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Geschichte: Porsche 1944 bis 1950. Ende vom Anfang und Neubeginn.


LittlePorker-Fan

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Mal wieder Geschichtsstunde für Interessierte ;-)

Das beinahe-Ende des 1931 entstandenen Konstruktionsbüros von Ferdinand Porsche und die Anfänge der Sportwagenfirma Porsche von seinem Sohn Ferry.

Im Sommer 1944 suchte die Konstruktions-GmbH, auf anraten von Rüstungsminister Speer, eine neue Wirkungsstätte außerhalb einer Großstadt und dadurch außerhalb der alliierten Bomberverbände. Man kaufte schließlich eine alte Sägemühle in Karnerau bei Gmünd. Die Entscheidung fiel, da Zell am See, der neue Familiensitz der Familie Porsche nicht weit entfernt war.

Bis November 1944 war der Umzug geschafft, durch die hohe Geheimhaltung bemerkten die Alliierten von diesem Umzug nichts, obwohl der Mitarbeiterstab aus ca. 200 Personen bestand. Sie vermuteten das Konstruktionsbüro Porsche weiter, bis zum Einmarsch Ende April 1945, in Stuttgart: Was einem der Berlin-Rom-Wagen zum Verhängnis werden sollte. Der alte Professor blieb aber bis Januar 1945 weitgehend in der Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben (heute Wolfsburg), um ´seine´ Fabrik zu führen.

Die Hauptaufgabe des Konstruktionsbüro Porsche im Spätherbst/Winter 1944 war die Optimierung der Fieseler 103-Rakete, eine Flügelbombe und erster Marschflugkörper – heutzutage besser bekannt unter Propagandaminister Goebbels Bezeichnung Vergeltungswaffe-1 bzw. V1.

Als Transportmittel standen neben einigen KDF-Kübel- und Schwimmwägen noch zwei Berlin-Rom-Sportwägen (Typ 60 K10) zur Verfügung (Nr. 38/42 bzw. der Zweite und Nr. 38/43 bzw. der Dritte von insgesamt drei Fahrzeugen); Ferry hatte seinen persönlichen Kübelwagen mit einem Turbolader optimiert. Im Januar 1945 kam auch Professor Ferdinand Porsche nach Zell am See und Gmünd und blieb.

Am 20. April erreichte eine kleine amerikanische Kampfgruppe Gmünd und die umliegenden Ortschaften, sie stießen überrascht auf das Konstruktionsbüro und requirierten die Fahrzeuge. Unter anderem auch den Berlin-Rom-Wagen Nummer 2 (38/42) und veranstalteten damit ein Rennen auf dem in der nähe befindlichen Segelflugplatz. Durch die innere Enge des Wagens schnitten sie schließlich das Aludach ab und verwandelten den Wagen in einen Roadster, zum Schluss überdrehten sie die Maschine und ließen das Wrack stehen. Es wurde kurze Zeit später von Anwohnern geplündert und danach verschrottet.

Nummer 3 (38/43) kommt über Umwege vier Jahre später zu Otto Mathé und überlebt als einziges von den Dreien.

Während die Alliierten in Stuttgart nach Porsche und seinem Konstruktionsbüro suchten (die Stadt fiel am 22. April), meldete man von Gmünd aus, dass man Porsche gefunden habe. Die Amerikaner schickten daraufhin Major Franzen, dieser arbeitete vor dem Krieg bei Chrysler und kannte den Professor und Ferry von deren Amerika-Besuch 1937. Die Briten sendeten ebenfalls einen Ingenieur, Oberstleutnant Reeves. Erst jetzt registrierte man schön langsam den heimlichen Exodus des Konstruktionsbüros aus Stuttgart.

Die Familie und wichtigsten Mitarbeiter wurden im Anschluss in Salzburg festgesetzt. Nicht weil man Angst vor deren Flucht hatte, sondern mehr, dass russische (und auch französische) Agenten die wichtigen Köpfe verschleppen würden, wie es in dieser Zeit oft geschah. Nur der Professor wurde nach Königstein, nähe Frankfurt/Main gebracht und unter Arrest gestellt. Hier sollte ein Verhör stattfinden und eine Anklageschrift vorbereitet werden. Hauptsächlich ging es um Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge die er als Leiter des KDF-Werkes ab 1942 regelmäßig angefordert hatte. Auf betreiben vom ebenfalls inhaftierten Rüstungsminister Albert Speer, der selbst jegliche Verantwortung abstritt und auch seine Wehrwirtschaftsführer, wie Professor Porsche, als reine Marionetten ohne Befugnisse darstellte, wurde der Professor wieder auf freien Fuß gesetzt.

