Die neuen Eigner von Lotus bringen die Marke aktuell wieder auf die angestammte Spur der ultrasportlichen Autos zurück, ohne dabei die Ausgabewut der Vorgänger-Manager fortzusetzen. Als neues Modell kam der neue Lotus Exige V6 auf den Markt, den unser Redakteur Martin Englmeier in der Cup-Variante ausgiebig auf Landstraßen und dem gesamten Nürburgring inklusive Nordschleife Probe fahren konnte. Hier schildert er uns seine Eindrücke.

Lotus Exige V6 Cup

Bild 1 von 12

Mit dem Lotus Exige V6 Cup lassen sich Rennstrecken wie die Nürburgring Nordschleife auf der Ideallinie erkunden. Man sollte jedoch ein wenig Erfahrung mit leistungsstarken Autos haben.

Hinunter in die Hatzenbach.  Auto und Fahrer liegen gut im Rhythmus. Wir touchieren leicht die Curbs, exerzieren jede Kurve bis zum letzten Radius. Die mittels Doppelquerlenker geführten Räder verlieren nie den Kontakt zum Boden die Haftung, komponieren mit den Nitro-Federn und -Dämpfern eine perfekte Mischung aus Balance, Agilität und Grip. Die Lenkung freut sich über jeden Richtungswechsel  und erlaubt auch späte Korrekturen Richtung Ideallinie.

Jetzt über die Quiddelbacher Höhe Richtung Flugplatz. Wir lassen das Gas fast voll stehen, heben ab und setzen viel zu spät wieder auf. Gefahrenbremsung. Das dünne, kleine Lenkrad ohne Luftsack bewegt sich hektisch nach rechts um die erste Kurve am Flugplatz irgendwie noch zu kratzen. Aber das Heck beginnt sich schon einzudrehen und steht den Bruchteil einer Sekunde später bereits im unkorrekten Winkel quer zum  Einlenkpunkt. Nun reißen wir das Volant wieder in die Gegenrichtung. Schaffen wir’s noch bis zum Schwedenkreuz?

Szenenwechsel. Hethel, England. Mr.Gibbons, seines Zeichens Sales Manager bei Lotus Motorsport führt uns zu einer kleinen schwarzen Flunder vor der Halle. Er öffnet die Fahrertüre und deutet auf die Plakette im Fußraum: “Lotus Exige V6 Cup, build by Lotus Motorsport. No.11“. Nummer 11 also. Genau ein Fahrzeug pro Woche entsteht auf Basis der normalen Exige, die in der Serienfertigung nebenan vom Band läuft. Sofern man von einer Produktionslinie sprechen kann, denn streng genommen ist eigentlich jeder Lotus ein handgefertigtes Einzelstück.

Schon die Serienvariante ist kompromisslos auf Sport getrimmt, doch als Cup ist es endgültig als Rennauto zu klassifizieren. Nochmals um 40 Kilogramm erleichtert treffen hier 1.110 kg bei vollem Tank auf 257 kW/350 PS aus einem aufgeladenen,3,5 Liter großen V6-Motor. Die Kraftübertragung erfolgt mittels einer manuellen H-Schaltung auf die Hinterräder. Statt einem mechanischen Sperrdifferential setzt Lotus auf eine rein elektronische Lösung. Das Lotus DPM wurde wie schon das Vorgängersystem im Evora zusammen mit Bosch entwickelt.

Das Design ist für Kenner der Marke selbsterklärend. Mit den riesigen Einlässen vorne für die 3 Kühler nimmt man der schwarzen Flunder ihr typisches Happy Face aber nicht mehr richtig ab. Die Pilotenkapsel hinter den markanten Kotflügeln im Gruppe C Stil ist Elise-Fahrern ebenso geläufig, wie die Türen und der Großteil des Interieurs. Erst hinter den Sitzen geht es mächtiger in die Breite als gewohnt. Trotzdem geht die Exige immer noch als ausgesprochen kompakter PKW durch. Die Parkplatzsuche ist jedenfalls keine besonders große Herausforderung.

Aber ein Gefährt aus der Potash Lane kauft man ja nicht zum Einparken, obwohl ein nutzbares Kofferabteil existiert. Die normale Exige offeriert sogar großzügige Annehmlichkeiten wie Parkpiepser und Fernbedienung. In der Cup jedoch ist sogar die Zentralverriegelung zu entbehren. Selbst der Sensor für die Wegfahrsperre entfällt. Stattdessen lässt sich das Lenkrad abnehmen. Wie Russell uns erklärt, gilt dies in England offiziell als “Immobiliser“. Für Besitzer der Vorgängermodelle mit Cup Schriftzug ist dies aber auch nicht wirklich neu.

Wie fühlt sich das nun alles an? So wenig Gewicht mit wohl dosierter Technik und üppiger, wenn auch nicht exzessiver Leistung? Wir entern die flache Kabine, danken dem lieben Gott für unsere kompakte Statur, rücken die Sitzschale in die akkurate Position und drehen den Schlüssel. Es röhrt  vernehmlich aber nicht unbedingt rassig. Eine talentierte Konzertstimme wird der getunte V6 in diesem Autoleben wohl nicht mehr. Obwohl sich der Kompressor um entfernte Sopranlagen bemüht: Wegen dem Klang kauft man dieses Gefährt sicher nicht.

