Seit rund einem halben Jahr steht Dr. Rolf Haferkamp als neuer Vorsitzender der Geschäftsführung an der Spitze von Wiesmann. Für uns Grund genug, uns einmal um ein Interview zu bemühen und nach Dülmen in die Sportwagenmanufaktur zu reisen. Hier erhielten wir interessante Antworten und erneut spannende Einblicke in die Zukunft der edlen und sportlichen Kleinserienmarke, die im kommenden Jahr 25 Jahre alt wird.

Interview mit Dr. Haferkamp

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Für das CPzine war Chefredakteur Matthias Kierse anwesend, von Wiesmann zusätzlich der Marketingleiter Jan Molitor.

CPzine: „Herr Dr. Haferkamp, schön, dass Sie sich die Zeit für ein kleines Interview mit uns nehmen. Carpassion.com und unser CPzine sind Ihnen bekannt?“

Dr. Haferkamp: „Ja. Ich werde hier im Haus über Neuigkeiten im Internet auf dem Laufenden gehalten und bei Carpassion.com sind bekanntlich viele unserer Kunden und Fans angemeldet. Das freut uns. Wir haben zeitweilig auch überlegt, uns ebenfalls offiziell anzumelden, behalten uns jedoch lieber eine beobachtende Rolle vor. Damit spielen wir uns nicht übermäßig in den Mittelpunkt. Außerdem möchten wir firmeninterne Neuigkeiten erst dann veröffentlichen, wenn sie Hand und Fuß haben. Diskussionen über Gerüchte wären kontraproduktiv, wenn wir dabei mitwirken würden.“

CPzine: „Sie leiten nun seit rund einem halben Jahr die Geschicke der Marke Wiesmann. Können Sie unseren Lesern Ihren Weg zu Wiesmann kurz beschreiben?“

Dr. H.: „Ich habe mir vor sieben Jahren meinen ersten Wiesmann, einen gebrauchten MF4 GT, gekauft und war begeistert. Klang, Sportlichkeit, Eleganz. Im Januar diesen Jahres war ich dann hier im Werk, um meinen dritten Wiesmann neu zu bestellen und kam dabei mit Friedhelm Wiesmann ins Gespräch. Es ging darum, der Firma in diesen wirtschaftlich für alle schweren Zeiten mit neuem Geld eine neue Perspektive aufzubauen. Bei einem tieferen Blick in die Bilanzen des Hauses wurde schnell klar, dass es dabei um eine Restrukturierung und Stabilisierung gehen würde. Dabei war immer mein Anspruch, dass das, was gestern geleistet wurde, in keiner Hinsicht falsch gewesen ist. Im Gegenteil, man hat aus den bestehenden Bedingungen großartige Produkte geschaffen. Aber die Bedingungen haben sich nun einmal geändert und eine neue Ausgangsbasis geschaffen. Dort haben wir angesetzt und zusammen mit der gesamten Mannschaft neue Strategien und Arbeitsabläufe erarbeitet, um die Wiesmann-Fahrzeuge noch qualitativ-wertiger und besser zu machen. Nach meinem ersten halben Jahr hier im Haus habe ich das Gefühl, dass alles gut angelaufen ist.“

CPzine: „Haben Sie beim Gespräch mit Friedhelm Wiesmann Anfang des Jahres direkt eine berufliche Chance gesehen?“

Dr. H.: „Es ist auf keinen Fall so, dass ich diesen heutigen Posten offensiv gesucht hätte. Im Gegenteil, bis zu diesem und den folgenden Gesprächen war ich eigentlich lediglich normaler Kunde und begeistert von den Fahrzeugen. Außerdem fasziniert mich der Gedankengang der beiden Brüder Wiesmann, die hergegangen sind und unter dem Motto: „Wir bauen uns jetzt unser Wunsch-Automobil“, einen wahrhaftigen Klassiker erschaffen haben. Ich meine, sehen wir es mal von dieser Seite: Wenn Sie mit einer Fähre mitfahren, sagen Sie dann auch: „Ich baue mir jetzt selbst eine Fähre“? Oder ein eigenes Flugzeug? Der Erfindergeist, der hier im Unternehmen meiner Meinung nach bis heute weht, ist durch nichts zu ersetzen und muss aufrecht erhalten werden. Dabei muss jedoch eines klar sein: Wir wollen hier keine Liebhaberei im finanzrechtlichen Sinn betreiben. Sie wissen es so gut wie ich, wenn man ein Unternehmen zu lange ohne Gewinne betreibt, rechnet Ihnen das Finanzamt alles als Liebhaberei aus. Wiesmann baut Fahrzeuge für Liebhaber, aber nicht aus Liebhaberei.“