Er kehrte zusammen mit der restlichen Familie und dem engsten verbliebenen Mitarbeiterstab im Spätsommer nach Zell am See zurück und arbeitete an einigen unvollendeten Projekten weiter.

Im November 1945 erschien ein Leutnant der französischen Armee, Henry LeComte mit einem ehemaligen Porsche-Mitarbeiter Jung aus Stuttgart. Dieser Besuch war vom französischen Industrieminister Marcel Paul gesendet worden. Man eröffnete dem Professor dass die Amerikaner Interessen hätten, ihn -den Professor- nach Amerika zu verschleppen, des weiteren und viel wichtiger für den Professor, dass den Franzosen die Hälfte der KDF-Werke als Reparationen zugesprochen werden. Diese Hälfte soll in Frankreich neu aufgebaut werden, unter der jüngst verstaatlichten Firma Renault, also unter staatlicher Kontrolle stehend und der Professor sollte es mit leiten. Ein verlockendes Angebot: auch wenn das Werk evtl. kleiner wäre - aber ´Er´ hätte sein geliebtes Werk wieder.

Der Professor willigte Gespräche in Baden-Baden ein. Zusammen mit Sohn Ferry und Schwiegersohn Anton Pièch reiste er am 15.12.1945 zum Ort der Gespräche, bereits hier wurde klar, dass sie nur ein Spielball zwischen zwei Fraktionen waren. Nachdem die Franzosen bemerkten, dass die beiden Porsche dadurch kein Interesse hatten, wurden sie festgesetzt. Als Vorwand diente eine Anzeige vom Autofabrikanten Peugeot.

Die französischen Streitparteien waren: auf einer Seite der kommunistisch gesinnte Industrieminister Marcel Paul, unter der neuen Regierung de Gaulle ...

... und auf der anderen Seite, die französische Automobilindustrie allen voran Peugeot. Die besetzten Peugeot-Werke hatten im Weltkrieg Ersatzteile für die Kübel- und Schwimmwagen produziert, hatten dadurch das Know-How schon größtenteils und kein Interesse an ein zusätzliches, staatliches „Volkswagen-Werk“ in Frankreich. Noch dazu unter eventueller „Nazi-Führung“ eines genialen, ehemaligen Wehrwirtschaftsführers. Zudem machte Peugeot seine Gängelungen während der dt. Besetzung Frankreichs, bei der ein enger Mitarbeiter von ihm starb, ausdrücklich Professor Porsche persönlich verantwortlich, obwohl sich dieser damals nachweislich für ihn einsetzte.

Erschwerend kam für die in Baden-Baden arrestierten Porsches hinzu, dass Großbritannien immer weniger Interesse hatte, Teile der wichtigen KDF-Werke als Reparation herauszugeben. Neben dem inneren Frieden in ihrer Zone wollten die Engländer auch im Hinblick ihrer Automobilindustrie nicht, dass die Franzosen die Technik des modernsten europäischen Autowerkes bekommen.

Derweil überzogen die französischen Autobauer, allen voran Peugeot, die beiden Porsches und Pièch mit allerlei Vorwürfen und Beschuldigungen auf Hinblick ihrer Karrieren im nationalsozialistischen Deutschland.

Die Regierung unter Minister Marcel Paul versuchte mit Kollaborations-Vorwürfen gegenüber der französischen Automobilindustrie in der Besatzungszeit 1940-1944/1945 dagegenzuhalten.

Inzwischen suchten Vertreter der jüngst verstaatlichten Firma Renault Kontakte mit dem Professor. Dieser saß zusammen mit Sohn und Schwiegersohn bis April 1946 in einem Gefängnis in Baden-Baden, danach wurde er nach Paris gebracht, wo er in der Villa von Louis Renault festgehalten wurde. Diesem war Kollaboration mit den Besatzern vorgeworfen worden und war Ende Oktober 1944 unter mysteriösen Umständen in einem Pariser Gefängnis gestorben. Ferry und Anton Pièch blieben in Baden-Baden in Haft.