Eher schon wegen dem Vortrieb. Nach vorne geht es prächtig. Ansatzlos, ohne Verzögerung, stets sofort und ohne Warnung. Wer im ersten Gang voll durchdrückt muss augenblicklich auch schon wieder schalten, selbiges im zweiten. Dann ist die 100 km/h auch schon passiert, nach exakt 4 Sekunden. Hier muss man noch richtig arbeiten? Oh ja, gerne doch. Der Schaltstock fällt flüssig in die Gassen, wenn man ihn mit exakter Hand führt.  Die Schaltzeit selbst wird dabei zur Nebensache, bei so viel Macht über die Physik.
Auch Cruisen im sechsten Gang ist erlaubt. Leichtbau schafft automatisch auch Durchzug. Da braucht es keinen steil ansteigenden Drehmomentberg. Etwas über 1 Tonne Gewicht bei 400 Newtonmetern Drehmoment stehen sinnbildlich für absolute Souveränität. Selbst die Höchstgeschwindigkeit von 271 km/h ist ein Kinderspiel. Der Weg dahin kann für die Gehörgänge allerdings zur Herausforderung werden. Aber ein Radio haben wir ja eh nicht.

Dafür jedoch eine Klimaanlage. Die ist auf der Rennstrecke durchaus ein Vorteil, schließlich kann nicht jeder mit der Fitness eines Mr. Räikkönen konkurrieren. Trotzdem sollte auch der Pilot einer Exige wissen was er tut. Immerhin kommt dem ambitionierten Sportpiloten nun auch ein ESP zur Hilfe. Welch Hexenwerk in einem Lotus für die Rennstrecke, hört man die Puristen jammern. Doch wirklich schnell ist man auch hier nur im RACE-Modus, wenn die Elektronik nur noch im Hintergrund die Fäden zieht.
Die Modi “Tour“ und “Sport“ eignen sich vorwiegend für die Landstraße oder nasse Pisten. Dort lässt das System mehr oder minder scharfe Drifts zu, bevor Lenkwinkel und Querbeschleunigung nicht mehr zueinander passen. Für Anfänger auf der Strecke eine feine Sache. Profis werden jedoch von ihresgleichen gnadenlos überholt. Weil die Exige auch in der Variante Cup nicht über ein Sperrdifferential verfügt ist eine rigide einsetzende Traktionskontrolle an der Tagesordnung.

Aber nicht mehr wenn im Armaturenbrett zwischen Drehzahlmesser und Tacho die Anzeige “off“ leuchtet. Der für die Rennstrecke entwickelte Race-Modus moduliert den Schlupf an den Hinterrädern traktionsfördernd auf ein absolutes Minimum in Abhängigkeit von Art und Beschaffenheit der Fahrbahn. Ausfallschritte des Hecks werden damit nicht unterbunden. Der Fahrer hat die Kontrolle, die Elektronik unterstützt ihn bei der Suche nach dem Limit. Aber sie überstimmt ihn nur im absoluten Notfall.

Hinein ins Getümmel, wir entern den GP-Kurs des Nürburgrings. Nach der ersten Kurve ist klar, die Abstimmung ist unverkennbar von Lotus. Ein Untersteuern auf trockener Fahrbahn gibt es schlichtweg nicht. Fahrer und Rennauto balancieren ständig an der Grenze zum latenten Übersteuern. Wie der Dirigent eines Orchesters werden Bremse, Gas und Lenkrad fortlaufend zwischen zuviel Drift und “gerade noch so am Limit“ instruiert. Als Lotuspilot gilt es dabei mit der geringen Fahrzeugbreite den Radius der Kurven noch weiter ausnutzen.

Und noch später zu bremsen. Denn die AP-Scheiben sind in Sachen Wirkung, Dosier- und Standfestigkeit kaum zu überbieten. Der Exige Cup lässt sich in Kurven förmlich rein werfen, das Anbremsen Richtung Scheitelpunkt beginnt süchtig zu machen. Doch an den steilen Bergabpassagen des Rings darf man es nicht übertreiben. Wer zu spät bremst, verliert. In erster Linie viel Zeit. Wenn die Vorderräder die Kräfte einfach nicht mehr übertragen können, geht es nur noch geradeaus. Dort wo die GTRs,GT3s und M3s nur wenige Zehntel verlieren und dank ihrer servounterstützten Lenkung doch noch die Kurve kriegen, ist für den Exige Cup-Helden das Eck und somit auch die Runde versaut.

Für Kenner der Vorgängermodelle Exige Cup 260 oder 2-Eleven dürfte  sich die flotte Hatz dagegen wie eine lockere Streckenrundschau anfühlen. Vor allem in den richtig schnellen Ecken bleiben die feuchten Hände nun weitestgehend aus, obwohl auch diese rasende Alubox auf Lastwechsel reagiert und an den Abtrieb der großen Jungs nicht richtig heranreicht. Der gegenüber den Ahnen angesetzte Speck ist allenfalls in den engen Kehren Adenauer Forst und Wehrseifen erfahrbar. Dafür schlägt die Energie der 350 Pferde so gnadenlos zu, dass selbst das steile Bergaufstück nach der Ex-Mühle seinen Schrecken verliert.

Wer zudem erlebt hat, wie ruhig die Cup selbst über kritische Stellen wie die scharfe Links hinter der Fuchsröhre oder vorm Wippermann gleitet, wie schamlos sie im Pflanzgarten über die Kuppen geht und auch beim Anbremsen zum Schwalbenschwanz keine Zicken veranstaltet, der verneigt sich vor der hohen Kunst der Fahrwerksabstimmung. Wirkt unser Kollege im Alltag noch naturgemäß hart und trocken, fügt sich hier in der Eifel alles zu einem Fest der Querdynamik. Recht viel besser geht es nicht und in diesem Preisgefüge auch ganz bestimmt nicht schneller. Deutlich unter 8 min für unter 70.000,- Euro, das macht Lotus so schnell keiner nach.

Fotograf: Martin Englmeier