis heute „The Grosser“ genannt, was ihm wohl auch am ehesten gerecht wird. Von 1964 bis 1981 fertigten die Schwaben eines der luxuriösesten Automobile – und Filmstars, Kaiser, Könige, Staats-Chefs und der Papst waren dankbare Kunden.

Mercedes-Benz 600

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Mit dem Mercedes-Benz 600 hat sich der ehemalige Entwicklungs-Chef Fritz Nallinger wohl ein bleibendes Denkmal in der Automobilgeschichte gesetzt. Ziel der Entwicklung war ein großes Reise- und Repräsentationsfahrzeug, das gleichzeitig das technisch Machbare aufzeigen sollte. Das war Mitte der 1950er Jahre. Wenn man sich die Zeit vor Augen hält, sind serienmäßige Einbauten wie eine Luftfederung oder eine Servolenkung schon als wegweisende Neuerungen zu sehen. Auf der IAA 1963 wurde das Fahrzeug der staunenden Öffentlichkeit präsentiert, die sich in riesigen Menschentrauben um den Wagen sammelte, um wenigstens einen kurzen Blick auf das Meisterwerk werfen zu dürfen. Soetwas bekam man selten zu sehen. Von Anfang an gab es den Wagen in zwei Karosserievarianten. Die normale Ausführung maß bereits unglaubliche 5,54 Meter in der Länge, wurde jedoch von der Pullman-Variante noch um 70 Zentimeter übertroffen. Um die Größenunterschiede klarzumachen, erstellte Mercedes-Benz damals ein Vergleichsbild mit einem aktuellen 250 SE, dem Vorgänger der heutigen S-Klassen.

Angedacht waren ursprünglich 3.000 Fahrzeuge pro Jahr. Dies war aber aufgrund des hohen Fahrzeuggrundpreises nicht einzuhalten, immerhin kostete ein kurzer 600 im ersten Auslieferungsjahr bereits 56.500,- D-Mark, was in die heutige Zeit übertragen etwa 107.000,- € wären. Zum Ende der Bauzeit war der Grundpreis für die kurze Variante auf 144.000,- DM geklettert (umgerechnet etwa 152.000,- €), während die teuerste Version der damals aktuellen S-Klasse, der 450 SEL 6.9 für vergleichsweise günstige 78.960,- DM in der Preisliste auftauchte.

Jeder 600er wurde individuell auf Kundenwunsch gefertigt und ausgestattet. Neben den geschlossenen Limousinen gab es auch die Option, das Fahrzeug als Landaulet zu bestellen. Bei einem Landaulet sitzt der Chauffeur unter einem festen Blechdach, während hinten über den Fondpassagieren ein Stoffverdeck zurückgeklappt werden kann und somit für Cabrio-Feeling sorgt. Diese Option wurde nur ein einziges Mal auf Basis eines kurzen 600ers und 59mal auf Basis des Pullman gebaut. Den Pullman gab es überdies in zwei Versionen, nämlich mit vier oder sechs Türen. Die sechstürige Variante war für Kunden gedacht, die mit Sicherheitspersonal reisen mussten, das häufig aus dem Auto springen musste. Für Papst Paul VI baute Mercedes-Benz eine spezielle Landaulet-Version. Das Dach wurde um 70 Millimeter erhöht, der Fußraum im Fond komplett geglättet. Da hinten eh nur der heilige Vater mitfuhr, wurde mittig ein Sessel verbaut. Durch das zu öffnende Dach konnte er bei den Fahrten den Gläubigen zuwinken. Überdies waren für die zahlungswilligen Kunden auch Sonderanfertigungen mit Panzerungen möglich. Auch Sondereinbauten wie die ersten Autotelefone oder TV-Geräte waren möglich. Der Kunde war also König und gleichzeitig waren genug Könige Kunden.

Mercedes-Benz plante weitere Karosserievarianten ein, unter ihnen auch einen Krankenwagen, von denen es allerdings nur eine Coupé-Variante in den Fahrversuch schaffte. Zwei Prototypen wurden aufgebaut, wovon eine an Fritz Nallinger ging. So erhielt dieses Fahrzeug den Spitznamen „Nallinger-Coupé“. Allerdings wirkten die Proportionen bei einer verkürzten Coupé-Karosserie völlig unstimmig und so wurde ein Serienbau verworfen.

Der 600 war für Mercedes-Benz über die gesamte Produktion von 18 Jahren ein Verlustgeschäft. Allerdings brachten die TV-Auftritte als repräsentativer Wagen bei Staatsbesuchen oder Auftritten von Königen und Kaisern in aller Welt einen unverzichtbaren Image-Schub für die Marke mit dem Stern. Unter den prominenten Besitzern finden sich der japanische Kaiser Hirohito, das Königshaus von Katar, der persische Schah, aber auch Stars wie Elvis Presley, Herbert von Karajan oder John Lennon. Daneben hatten auch viele Staaten einen oder sogar mehrere 600er für Staatsbesuche im Fuhrpark stehen. Deutschland übrigens entgegen landläufiger Meinung nicht! Das Fahrzeug gehörte und gehört Mercedes-Benz und wurde jeweils von der Bundesregierung aus dem Fahrzeugpool in Stuttgart angefordert.

Insgesamt sind nur 2.677 Fahrzeuge entstanden, von denen die allermeisten bis heute existieren dürften. Immerhin hat der Mercedes-Benz 600 bis heute das Bild des repräsentativen Staatswagens geprägt. So verwundert es nicht, dass erst kürzlich sechs 600er aus dem Fuhrpark des Königshauses in Katar nach Deutschland eingeflogen wurden, um hier von Grund auf restauriert zu werden. Wer ein solches Fahrzeug besitzt, möchte es eben nicht mehr missen.

Quelle: Mercedes-Benz Presseserver

Autor: Matthias Kierse