Angenommen, man hätte 1994 den Lotto-Jackpot geknackt und 2 Millionen D-Mark gewonnen, was hätte man sich davon kaufen können? Man hätte eine Fahrzeugvermietung mit 80 nagelneuen Opel Astra aufmachen können. Nein? Lieber ein schönes Häuschen am Chiemsee? Auch nicht? Es soll sportlicher und seltener sein? Nun, da gab es eine englisch-bayrische Co-Produktion, die 1994 auf den Markt kam – wir feiern 15 Jahre McLaren F1.

McLaren F1

Bild 1 von 21

Bereits Ende der 1980er Jahre, als Ayrton Senna Sieg um Sieg in den McLaren-Formel 1-Fahrzeugen einfuhr, machten sich sein Arbeitgeber Ron Dennis und Konstrukteur Gordon Murray Gedanken zu einem Sportwagen, der die Faszination der Formel 1 auf die Straße übertragen sollte. Sehr schnell stand ein dreisitziges Layout fest, bei dem der Fahrer wie in einem Monoposto-Rennwagen in der Mitte sitzt. Rechts und links finden sich Sitzmulden für zwei wagemutige Beifahrer. Verschiedene Firmen wurden als potenzielle Motorenpartner in die engere Wahl genommen, doch erst bei BMW traf man auf interessierte Zuhörer. Im Lastenheft wurden 12 Zylinder und rund 550 PS verankert. Ein solcher Motor existierte bereits, da man zu diesem Zeitpunkt eine M-Version des 8er Coupés plante, die jedoch nie in Serie ging. Umso erfreuter waren die McLaren-Techniker, als die ersten Motoren mit der Info in England eintrafen, dass die Leistung auf 461 kW/627 PS angestiegen seie. Motorenpapst Paul Rosche, der bereits in den 70er Jahren die BMW-Turbomotoren mit über 1.000 PS für die Formel 1 entwickelte, hatte hier wieder einmal sein hervorragendes Können demonstriert.

Um die Hitze-Entwicklung dieses 6,1-Liter V12-Motors in den Griff zu bekommen, wurde der gesamte Motorraum mit Gold ausgekleidet, dem besten Wärmereflektor der Welt. Dennoch ging der intern XP1 genannte erste Prototyp auf einer der notwendigen Testfahrten vor Produktionsbeginn in Flammen auf. Vier weitere Prototypen wurden aufgebaut, davon einer für die notwendigen Crashtests, die der Sportwagen dank seines Carbon-Chassis mit Bravour bestand. Der Name stand in der Zwischenzeit auch fest: McLaren F1. 1993 wurden erste Journalisten eingeladen, um sich ein Bild von diesem Fahrzeug machen zu können und die beiden letzten Prototypen XP4 und XP5 zu testen. Immerhin handelte es sich nach Aussage der Erbauer um den schnellsten Seriensportwagen, was es jedoch erst noch zu beweisen galt. Zu diesem Zeitpunkt hielt Jaguar den Rekord mit 348,8 km/h. McLaren versprach, 50 km/h schneller zu sein, was natürlich für ordentliche Publicity sorgte.

Die Fahrleistungen waren absolut beeindruckend. Die Beschleunigung auf 100 km/h schüttelte das Fahrzeug in nur 3,4 Sekunden aus dem Ärmel. Nach 9,4 Sekunden erreichte man 200 und nach 23 Sekunden bereits 300 km/h. Skeptiker mussten sich bis 1998 gedulden, um zu erleben, dass der McLaren F1 in der Tat die Fahrleistungen erreichte, die das Werk ihm prognostiziert hatte. Auf der Volkswagen-Teststrecke Ehra-Lessien in Niedersachsen erreichte Martin Brundle 386,4 km/h, bei späteren Testfahrten erreichte ein Fahrzeug sogar 391,23 Stundenkilometer.

1994 erhielten die ersten der millionenschweren Kunden ihre Fahrzeuge. 1,5 Millionen DM kostete der F1, für die damalige Zeit blanker Wahnsinn. Dafür bekam man 65 Opel Astra in der Basisausstattung – und hätte immer noch Benzingeld übrig gehabt.

Die Karosserie war windschnittig gestaltet und verfügte über zwei bis ins Dach reichende Flügeltüren. Direkt hinter den Türen sind auf beiden Seiten Klappen in der Karosserie integriert, hinter denen kleine Kofferräume versteckt sind. Mittels des mitgelieferten maßgeschneiderten Koffersets konnte man genug Gepäck für eine Wochenendreise oder ähnliches mit an Bord nehmen. Serienmäßig gab es eine besonders leichtgewichtige Klimaanlage und eine ebenso leichte Musikanlage von Kenwood. Über ein Datenübertragungskabel konnte man alle wichtigen Daten, die das Auto während der Fahrt auf der Straße oder Rennstrecke gesammelt hatte, auf einen Laptop übertragen und auswerten. Am Heck war ein Heckspoiler integriert, der sich bei Bremsmanövern senkrecht in den Wind stellte und als Luftbremse fungierte. Ganz wenige Exemplare des McLaren F1 erhielten Außenspiegel, die an der A-Säule montiert waren, die restlichen bekamen Exemplare, die man bei einer Fremdfirma eingekauft hatte. Zumindest hatten sie eine frappierende Ähnlichkeit zu jenen des gleichzeitig gebauten Volkswagen Corrado.