Die nun staatliche Firma Renault versuchte sich selbst mit einem Volkswagen, den 4CV und legte dem Professor einige Unterlagen vor um sie zu begutachten und zu verbessern, was dieser auch erledigte. Die Firma Renault leugnete danach lange die Zusammenarbeit.

Trotz dieser Zusammenarbeit verlor die Regierung zunehmend das Interesse am Professor, er landete schließlich im Gefängnis in Dijon: Zellen ohne Heizung, schlechte hygienische Zustände, mangelhafte ärztliche Versorgung, einseitige Verpflegung. Ab diesen Zeitpunkt wurde Professor Porsche krank. Die französische Regierung hatte sich auf die Seite der Gegner geschlagen. Da half es bei einem angesetzten Gerichtstermin auch nichts, dass sich sogar zwei Peugeot-Manager, eigentlich die Ankläger, überraschend schützend vor den Professor stellten – die Regierung handelte nach dem Motto: wenn man ihn selbst nicht bekommen sollte, dann auch kein anderer.

Einziger Hoffnungsschimmer war die Freilassung Ferrys im Juli 1946, der wieder nach Österreich zurückkehrten wo Frau Pièch recht erfolgreich die Firma, Mitarbeiter und Strukturen über die Zeit zusammen halten konnte. Da die Gebäude in Stuttgart weiter besetzt waren und auch kein Geld für einen Neubeginn anderswo übrig war, blieb man Gmünd treu.

Ein Glücksgriff war ein Auftrag von dem italienischen Geschäftsmann Piero Dusio, der im Krieg gute Gewinne mit dem Militär gemacht hatte und ein begeisterter Sportler war – vor allem der Motorsport lag ihm am Herzen. Er beauftragte die kleine, verbliebene Porsche-Mannschaft für ihn Traktoren, Wasserturbinen und einen Rennwagen -den eindrucksvollen aber glücklosen Cisitalia-Rennwagen- zu entwickeln.

Mit dieser Arbeit konnte Ferry das Lösegeld –ca. 1 Million Francs- für seinen Vater bezahlen, der im August 1947 schließlich aus Dijon entlassen wurde und nach Zell am See und Gmünd zurückkehrte. Das Konstruktionsbüro hielt sich in der Zeit mit Konstruktionen für Wasserturbinen, Generatoren, Traktoren und Ski-Lifte über Wasser. Großes Ziel des jungen Ferry war aber ein eigener Wagen, ein Sportwagen den er auch selbst in kleinsten Stückzahlen produzieren wollte. Die Arbeiten, die schließlich zur Nummer 1 und zum 356 führten, begannen im Juli 1947, die Nummer 1 bzw. 356/1 bekam Anfang Juni 1948 die Zulassung. Nach Rückkehr des Professors, der sichtlich gezeichnet von der Haft war, half er der Entwicklungsmannschaft so gut er konnte.

Hilfe bekam das Projekt und Porsche 1949 von Diplomingenieur Heinz Nordhoff, ebenfalls ehemaliger Wehrwirtschaftsführer (bei den deutschen Opel-Werken). Dieser hatte seit Ende 1947 von der britischen Militärregierung die Leitung der ehemaligen Deutschen Arbeitsfront-Werken der KDF. Nordhoff war sehr daran gelegen, dass Porsche weiter mit den neuen Volkswagen Werken arbeitet, anstatt für irgendeine andere Automobilfirma. Neben einer Vergütung pro produzierten VW, stellte man auch günstige Materiallieferungen, Hilfe beim Vertrieb, bei der Werbung und dem Service der angedachten Serie von 500 Porsche-Wagen Typ 356. Außerdem übte Nordhoff mit seiner VW zunehmend Druck auf Verantwortliche aus, damit die Firma Porsche wieder ihre Gelände in Stuttgart beziehen konnten.

Im November 1950 besuchte der Professor mit seinem Sohn Ferry ´sein´ Werk in Wolfsburg das erste mal nach dem Krieg und erstarrte vor hunderten VW-Käfern in Produktion.