CPzine: „Welche Maßnahmen planen Sie, um genau diesem Vorwurf entgehen zu können?“

Dr. H.: „Für mehr Wirtschaftlichkeit muss man sich vor allem auf seine Kernkompetenzen konzentrieren. Und die liegen bei Wiesmann glasklar auf einem hervorragenden Chassis und den extrem individuellen Gestaltungsmöglichkeiten im Interieur und Exterieur. Dem gegenüber stehen Themen wie beispielsweise eine Vielfalt verschiedener Rad-Bremse-Kombinationen. Ich behaupte, dass die wenigsten Kunden eine Bremse wirklich deswegen kaufen, weil sie nachhaltig besser bremst, als ein Konkurrenzprodukt. Wir kriegen eher ab und an zu hören: „Den Bremssattel von Firma x gibt es auch in orange, deswegen will ich die Bremsanlage lieber, als die von Firma y“. An dieser Stelle müssen wir so hart sein, unseren Kunden die Wahl abzunehmen und von vornherein das Beste einzubauen, was am Markt verfügbar ist.

Auch in der Produktion muss klar geschaut werden, was wir selbst im Haus erledigen können und was eventuell extern vergeben wird.
Nehmen wir einmal unsere Abgasanlagen. Für die Saugmotoren war das kein Problem, weil man verhältnismäßig wenige Sachen beachten musste. Aber nun, mit den Turbotriebwerken, muss man schauen, dass die Lader ordentlich im System berücksichtigt werden, der Gegendruck stimmt und am besten am Schluss auch noch ordentlicher Sound bei der Sache herauskommt.

Denn sind wir mal ehrlich: Sportwagen werden durch Emotionen verkauft und die entstehen auch mit durch den Klang. Bei den Karosserien bleiben wir vorerst dem Glasfaser-verstärkten Kunststoff treu, obwohl ich an dieser Stelle auch anmerken möchte, dass wir durchaus bereits mit Kohlefaser experimentieren. Das ist eine ganz logische Entwicklung, wenn man sieht, dass man durch Carbon noch einmal etwas Gewicht einsparen kann, gleichzeitig aber mehr Sicherheit hat. Mehr kann ich zu diesem Thema aktuell jedoch nicht sagen.“

CPzine: „Wo sehen Sie Wiesmann im Wettbewerberfeld positioniert und wie sieht für Sie der typische Wiesmann-Kunde aus?“

Dr. H.: „Eigentlich gibt es für Wiesmann keine direkten Konkurrenten, deren Modellpolitik unsere schneiden würde. Es gibt lediglich Mitbewerber im gleichen Preisfeld, aber an der Stelle müssen die Kunden sich entscheiden, was sie lieber haben möchten. Und das ist ja auch gut so. Wir wissen, dass es zu unserem Design eigentlich nur zwei Meinungen gibt: Entweder man ist den Rundungen absolut verfallen und verliebt sich spätestens nach einer Probefahrt endgültig oder man lehnt die Linienführung ab und bevorzugt eher keilförmige Sportwagen.
Zum zweiten Teil Ihrer Frage: Der typische Wiesmann-Kunde ist, wie Sie und ich, absolut „Auto-besessen“! Diese Leute sagen: „Ich will genau so ein Auto fahren, weil ich Spaß haben will.“ Und genau diese Klientel möchten wir auch weiterhin erreichen.“

CPzine: „Nun wird es mit Ablauf diesen Jahres Ernst: Der MF3 läuft in seiner seit 1993 bekannten Urform mit Sechszylinder-Saugmotor aus. Können Sie uns schon etwas zur zukünftigen Modellpolitik des Hauses sagen? Wird es unterhalb des kommenden MF3-Nachfolgers ein Einstiegsmodell geben oder über dem MF5 einen Supersportwagen?“