Trotz des immensen Kaufpreises wurden bis 1998 insgesamt 64 McLaren F1 in der Straßenversion gebaut. Unter den Kunden finden sich Prominente wie Modeschöpfer Ralph Lauren, US-Talkstar Jay Leno, das verstorbene Beatles-Mitglied George Harrison, der Schlagzeuger von Pink Floyd, Nick Mason und der englische Comedian Rowan Atkinson, besser bekannt als Mr Bean. Auch der damalige BMW-Chef Bernd Pischetsrieder besaß ein solches Auto, immerhin steckte ja ein bavarischer Motor drin. Bei einer Landstraßenfahrt verunglückte er jedoch mit dem Wagen und überschlug sich mehrfach, was zu einem Totalschaden führte. Auch „Mr Bean“ verschätzte sich mit seinem dunkelroten McLaren einmal und fuhr an einer roten Ampel auf ein bereits stehendes Fahrzeug einer alten Dame auf. Der Schaden an seinem Auto hielt sich jedoch in Grenzen und wurde rasch im Werk repariert.

Heutzutage werden immer wieder einmal gebrauchte McLaren F1 angeboten. Die Preise liegen dabei auf Neupreis-Niveau, jedoch steht heute ein Euro-Zeichen hinter der Zahl. Kürzlich wurde der wohl letzte neuwertige McLaren versteigert. Er hatte jahrelang im einzigen weltweiten McLaren-Showroom in London gestanden und war vor der Auktion vom Werk noch einmal komplett revidiert worden, um Standschäden zu beheben.

Schon während der Entwicklungsphase wurde über ein Engagement im Motorsport nachgedacht. Zu diesem Zeitpunkt entwickelte sich gerade die BPR-Serie, deren Mitbegründer war, wie es der Zufall will, ein gewisser Thomas Bscher, der zeitgleich Kunde bei McLaren war und Jahre später die Entwicklung des Bugatti Veyron leitete, aber das ist eine andere Geschichte. Bscher sorgte mit dafür, dass auf Basis des F1 der GTR entwickelt wurde, mit dem er und weitere Kundenteams 1995 in der BPR und beim 24-Stunden-Rennen im französischen Le Mans antraten. Dort errang der McLaren F1 GTR mit Yannick Dalmas, JJ Lehto und Masanori Sekiya auf Anhieb den Gesamtsieg. Auf den Plätzen 3, 4, 5 und 13 folgten vier weitere Fahrzeuge. Aufgrund dieses unerwarteten Erfolgs legte McLaren ein straßenzugelassenes und auf 5 Exemplare limitiertes Sondermodell auf, das optisch an den GTR erinnern sollte – den F1 LM. Dieser erhielt 480 kW/652 PS, war jedoch aufgrund einer geänderten Getriebeabstufung nicht ganz so spurtstark, wie die normale Straßenversion. Nach Ablauf der Produktion präsentierte McLaren ein Aerodynamikpaket, das optisch stark an den LM erinnert. Es besteht aus einem Frontsplitter und einem Heckflügel. Viele Fahrzeuge haben es komplett oder teilweise nachträglich erhalten.

1996 gewann das Gulf-Team mit dem McLaren F1 GTR den BPR-GT1-Titel gegen Fahrzeuge wie den Ferrari F40, den Lotus Esprit oder den Porsche 993 GT1. Für das Folgejahr wurde jedoch aufgerüstet.

Um den Erfolg des Titelgewinnes zu wiederholen, wurde gezielt an einer der Schwachstellen des McLaren gearbeitet: das Heck generierte selbst in Verbindung mit dem großen Heckflügel des GTR nicht genug Abtrieb. Also wurde das Heck verlängert, um auf diese Weise einen längeren Diffusor unter dem Fahrzeug unterzubringen. Zeitgleich wurde das Fahrzeuggewicht auf unter eine Tonne Gesamtgewicht gesenkt und die Leistung auf 500 kW/680 PS gesteigert. Die BPR hatte sich zwischenzeitlich zur FIA GT-Serie entwickelt und weitere Konkurrenten angelockt. Der neue Langheck-GTR traf nun auf den Porsche 996 GT1 Evo, den Mercedes-Benz CLK GTR und die Lotus Elise GT1. Unter anderem gewann man mit diesem Fahrzeug die 1000 km von Monza in Italien. Als Straßenversion des verlängerten McLaren F1 GTR legte man den GT auf, der jedoch mangels Heckflügels auf wenig Gegenliebe bei den Kunden traf. Lediglich 3 Autos wurden gebaut. Von den kurzen und langen GTR-Rennfahrzeugen entstanden zusammengezählt 28 Fahrzeuge, von denen in der Zwischenzeit einige auf Straßenzulassung umgerüstet wurden. Wer richtig mitgezählt hat kommt also auf insgesamt 100 gebaute McLaren F1, der damit zu den rarsten Sportwagen der Neuzeit zählt.

Bereits während der McLaren F1 noch gebaut wurde, war Mercedes-Benz als Motorenpartner der McLaren-Formel 1-Fahrzeuge eingestiegen. Natürlich waren die Schwaben wenig erfreut über den Supersportwagen mit Kraftwerk aus München. So war allen Beteiligten schnell klar, dass die Produktion eines eventuellen Nachfolgers nicht mehr mit BMW gemeinsam angegangen würde.

Die Planungen dauerten dennoch sechs Jahre und wenn man ehrlich ist, ist der Mercedes-Benz McLaren SLR auch eher ein gemütlicher GT denn ein wahrer Supersportwagen und somit kein direkter Nachfahre des F1.

Im kommenden Jahr erscheint jedoch ein würdiger Nachfolger, der von McLaren in Eigenregie und mit eigenem Motor entwickelt wurde: der MP4-12C.

Quellen: McLaren, BMW, CP-Archiv

Autor: Matthias Kierse