Von Wolfsburg fuhr man nach Stuttgart wo der Professor am Folgetag, den 19.11. einen Schlaganfall erlitt. Halbseitig gelähmt und bettlägrig verstarb einer der größten Konstrukteure und Erfinder des 20. Jahrhunderts im Stuttgarter Marienhospital am 30.1.1951.

In Gmünd wurden derweil die Koffer gepackt ... 300 Mitarbeiter mussten zurück nach Stuttgart um –vielleicht mit viel Glück- 500 Sportwägen zu bauen und mit Hilfe von Volkswagen abzusetzen. Wahrscheinlich würde man sie eh nur in Europa verkaufen können ...

... etwas nördlicher läuft der 100.000 Volkswagen vom Band.

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Schön geschrieben, dankeschön :-))!

...Neben einer Vergütung pro produzierten VW, stellte man auch günstige Materiallieferungen, Hilfe beim Vertrieb, bei der Werbung und dem Service der angedachten Serie von 500 Porsche-Wagen Typ 356.

Ich meine mich daran erninern zu können, daß Porsche pro verkauften Käfer anfänglich 10,-DM bekam, die Summe wurde wohl im Laufe der Jahre angepaßt.

Es dürfte aber insgesamt rund eine viertel Milliarde Euro (!!!) gewesen sein, die VW an Porsche überwiesen hat.

Ist schon interessant, diese Phase der Porsche-Geschichte.

Obwohl das von Firmenseite aus natürlich immer ein zweischneidiges Schwert ist. Denn je detaillierter man die Arbeit von Ferdinand Porsche würdigen will, umso mehr muss man natürlich auch zugeben, wie sehr er in die NS-Rüstungsmaschinerie verstrickt war.

Gruß,

Markus

Ich meine mich daran erninern zu können, daß Porsche pro verkauften Käfer anfänglich 10,-DM bekam, die Summe wurde wohl im Laufe der Jahre angepaßt.

Anfänglich waren es 5,- Mark bzw. 0,1% eines Volkswagens. Ob und wie sich die Zahlung angepasst hat, weiß ich leider nicht.

Obwohl das von Firmenseite aus natürlich immer ein zweischneidiges Schwert ist. Denn je detaillierter man die Arbeit von Ferdinand Porsche würdigen will, umso mehr muss man natürlich auch zugeben, wie sehr er in die NS-Rüstungsmaschinerie verstrickt war.

Das war typisch für diese genialen Technokraten. Für die meisten war es wichtig ihre Visionen voran zu treiben. Das moderne, nationalsozialistische System förderte sie nach Kräften und stellte ihnen alle Mittel zur Verfügung ... weshalb ein großer Teil der damaligen dt. Erfinder und Konstrukteure ganz offen mit den Nationalsozialisten sympathisierte:

Wernher von Braun, Willy Messerschmitt, Ernst Zindel, Hellmuth Walter, Gerhard Fieseler, Kurt Tank, ... ... den Makel von Zwangsarbeit und Arbeitslager haben sie alle.

Oder auch spätere ´Macher´, wie Carl F. W. Borgward, Günther und Herbert Quandt oder eben Heinrich Nordhoff usw.

Widerstand gab es wenig und wenn dann mehr auf persönlicher Ebene, wie bei Ernst Heinkel, der kein Problem mit KZ-Häftlingen und Zwangsarbeiter in seinen Fabriken hatte aber öfters heftigen "Krach" mit Gauleitern und anderen Partei-Oberen weil sie ihm in seiner Firmenstrategie bzw. Vision dreinredeten.

Aber alle weinten dem System an sich keine Träne nach. Sie identifizierten sich nicht großartig mit dem politischen Gedanken des Nationalsozialismus.

Eher im Gegenteil, viele gingen sehr früh und sehr offen und begeistert ihren neuen Förderern entgegen. Während bei anonymen Umfragen in der dt. Bevölkerung erst Anfang der 60er Adolf Hitler aus den Listen der beliebtesten dt. Politikern verschwand, war z.B. von Braun schon ein halber Amerikaner und Ferry Porsche exportierte in Massen seine 356 über den großen Teich. Visionäre hängen selten in der Vergangenheit fest.

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