Dr. H.: „Das ist eine sehr gute Frage. Die Planung und Entwicklung des kommenden MF3 läuft erfreulich eng mit BMW zusammen. Hier sollen möglichst viele technische Entwicklungen aus München direkt mit einfließen, damit wir erneut auf Jahre hinaus ein gutes Produkt ins Portfolio nehmen können. Dazu soll es eine Karosserieform geben, die möglichst nahe am alten MF3 bleiben soll. Bei diesem war ja, wie Sie wissen, das Problem, dass wir den neuen Motor nicht in den Gitterrohrrahmen hineinbekommen. Außerdem hat der Wagen keine Airbags, was bei den Kunden und Zulassungsbehörden zunehmend zum Problem wird. Wir möchten den kommenden MF3 wieder als „Einstiegsdroge“ ins Thema Wiesmann anbieten und werden ihn daher preislich attraktiv positionieren. Dabei müssen wir auch auf den restlichen Markt in dieser Klasse schauen.

Als der MF3 präsentiert wurde, gab es in diesem Segment quasi nichts Vergleichbares. Heute rollen mit BMW Z4, Audi TT-RS, Porsche Boxster und Mercedes-Benz SLK AMG sogar von den Platzhirschen entsprechende Produkte ins Feld. Da können und müssen wir mit Individualität, bester Qualität und tollem Fahrverhalten gegensteuern.

Sie hatten auch gefragt, ob oberhalb vom MF5 noch Raum ist für einen Supersportwagen. Dabei sollten wir auf die Motorleistung schauen und stellen fest, dass der MF5 bereits jetzt 555 PS hat. Mit einigen Änderungen seitens BMW könnte diese Leistung in den kommenden Jahren sogar noch ansteigen. Und darüber dann noch eine weitere Stufe zünden? Da sprechen wir dann von einem Preisbereich jenseits der 350.000,- € und dafür bekommt man schon Einfamilienhäuser in guter Lage. Da wird die Luft verdammt eng. Bislang planen wir nicht, uns in diesem Geschäftsfeld aufzuhalten.
Wir wollen stattdessen die bestehenden Produkte noch besser machen und die Innovationen der heutigen Zeit besser einbinden.“

CPzine: „Sie sprachen es gerade mit dem Gitterrohrrahmen schon fast an: Wie sieht es mit der Ersatzteilversorgung für den MF3 aus, wenn der Wagen ab jetzt nicht mehr gefertigt wird?“

Dr. H.: „Nicht anders als vorher. Alle Technikkomponenten sind über das BMW-Händlernetz zu bestellen und können unserer Kenntnis nach auch problemlos geliefert werden. Sollte es einmal, was wir natürlich nicht hoffen, zu einem Unfallschaden kommen, so können wir hier in der Manufaktur weiterhelfen. Wir behalten den Rahmen für die Rohrrahmen-Chassis hier und können so entsprechende Schweißarbeiten ausführen und auch die originalen Formen für die Karosserieteile sind vorhanden. Die Kunden müssen sich also diesbezüglich keine Sorgen machen.“

CPzine: „Wiesmann wird im kommenden Jahr als Marke 25 Jahre alt. Sind bereits Planungen für das Jubiläumsjahr angelaufen?“

Dr. H.: „In der Tat. Wir planen dabei nicht nur einen einzigen „Geburtstag“, sondern ein langfristiges Programm, bei dem wir auch unsere Stützpunkte mit einbeziehen werden. Zusätzlich wird in 2013 auch unserer traditionelles Frühlingsfest ein wenig restrukturiert. Hier werden unsere langjährigen Partner ebenso im Mittelpunkt stehen, wie die Marke Wiesmann. Mehr Einzelheiten werden in Kürze bekanntgegeben, die finalen Planungen laufen noch.“

CPzine: „Man kann sich also auf 2013 bereits freuen. Wir danken Ihnen für dieses Interview und wünschen Ihnen und dem gesamten Wiesmann-Team eine schöne Adventszeit.“

Das Interview führte Matthias Kierse

Fotos: Oliver Schnitzke und Matthias Kierse